Nach Ausbruch des Ukrainekriegs sind die Agrargüter massiv teurer geworden. Die weltweit gute Ernte 2022 hat nun zu einer Entspannung der Lage geführt. Seit Anfang November flachen die Weltmarktpreise ab und sinken stetig, so die Schweizerischen Getreideproduztenten (SGPV) in einer Mitteilung, «auch wenn sie auf einem deutlichen höheren Niveau als vor dem Krieg verbleiben».

«Es fehlt an Flexibilität»

Trotz dieser Entspannung ist der SGPV unzufrieden, wie er am Mittwoch mitteilte. Das Grenzschutzsystem strebe Preisstabilität für Importe an, indem die Zollgebühren reduziert werden, wenn die internationalen Preise hoch sind und umgekehrt. Es sei zum Leidwesen der Schweizer Produzenten aber wenig reaktionsfähig, so der Verband: «Es fehlt an Flexibilität und die Preissenkungen auf den internationalen Märkten werden nicht antizipiert», so der Verband. Dies bedeute konkret für die aktuelle Situation, dass die Importpreise zu niedrig sind, da der Grenzschutz ungenügend ist. Diese katastrophale Situation, die vom Schweizerischen Getreideproduzentenverband (SGPV) bereits im Dezember 2022 kritisiert wurde, hat sich im Januar 2023 noch verschärft.

Im Dezember 2022 haben die Importmengen für Futterweizen und Körnermais der Mitteilung zufolge neue Rekorde erreicht. «Die Verarbeiter konnten so von grossen Mengen zu tiefen Preisen profitieren und beachteten die wenig wettbewerbsfähige inländische Ware nicht», so der Verband. Die Importe für Januar und Februar würden sich «sehr wahrscheinlich und unglücklicherweise» auf einem ähnlichen Niveau befinden, da der Grenzschutz zu tief bleibt aufgrund zu zögerlichen und zu wenig vorrausschauenden Anpassungen von Seiten des BLW.

«Unverhältnismässig hohe Importe zu sehr tiefen Preisen erzeugen einen enormen Druck auf die Preise von Schweizer Produzenten», schreibt der SGPV. Dies weil die Sammelstellen «auf die eine oder andere Weise Platz machen müssen bis zur nächsten Ernte». Wenn sie zu den aktuellen Konditionen verkaufen wollten, seien sie gezwungen ihre Preise zu senken, um die Importe zu konkurrenzieren.

Richtpreise dürften nicht erreicht werden

«Die in der Branchenorganisation hart verhandelten und um 3 Franken höheren Richtpreise im Vergleich zu den Vorjahren, laufen Gefahr aufgrund eines fehlenden angemessenen Grenzschutzes nicht erreicht zu werden», schreibt der SGPV weiter. Die ohnehin schon eindeutig unzureichende Rentabilität von Futtergetreide gerate so zusätzlich unter Druck, was sich auf die Produktionsmengen der nächsten Jahre auswirken werde.

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Die Motivation der Produzenten, Futtermittelrohstoffe zu produzieren, werde weiter abnehmen, wie auch die Glaubwürdigkeit von Schweizer Fleisch, befürchtet der SGPV. Mit diesem Seitenhieb versuchen die Getreideproduzenten offenbar, auch die Tierproduzenten ins Boot zu holen. Diese sind meist nicht sonderlich kampfeslustig, wenn die Getreideproduzenten protestieren, denn tiefe Preise auf den Weltmärkten kommen ihnen entgegen.

Der SGPV fordert Konsequenzen auf staatlicher Ebene: «Der Bundesrat und die Bundesverwaltung müssen jetzt so rasch als möglich reagieren um die Situation zu retten und die langfristigen Auswirkungen zu begrenzen, indem sie das Vorgehen zur Anpassung des Grenzschutzes ändern, damit eine schnelle Reaktion und eine bessere Anpassung an die Entwicklung des Weltmarktes erreicht wird», heisst es in der Mitteilung abschliessend.

Inlandgetreide mehrheitlich gefressen

«Es ist schwierig», sagt Christian Oesch, Direktor der Vereinigung Schweizerischer Futtermittelproduzenten (VSF) zur Kritik der Getreideproduzenten. Er räumt ein, dass der Richtpreis wohl zuweilen nicht erreicht werde, erinnert aber auch daran, dass es sich beim Richtpreis nicht um einen garantierten Mindestpreis handle. 

Nun stünden im März Richtpreisverhandlungen für die Ernte 2023 an, der VSGP wolle sich vermutlich in Stellung bringen für diese Diskussionen. Die Preise auf den internationalen Märkte seien ab Mitte 2022 – und insbesondere im Dezember 2022 weiter – gesunken. Deshalb hätten sich die Importeure wohl eingedeckt. Dies auch, weil sowohl die Futtermais- wie auch die Futterweizen-Ernte 2022 im Inland bescheiden ausgefallen seien und weil das Brotgetreide von hoher Qualität gewesen sei, was zu erfreulich tiefen Deklassierungs-Mengen geführt habe.

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Die knappe Inland-Produktion (ausser Gerste) sei im Übrigen wohl schon Ende 2022 mehrheitlich gefressen gewesen, sagt der VSF-Direktor. Für die Unzufriedenheit mit dem Grenzschutzssystem hat Oesch ein gewisses Verständnis. Es sei nicht geeignet, um rasch auf volatile Marktsituationen zu reagieren. Gespräche diesbezüglich mit dem BLW seien angestossen.