Wetter und Futtertechnisch scheint es nach einem verregneten, harzigen Start ein guter Alpsommer gewesen zu sein?


Jörg Beck: Wie Sie richtig sagen, startete der Alpsommer harzig. Die Erinnerungen an den Regensommer 2014 waren noch gegenwärtig. Vielerorts wurde mit der Alpauffahrt eine Woche zugewartet. Doch nach einem eher feuchten und kühlen Start besserten die Verhältnisse rasch. Ab dem Juli herrschten überall ideale Wachstumsbedingungen, und bis in den Herbst war genügend Futter von guter Qualität vorhanden.


Wie sieht es beim produzierten Alpkäse aus?


Die Produktionsbedingungen für Milch waren durchs Band ideal. Es gab weder hitzebedingte Wachstumspausen noch Schneefall zu beklagen. Die Alpkäsequalität ist überdurchschnittlich. An der Swiss Cheese Award im Vallée de Joux gewann nicht umsonst ein Gruyère d’Alpage AOP. An der Olma werden am 14. Oktober die besten Alpkäse der Schweiz prämiert. Ich bin überzeugt, dass die diesjährige Auswahl absolute Spitze ist.


Wie zufrieden sind Sie mit den Bestossungszahlen?


Die Bestossungszahlen sind auch im dritten Jahr nach Einführung der Alpungsbeiträge erfreulicherweise steigend. Der Normalbesatz wurde auf vielen Alpen ausgeschöpft. Die Zunahme geht auf das Konto von

Mutterkuhherden und Rinder. Milchkühe sind und bleiben gesucht. Da wird es zunehmend schwierig, alptaugliche Tiere zu finden.

Wie einfach ist es für die Älpler(innen) derzeit, gutes Personal zu finden?

Gute und stabile Wetterverhältnisse heben die Moral und machen Freude. Die Fluktuation beim Personal war entsprechend geringer als in anderen Jahren. Es konnten im grossen und ganzen die meisten Stellen mit geeigneten Leuten besetzt werden.


Im Moment scheinen die Schweizer Wölfe sehr aktiv zu sein. Wie ist die Gemütslage bei Ihren Mitgliedern?


Die Rückkehr des Wolfes vor allem in die Berg- und Sömmerungsgebiete ist ein heikles Thema. Der Bund unterstützt die Schafhalter finanziell und personell für Herdenschutzmassnahmen. In gewissen Gebieten funktionieren solche Massnahmen wie beispielsweise um  das Gebiet Calanda, in anderen Gebieten sind trotz aufwändigem Herdenschutz Angriffe und Risse an Nutztieren von Wölfen zu beklagen.

Der Schweizerische Alpwirtschaftliche Verband steht einer Koexistenz offen gegenüber. Was er aber ablehnt, ist eine flächendeckende Ausbreitung von Grossraubtieren auf Kosten von Sömmerungs- und Heimweidebetriebe. Die Erfahrungen diesen Sommer zeigten sehr eindrücklich, welcher enorme zusätzliche Aufwand geleistet werden muss, um eine Herde im Sömmerungsgebiet vor Wolfattacken zu schützen. Es gibt vermehrt Schafbesitzer, die den Aufwand und das Risiko scheuen  und mit der Sömmerung aufhören. Diese Entwicklung lehnt der SAV ab.


Die Revision der Jagdverordnung ist derzeit in der Vernehmlassung. Wie ist die Haltung des SAV dazu?


Ich kann nicht offiziell für den SAV sprechen, da die Position noch nicht vom Vorstand verabschiedet wurde. Doch aus meiner Sicht stimmt die Richtung. Die kantonalen Kompetenzen zur Regulierung der Wolfspopulationen sollen gestärkt werden. Doch vom Grundsatz von der flächendeckenden Ausbreitung rückt der Vorschlag nicht ab. Die Kantone sollen die Kompetenz erhalten zu bestimmen, in welchen Gebieten Grossraubtiere tolerierbar sind und in welchen Gebieten beispielsweise die Kulturlandpflege oder Alpwirtschaft mit Kleinwiederkäuern Vorrang hat.

