Rund 150 Frauen aus dem deutschsprachigen Raum nahmen an der 3. Internationalen Tagung «Frauen bewegen Landwirtschaft - Landwirtschaft bewegt Frauen» teil; beinahe ein Fünftel davon kamen aus der Schweiz. Organisatorinnen waren Veronika Grossenbacher vom Evangelischen Bauernwerk in Württemberg (D) und Ines Fahning von der Deutschen Agrarsozialen Gesellschaft (ASG). Die dreitägige Tagung war ein Austausch zwischen Forschung und Praktikerinnen aus der Landwirtschaft. Ziel der Tagung war die Gleichstellung von Frauen und Männern auf landwirtschaftlichen Betrieben zu fördern. Diskutiert wurde mittels wissenschaftlichen Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Foren über das, was Frauen in der Landwirtschaft bewegt: Das Rollenbild der Bäuerin, ihre Lebens- und Arbeitssituation, Partnerschaft und öffentliches Engagement.

Rege Schweizer Beteiligung

Auf dem Podium waren Beiträgen der Agridea, der Agroscope, der HAFL und dem Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) vertreten. Beim SBLV war beinahe der gesamte Vorstand angereist. Die Schweizer Beiträge korrespondierten bestens mit dem am Ende der Tagung erarbeiteten Forderungen. Die Schweizerinnen brachten beste Praxisbeispiele zu Partizipation von Frauen in landwirtschaftlichen Organisationen, Erfassung von arbeitswirtschaftlichen Zahlen im Bauernhaushalt und partnerschaftlicher Betriebsführung mit.

Das bisschen Haushalt

«Das Thema Hauswirtschaft muss wieder in die Schulen zurück, um ernst genommen zu werden», war eine Reaktion auf den gemeinsamen Beitrag von Agroscope und Agridea zum uralten Thema «Das bisschen Haushalt». In einer «nicht repräsentativen» Umfrage wurde herausgefunden, dass sich Frauen in der Landwirtschaft, abgesehen von der Arbeit im Betrieb, überwiegend ums Kochen, Backen, Waschen, Bügeln kümmern und rein rechnerisch nur 2,5 Minuten pro Tag Zeit für den Punkt «Partnerschaft und Beziehung» zur Verfügung haben. 

Wo bleiben die Männer?

Zusammenfassend kann man sagen, dass in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Frauen in der Landwirtschaft mehr oder weniger dieselben Probleme haben. Die Rollenbilder sind hartnäckig, da braucht es ausdauernde Frauen, die selbstbewusst und bestimmt auf ihre Weise als Vorbilder auftreten. Der Austausch bei solchen Tagungen ist dabei viel wert. Apropos männliche Kollegen: Natürlich würden die Frauen an solchen Tagungen gerne deren Meinung hören. Männer haben sich allerdings kaum auf der Tagung blicken lassen. Der einzige Quotenmann kam übrigens aus der Schweiz.

Erfolgreich und weiblich

Der dritte Tag der Tagung war vollumfänglich den Betriebsleiterinnen als Unternehmerinnen gewidmet. Marta Blumenstock ist gelernte Zeichnerin, aber seit fast 40 Jahren Bäuerin. Als ihre beiden Söhne vor gut 15 Jahren in den Betrieb einsteigen wollten, wurde kräftig erweitert. Mit 300 Hektaren Landwirtschaftlicher Nutzfläche, 200 Muttersauen, 2000 Mastschweinen, 320 Mastbullen und einer grossen Biogasanlage grenzt der Familienbetrieb an das, was in Verbraucherkreisen gerne als industrielle Landwirtschaft und Massentierhaltung verteufelt wird. Ihre durch die Betriebsübergabe gewonnene freie Zeit wollte Marta Blumenstock nutzen, um dem entgegenzuwirken. 

Garage auf, Tische rein

«Auf einer Lehrfahrt in Nordspanien habe ich gesehen, wie sie dort Gäste auf den Betrieb locken: Garage auf, drei Biertische rein und aufgetischt, was der Hof an Essbarem hergibt», erzählt die temperamentvolle Frau, die inzwischen bereits drei Enkel hat. «Das gefällt den Leuten. So wollte ich das auch machen.» Mit ihrem eigenen Betriebszweig bietet Marta Blumenstock daher «Landwirtschaft hautnah – Genuss pur». Und dies am liebsten im Format «Zweimal 60 Minuten» – will heissen: eine Stunde Betriebsführung plus eine Stunde Essen aus der Region. Letzten Donnerstag führte die Seniorchefin die Tagungsteilnehmerinnen durch den Betrieb.

Alkohol war gestern

Die Verschlussbrennerei zur Erzeugung von Industriealkohol steht still, seit das staatliche Alkoholmonopol gefallen ist (nicht EU-konform) und billiger Alkohol aus Übersee auf den Markt drängt.

