Derweil ihr Ehemann Leo de Jonge 35 internationalen Agrarjournalisten Red und Antwort steht, ist Willemien Verbeek die herzliche Gastgeberin. Auf der Terrasse des traditionellen Backsteinhauses serviert sie schwarzen Kaffee und die berühmten niederländischen Waffeln. Wer jetzt denkt, sie sei Hausfrau und er Betriebsleiter, irrt sich gewaltig – und doch nicht ganz.

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Hausfrau und Managerin

Zwei Tage nach dem Journalistenbesuch herrscht beste Ordnung in der hellen, geräumigen Wohnung. Eine grosse Menge Wäsche füllt die Leine im Hinterhof. «Ich mag den Trockner nicht», so die Bäuerin. Der Duft von Stompott (Kartoffelstock mit Endivien) erfüllt die Küche und draussen brutzeln Hamburger auf dem Grill.

Derweil stellt ihr Mann mit dem Mitarbeiter und den älteren Kindern die Bewässerungsanlagen der Kartoffel- und Zwiebelfelder um. Der lange Tisch wird zum Abendessen voll: Die 19-jährigen Zwillingssöhne Pieter und Ruben und die 17-jährige Tochter Anna waren übers Wochenende an einem grossen Openair und sind noch etwas müde. Jan Luc, 14-jährig, neckt sie gerne.

Keine Entscheidung ohne ihr Mitdenken

Der langjährige polnische Mitarbeiter Tomasz scherzt mit. Partner Leo de Jonge führt rege Gespräche mit zwei Gästen, derweil Willemien Verbeek mal den Kindern zuhört und dann wieder aufspringt, um Teller zu füllen. Die hochgewachsene, sportliche Frau (sie rudert dreimal pro Woche) weiss über alles auf dem 190 Hektar grossen Betrieb Bescheid. Es werden keine wichtigen Entscheide ohne ihr Mitdenken gefällt. «Wenn das Getreide verkauft wird, bin ich es, die in die Abnahmestelle geht, um alles zu kontrollieren», sagt Willemien Verbeek. Meistens übernimmt sie Verhandlungen mit Produktabnehmern und oft auch mit dem Maschinenhändler. Im letzten Jahr erwarben Verbeeks den Nachbarsbetrieb samt Viehbestand, dessen Land sie schon länger pachteten.

Auf dem Bauernhof aufgewachsen

Es war ein grosser, etwas riskanter Schritt. Die Bäuerin bekam, ganz nach ihrem Wunsch, die Verantwortung für den Milchviehbetrieb. Die 54-jährige Frau wuchs als Jüngste von sieben Kindern auf einem Bauernhof auf. Als ihr Bruder, der den elterlichen Hof übernommen hatte, an Krebs erkrankte, nahm sie Urlaub im Milchverarbeitungsbetrieb, wo sie angestellt war. «Zum ersten Mal in meinem Leben melkte ich», erzählt Willemien Verbeek. «Ich merkte, ‹Wow, das ist für mich!›» Sie kehrte an ihre Stelle zurück, aber: «Im Herzen blieb ich eine Landwirtin.»

Willemien Verbeek bekommt einen Hof

In einer Ausbildung im Nebenstudium zur Immobilienhändlerin lernte Willemien Verbeek Leo de Jonge kennen. Dieser kam von einem Bauernbetrieb auf Flevoland, dem jüngsten Polder (vom Meer gewonnenes Land) der Niederlande. Sein Vater wurde 1980 Pächter und Pionier auf dem fruchtbaren Boden. Als die Regierung 1997 die Polderbetriebe zum Kauf freigaben, erwarb Leo de Jonge den elterlichen Hof mit 60 Hektaren.

Zwei Jahre später heiratete das junge Paar. Herausfordernde, aber glückliche Jahre folgten, in denen Willemien Verbeek und ihr Mann zusammen den Betrieb aufbauten und die vier Kinder grosszogen. 2004 riskierte das Paar einen grossen Sprung. Sie kauften einen zweiten Betrieb, den sie pachteten und der kurz danach zu kaufen war. «Die Leute sagten alle: ‹Ihr seid verrückt, das Risiko ist viel zu gross›», erwidert die Bäuerin lachend und ist sehr gelassen. «Wir sagten uns, wenn wir die Hypothek nicht mehr bezahlen können, verkaufen wir halt ein Stück Land.» Die blauen Augen leuchten. «Ich blühe bei einem Risiko auf.»

Milchbetrieb ist eine grosse Herausforderung

Das Risiko lohnte sich, verlangte aber Verzicht und harte Arbeit. «Das waren unsere besten Jahre», sinniert Willemien Verbeek. «Wir arbeiteten zusammen und wir freuten uns an der Entwicklung unserer Kinder.» Die Aufgabe mit dem neu erworbenen Milchviehbetrieb, auf die sich Willemien Verbeek so gefreut hatte, wurde eine zähe Herausforderung. Die Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiter erwies sich als schwierig. Die Milchpreise waren tief.

Der Familienrat entschied, die Kühe zu verkaufen, zumal die Verpachtung der Milchrechte das fünffache des Milchgeldes einbrachte. Der Entscheid wurde umgehend von der Managerin umgesetzt. «Es bringt nichts, eine gemachte Entscheidung noch lange hinauszuzögern», ist sie überzeugt.

Besuch an der Agrama

Um sich neu zu orientieren, machte Willemien Verbeek eine Auszeit in der Schweiz. Sie überlegt sich, wieder ins Immobiliengeschäft einzusteigen oder junge Unternehmen zu coachen. An der Agrama in Bern fand sie etwas Abwechslung. Dort arbeitete sie mit grosser Freude am Stand von Thomas Rindisbacher, Land- und Forsttechnik aus Gümligen BE. Sie unterstützte Rindisbacher beim Auf- und Abbau vom Stand und und trug massgebend zum Geschäftserfolg während der Ausstellung bei. «Die Agrama ist eine qualitativ hochwertige Ausstellung, auf die die Schweiz stolz sein kann. Das haben wir in den Niederlanden nicht!» Mit neuer Energie kehrte die Holländerin nach Hause zurück: «Ich bin stolz auf unseren Betrieb und auf das, was wir zusammen erreicht haben.»

Marianne Stamm