Der Umbenennung der Jagdbanngebiete in Wildtierschutzgebiete sehe ich mit gemischten Gefühlen entgegen. Im Kanton Bern exerzieren wir einen Fall durch, wo aufgrund fadenscheiniger Argumente in einem Jagdbanngebiet auf einen Schlag über die Hälfte des Normalbesatzes gestrichen werden sollte. Gesetzlich ist dieser Vorgang nicht haltbar. Wenn die Umbenennung eine generelle Verschärfung der Schutzbestimmungen bedeutet, käme das faktisch einer Enteignung der Bewirtschafter gleich.


Der Milchpreis ist tief. Hören Sie deshalb vermehrt von Betrieben im Berggebiet, die die Milchproduktion aufgeben?


Die Tendenz geht klar in Richtung Umstellung auf Mutterkuhhaltung. Und das ist für die Milchverarbeitung im Sömmerungsgebiet ein Problem. Wie bereits angetönt sind alpfähige, robuste Milchkühe gesucht. Denn Alpprodukte sind gesucht, die Preise stimmen und dank den ständigen Erneuerungen und Optimierungen in den Alpsennereien können Alpprodukte von höchster Qualität den Konsumenten geboten werden.


Auf dem internationalen Milchmarkt scheinen die Marktsignale leicht positiv. Sehen Sie einen Hoffnungsschimmer am Horizont?


Sie sprechen vom berühmten Silberstreifen am Horizont. Für die Berggebiete ist es immer schwierig gegen die hocheffizienten Talbetriebe zu bestehen. Solange die Milch aus dem Berggebiet im Industriekanal landet, hat das Berggebiet mittelfristig keine Chance. Im Bereich der Herkunftsbezeichnungen ist eine Differenzierung möglich. Insbesondere bei der Ausrichtung auf ausländische Märkte spielt das Schweizer Berggebiet als Herkunftsangabe eine wichtige Rolle. Zudem muss noch mehr auf die regionale Verarbeitung und Wertschöpfung gesetzt werden. Das zeigt die Bedeutung der Regionalmarken. Der internationale Milchmarkt signalisiert gewisse Entspannung, doch die Margen für Bergprodukte müssen an einem anderen Ort geholt werden.

Ihr Präsident, Erich von Siebenthal, hat in einem Interview mit der BauernZeitung im Juli gesagt, nachdem die Alpwirtschaft von der AP 2014–17 profitiert habe, sei sie nun in der Pflicht, zeitgemässe Löhne zu bezahlen, Alpgebäude, Strassen usw. zu sanieren. Spüren Sie entsprechende Bestrebungen auch wirklich?


Jeder kann sich ein Bild von der Situation machen. Kaum eine Alp, die nicht ein Infrastruktur- oder Weideaufwertungsprojekt in Angriff genommen hat. Die geringeren Fluktuationen beim Alppersonal zeigt auch, dass die Anstellungsbedingungen stimmen. Treues und erfahrenes Alppersonal ist von unschätzbarem Wert. Nur mit angemessenen Löhnen und guten Arbeitsbedingungen können gute Leute gehalten werden. Verantwortungsvolle Alpmeister wissen das. Was mich ebenfalls freut, ist das Exportprojekt von Caroline Hofstellter, das unter dem Namen «Adopt an Alp» das zweite Jahr erfolgreich läuft. Dieses Jahr werden rund 17 Tonnen Schweizer Alpkäse verschifft und in die USA verkauft. Und wir stehen erst am Anfang.

Beim SAV läuft eine Reorganisation. Was ist der aktuelle Stand, sind Sie zufrieden?

Ja, mit der Reorganisation sind wir auf Kurs. Die Hauptversammlung stimmte der nötigen Statutenreform und dem Beitragsreglement zu. Am 27. Oktober wird der Verein Alpwirtschaft Bern gegründet. Für den SAV ein ganz wichtiger Meilenstein. In den anderen alpwirtschaftlichen Kantonen können wir mehrheitlich auf bestehende Strukturen aufbauen und diese weiter entwickeln. Im Endausbau wollen wir in 17 Kantonen mit eigenen Sektionen präsent sein. Für uns ganz wichtig ist eine stärkere Präsenz in der Westschweiz und im Tessin. Parallel dazu machen wir uns verbandsintern Überlegungen, in welche Richtung sich der Verband als Leistungserbringer weiter entwickeln will. Der Zeitpunkt für die Reorganisation stimmt. Es herrscht Aufbruchstimmung in der Alpwirtschaft.


Jeanne Woodtli

Das Interview wurde schriftlich geführt.