Die Schweineställe können aus hygienischen Gründen nicht betreten werden, wohl aber die Bullenmastställe und die gigantische Biogasanlage, die das Dorf und ein Industriegebiet mit heizt. Mit grosser Sachkenntnis erklärte Marta Blumenstock die Betriebsabläufe und untermauerte ihre Ausführungen mit Zahlen. «Ich hab ja auch immer die Buchführung gemacht.»

Ihre Fleckvieh-Bullenkälber beziehen sie aus der Region. Auf Stroh gehalten im Kaltstall, gefüttert nur mit Heu und Getreideschrot. 15 davon werden jeden Monat als Premiumbullen an Metzger verkauft.

Filetstücke sind nicht alles

Vor den zufrieden kauenden Bullen stehend, macht Marta Blumenstock den Verbrauchern klar, dass so ein Tier nicht nur aus Filet und Tafelspitz besteht, mit Heu langsamer wächst als mit Silage und vieles mehr. Gerne diskutiert sie und rückt überzogene Vorstellungen gerade. Und dann gehts zum Rinderbraten-Essen. Aus der «Garage» ist inzwischen freilich ein gepflegter, heller Gastraum für 50 Personen in Holzbauweise geworden mit vorschriftsmässiger Edelstahl-Küche – mitteleuropäischer Standard eben.

Für Vollerwerb zu klein

Auch Kerstin Gronbach ist schon seit 30 Jahren Bäuerin, obwohl sie gelernte Kauffrau ist. Der Hof ihres Mannes war mit 20 Hektaren und ein paar Muttersauen als Vollerwerbsbetrieb zu klein, ihr Mann arbeitet im Handwerk. 
Zuerst hatte sie Feriengäste auf dem Hof, «aber ich hab gemerkt: Ich habe die Kinder lieber ohne Eltern». Kerstin Gronbach beschloss, den Bauernhof besser zu den Kindern zu bringen, packte ein paar handzahme Ferkel, Schrotmühle und Gitarre in den Autoanhänger und besuchte mit ihrer «Kleinen Schweineschule» Grundschulen in der Umgebung. Mit selbstgedichteten Liedern, viel Anschauungsmaterial, gemeinsam hergestelltem Brot und vielen Fragen bringt sie die Kinder zum Nachdenken. 

Herkunft des Schnitzels 

«Wer von euch hat ein Haustier?»; «wer von euch versorgt es selber?»; «macht viel Arbeit, nicht wahr?» Sie möchte die Kinder dazu befähigen, zu verstehen und selbst zu entscheiden, was Lebensmittel wert sind. «Und woher kommt das Schnitzel?»

Beim Pfannkuchenfest auf ihrem Hof kann jeder sich sein Mittagessen selbst herstellen, von der Ähre bis zum Teller. Will heissen: Körner ausklopfen, schwitzend in der Schrotmühle mahlen, Milch aus der Kuh melken, Ei aus dem Hühnerstall holen – von diesem Pfannkuchen wird sicherlich nichts weggeworfen. In der Sommerküche, die in einer alten Scheune eingerichtet ist, kann das alles im Freien geschehen.

Scheune wird Herberge

Vor 15 Jahren hat die Betriebsleiterin sich einen Traum verwirklicht: Zusammen mit ihrem Mann, der gelernter Maurer ist, hat sie die Scheune, die an den Schweinestall angrenzt, zu einer Herberge umgebaut: Speisesaal mit Küche und Waschräumen im Erdgeschoss, darüber Schlafsäle mit Strohsäcken und Lehrerzimmer. Für Allergiker gibt es auch Schaumstoffmatratzen. Schulklassen können auf diesem Lehrbauernhof drei Tage lang Schullandheim verbringen. 

Es wird viel gesungen, gespielt, ausprobiert. Abends gibts eine Nachtwanderung. Die Kinder backen Brot, kochen selber, versorgen die Hühner und Schweine. «Die Mutterschweine haben Namen, das hier ist die dicke Berta», erklärt die Bäuerin den Stallhelfern. «Und die Kleinen, das sind die Schnitzelschweine.»

Es wird Klartext gesprochen

«Ich esse keine Tiere!», protestiert ein Mädchen. «Das ist okay. Aber du weisst schon, dass sie dann aussterben? Das hier sind Nutztiere.» Kerstin Gronbach spricht Klartext. Mit viel Einfühlungsvermögen und Konsequenz vermittelt sie Realitäten und Werte jenseits von Gefühls-
duselei. Entscheiden muss jeder selber.

Von April bis Herbst hat sie ständig Belegungen. Inzwischen kommen Gruppen von weither, eine regelmässig gar aus Frankreich. Kerstin Gronbach hat ihre Berufung gefunden und ermutigt die anwesenden Frauen, nicht aufzugeben: «Seid mutig, macht das, was ihr könnt! Egal, was andere sagen.»

Esther Thalmann, Ute Gruber