«Wow!», denkt wohl jeder, der ins kleine Atelier von Sibylle Kläger tritt. Die Gestecke, Frühlingskränze und Sträusse lassen das Herz jeder Blumenfreundin höher schlagen. Ostern, Frühling – leuchtendes Grün und zarte Farbtöne wohin das Auge reicht. Und dazwischen Holz- oder Blechosterhasen, kunstvoll von Sibylle Kläger bemalte Enten, Hühnerscharen.
   

Die Bäuerin und Floristikfachfrau setzt Ostern mit natürlichen Materialien um. Schrille Kunststoffteile sucht man bei der geerdeten Blumenfrau vergebens. Hier ist Natur Trumpf – in allen Facetten. Es zeigt sich, dass das Natürliche ankommt; der Trend, echtes Grün mit Holz oder rostigem Stahl zu verbinden, hält seit einiger Zeit an.

Sibylle Kläger: «Ich mag keine «kitschigen Schischi-Sachen». Ich verzichte bewusst auf diverse künstliche Hilfsmittel. Ich merke, dass das meine Kundinnen und Kunden nicht vermissen – im Gegenteil. Oft sagen sie mir, dass sie genau dieses Einfache, Natürliche suchen und unter anderem deshalb bei mir einkaufen.»

Die eigenen Ideen umsetzen


Sibylle Kläger ist mit fünf Geschwistern in Mosnang im Toggenburg als Bauernkind aufgewachsen. Ihr Wunsch war es, Bäuerin zu werden. «Die Bauernhoftiere hatten es mir angetan. Mit ihnen wollte ich dereinst arbeiten.» Zuerst lernte Sybille Kläger aber Topfpflanzen- und Schnittblumengärtnerin. Das sei eine tolle Ausbildung gewesen, die ihr viele Türen öffnete. «Ich arbeitete bald auch im floristischen Bereich – der hatte es mir ganz besonders angetan.»

Nach einigen Jahren Praxis als Gärtnerin und Floristin heiratete Sibylle Kläger einen Bauern. «Weil mein Mann zu 100 Prozent auswärts tätig war, war ich gleichzeitig Bäuerin und Landwirtin. Das hat mir gefallen. Das Besorgen der Milchkühe und später der Mutterkühe mit ihren Kälbern machte mir grosse Freude.» Etwa ein bis zwei Tage pro Woche arbeitete Sibylle Kläger weiterhin in einem Blumenfachgeschäft.

Vor zwanzig Jahren kam die junge Bäuerin aus Libingen SG auf die Idee, ein eigenes Blumenlabel zu schaffen. Sie taufte es «Kreatives vom Bauernhof». Bald kamen Anfragen von verschiedensten Kunden. «Nun konnte ich meine Leidenschaft voll ausleben. Ich dekorierte für Ärztekongresse, für Events aller Art, machte Hochzeitsschmuck von A bis Z, gestaltete Trauerflor und hatte einfach immer Gestecke und Sträusse anzubieten. Ich staunte, wie viel ich im kleinen Dorf Libingen absetzen konnte.»

Sibylle Kläger ist Mutter von drei erwachsenen Kindern. Sie erzählt, dass sie als Bäuerin, Mutter, Landwirtin und Blumenfachfrau sehr gut ausgelastet gewesen sei. «Diese Kombination war mein Traumberuf, ich fand den Alltag spannend.»


Die Zukunft hat begonnen


Leider wurde es in der Ehe von Sibylle Kläger zunehmend schwieriger. Nach jahrelangem Zögern und zahlreichen versuchten Neuanfängen realisierte die Libinger Bäuerin im vergangenen Frühjahr, dass sie auf dem Hof – gemeinsam mit ihrem Mann – keine Zukunft mehr hat. «Es fiel mir ungeheuer schwer, den Hof mit meinen Kühen und Kälbern zu verlassen. Ich ‹packte› es beinahe nicht. Ich hatte unzählige schlaflose Nächte. Aber ich sah keinen anderen Weg mehr.»


