«Die administrative Belastung hat im Verlaufe der vergangenen 30 Jahre enorm zugenommen.» Das stellte der Landwirt Iwo Sager-Serwart am Dienstag an einer Medienorientierung zum Thema «Landwirtschaftsbetriebe – zwischen Eigenverantwortung und Vorschriften» fest. Der Landwirt hat seinen Betrieb im sankt gallischen Lömmenschwil zusammen mit seiner Frau Alice im Jahr 1990 als Pacht übernommen. 1994 konnte das Paar den Betrieb kaufen und später den Hof von Iwo Sagers Schwiegereltern erweitern. Würde man, so Sagers Schätzung, den gesamten administrativen Aufwand, der auf seinem Betrieb anfällt, an eine externe Arbeitskraft auslagern, so käme diese auf ein Pensum von rund 40 Stunden pro Woche. In einer nichtlandwirtschaftlichen Branche entspricht dies schon beinahe einer 100-Prozent-Stelle.

Vieles ist dazugekommen

Wie Iwo Sager darlegte, liegt der Grund für den administrativen Mehraufwand vor allem darin, dass zunehmend mehr Tatbestände dokumentiert und aufgezeichnet werden müssen. Als er und seine Frau vor 30 Jahren in die Landwirtschaft einstiegen, galt es noch keinen ökologischen Leistungsnachweis zu erbringen. Eine elektronische Tierverkehrsdatenbank existierte noch nicht. Weder musste der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln dokumentiert werden, noch galt es, eine Nährstoffbilanz für jeden Betrieb zu erstellen. Aber auch etwa die Aufzeichnungspflicht für die verschiedenen Landschaftsqualitäts- und Vernetzungsprojekte, an denen der Betrieb Sager beteiligt ist, bedeuten einen Mehraufwand.

Er und seine Frau seien im Laufe der Jahre in die Bewältigung dieser stets zahlreicher gewordenen Arbeiten hineingewachsen, sagt Iwo Sager. Die Administration laufe «so nebenher einfach mit». Aber für Lernende oder auch für seinen Sohn, der als ausgebildeter Obstfachmann seit einem halben Jahr auf dem elterlichen Betrieb mitarbeitet, sei die Bewältigung dieser administrativen Arbeiten eine grosse Herausforderung. «Der Wissensbedarf der Jungen in diesem Bereich ist gross.»

4000 Betriebe

Walter Richner ist Leiter der Sektion Landwirtschaftlicher Umweltschutz im St. Galler Amt für Umwelt. Dieses ist für den Vollzug der Umweltschutzvorschriften in der Landwirtschaft zuständig. Kontrolliert werden müssen rund 4000 Tal- und 400 Alpbetriebe. Wie Richner darlegte, überprüft das Amt beispielsweise die Einhaltung des baulichen Gewässerschutzes auf den landwirtschaftlichen Betrieben, die Nährstoffbilanz der einzelnen Betriebe aber auch etwa die Verschiebung von Hofdünger zwischen Landwirtschaftsbetrieben oder die Dichtigkeit der Jauchegruben. Zu den Aufgaben des Amtes für Umwelt gehören zudem etwa die Bewilligung von Biogas- und Kompostieranlagen sowie die Beratung und Schulung von Gemeinden und Landwirtschaftsbetrieben.

Um alle diese Aufgabe zu bewältigen, arbeite das St. Galler Amt für Umwelt eng mit andern Ämtern zusammen. Zum Beispiel mit dem Landwirtschaftsamt. Richner wies darauf hin, dass Landwirte zahlreiche weitere Vorgaben erfüllen müssten, um den ökologischen Leistungsausweis zu erbringen und damit in den Genuss von Direktzahlungen zu kommen.

Schärfere Gesetze

Der Wegfall der Stützung landwirtschaftlicher Produkte durch den Bund und die Einführung von leistungsbezogenen Direktzahlungen vor rund 25 Jahren habe die Landwirtschaft mas-siv verändert, sagte Andreas ­Widmer, Geschäftsführer des St. Galler Bauernverbands. Die Gesetzgebung in den Bereichen Tierhaltung und Umweltschutz sind nach diesem Systemwechsel laufend verschärft worden, erklärte Widmer weiter. Ebenso die Überwachung der Betriebe. Es gebe mehr als 3000 verschiedene Punkte, die bei Kontrollen eingehalten werden müssten. «Jeder Landwirt hat im Schnitt pro Jahr eine Betriebskontrolle», sagte Widmer. Neben der alle vier Jahre stattfindenden und umfassenden Grundkontrolle würden auf den Höfen ­weitere unangemeldete sowie risikobasierte Kontrollen durchgeführt. Je nach Art des Betriebes würden beispielsweise Kontrollen von Labelprogrammen anfallen.

Bei dieser Ausgangslage setzt sich der St. Galler Bauernverband für eine Koordination der Kontrolle ein. Ivo Sager bestätigt, dass auf seinem Betrieb regelmässig Kontrollen stattfinden. Eine pro Jahr sei das Minimum. Es seien aber auch schon fünf gewesen.

Fehlende Anerkennung

Ivo und Alice Sager haben ihren vielseitigen und arbeitsintensiven Betrieb (s. Kasten) von der ersten Stunde an nach den Regeln der integrierten Produktion geführt. Um die täglich anfallenden Arbeiten in Obstproduktion, Milchwirtschaft und Direktvermarktung zu bewältigen, sind sie auf Angestellte angewiesen, die alle auf dem Hof leben. Es sind dies zwei Lernende, eine Angestellte für Küche und Hofladen sowie Praktikantinnen und Praktikanten, deren Zahl je nach Saison variiert.

Die aktuelle Diskussion um die Trinkwasser- und Pestizid-Initiative beschäftigen Iwo Sager stark. Er habe auf seinem Betrieb viel für den Umweltschutz geleistet. Seine Eltern hätten den Pflanzenschutz ganz anders betrieben: Mit stärkeren Mitteln und ohne Aufzeichnungspflicht. Als IP-Bauer arbeite er mit der Natur zusammen. Ihm liege viel daran, Nützlinge zu fördern und zu schützen und diese für die Schädlingsbekämpfung einzusetzen. Die Zahl der zugelassenen Pflanzenschutzmittel werde zunehmend geringer und diese würden zudem gezielter eingesetzt. Die Belastung der Umwelt sei geringer geworden. Sager ist enttäuscht, dass dies in der öffentlichen Diskussion nicht wahrgenommen und anerkannt wird.

 

Vielseitiger Betrieb mit drei Standbeinen

Der Betrieb der Familie Sager in Lömmenschwil SG umfasst eine Fläche von 35 Hektaren. Davon werden 2,5 Hektaren extensiv bewirtschaftet.
Auf rund 6 Hektaren stehen 800 Hochstammbäume und auf drei Hektaren wird Tafelobst produziert. Die übrigen Flächen werden als Naturwiesen für die Futterproduktion gebraucht; versorgt werden damit 60 Milchkühe. Die Milch wird in die Molkerei nach Rorschach geliefert.
Das Tafelobst wird grösstenteils direkt vermarktet: Im Hofladen, auf dem Bauernmarkt in St. Gallen und über einen Hauslieferdienst.