Sibylle Kläger erzählt, dass der Neustart sehr hart gewesen sei. Nun habe sie es geschafft, für den Moment sei sie in ihrer kleinen Wohnung in Wattwil sehr glücklich und zufrieden. «Das Beste ist, dass ich bei meinem Schwager und meiner Schwester an einer guten Lage ein kleines Blumenatelier einrichten durfte. Hier fühle ich mich geborgen und in meinem Element. Zudem bin ich der Natur weiterhin sehr nah. Auch hier kann ich in Wald und Wiese Grünzeug sammeln.»

Allein von der Floristik kann Sibylle Kläger nicht leben. «Das war mir natürlich klar. Ich suchte deshalb sofort nach Ergänzungen.» Sibylle war sich nicht zu schade, verschiedenste Arbeiten anzunehmen. Jetzt putzt sie regelmässig Büros und arbeitet in einer Küche. Wichtig ist ihr, «über die Runden zu kommen» und den Frieden zu haben. «Die Freude bekomme ich vor allem über meine floristische Tätigkeit sowie mit «meinen» Line-Dance-Frauen.

Sybille Kläger erzählt, dass sie mehrere Line-Dance-Gruppen aufgebaut hat und dass sie nach wie vor an verschiedenen Orten Line-Dance-Kurse erteilt. «Das macht grosse Freude und gibt mir viel Befriedigung. Wir sind Frauen jeden Alters und mit den verschiedensten Hintergründen. Das ist spannend und schweisst uns zusammen. Wir haben schon viele tolle Sachen miteinander erlebt.»

Die nächsten Höhepunkte stehen vor der Tür


Vor Ostern, Muttertag und Weihnachten organisiert Sibylle Kläger jeweils eine Floristik-Ausstellung in ihrem Atelier. Ihr macht es grosse Freude, den Blumenschmuck für die entsprechenden Feste in Szene zu setzen. An Ostern seien nach wie vor Eier, Hühner, Hasen und Enten gefragt. Der Muttertag lasse sehr viel offen – je nach Jahrgang und Typ der Schenkenden und auch der beschenkten Mutter seien andere Sachen gefragt. «Da biete ich eine breite Palette von traditionellen Blumenherzen bis zu sehr modernen Kreationen an – jede Kundin und jeder Kunde soll das ihnen Zusagende finden.


Es freut mich natürlich sehr, dass ich auch in Wattwil auf eine längst bekannte Kundschaft zählen darf. Ich hätte nie gedacht, dass die Kunden einen zusätzlichen Weg in Kauf nehmen, um meine Floristik zu kaufen. Das tut mir unheimlich gut.»

Mit Bäuerinnen arbeiten macht besondere Freude


Sibylle Kläger ist bei zahlreichen Bäuerinnenvereinigungen als Leiterin von Floristikkursen bekannt. Sie erzählt, dass es ihr wichtig sei, die Frauen zu animieren, mit den Blumen und dem Grün aus dem eigenen Garten und der eigenen Umgebung zu arbeiten. Die Bäuerinnen staunten immer wieder, was mit einem Stück Rinde, ein paar Holzstecken oder aus einem alten Brett entstehen kann.

«Mich fasziniert jeweils, mit wie viel Fantasie die Bäuerinnen ihre Ideen umsetzen. Es entstehen oft floristische Kunstwerke, die Vergleiche nicht scheuen müssen. In vielen Gärten gibt es Buchs, Funkien oder andere Grünpflanzen, die sich perfekt für Gestecke eignen. «Wenn Bäuerinnen Anregungen bekommen und in einer Gruppe arbeiten, wachsen sie immer wieder über sich hinaus. Das ist toll! So bekommen meine Kursteilnehmerinnen Mut, ihre Pflanzen zu verarbeiten und ihren eigenen Stil zu entdecken. Das macht mir Freude und gibt mir Befriedigung.»


Agnes Schneider Wermelinger