Der Schweiz droht eine Energiekrise. Bereits hat der Bund etliche Massnahmen getroffen, um die Energieversorgung auch im kommenden Winter sicherzustellen. Unter anderem mit Wasserkraft- und Wintergasreserven, einem Solidaritätsabkommen mit den Nachbarländern und einem Rettungsschirm für die Strombranche soll einer möglichen Gas- oder Strommangellage vorgebeugt werden.

Hin zu mehr erneuerbarer Energie

Die Energiefrage beschäftigt die Schweiz aber nicht erst seit diesem Spätsommer. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima vor elf Jahren hatte der Bundesrat die Energiestrategie 2050 erarbeitet, die unter anderem eine Totalrevision des Energiegesetzes beinhaltete und Anfang 2018 in Kraft trat. Mit dem im letzten Jahr verabschiedeten Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien wird die Energiepolitik der Schweiz weiter neu ausgerichtet: Energie soll vermehrt eingespart und erneuerbar produziert werden – so will der Bundesrat den Ausbau der einheimischen erneuerbaren Energien sowie die Versorgungssicherheit der Schweiz stärken.

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Landwirtschaft muss Potential nutzen

Mit der angestrebten fast vollständigen Vermeidung von fossilen Energieträgern werde Strom zentraler Energieträger für Wärme und Mobilität, erläutert Frank Rutschmann, Leiter Sektion Erneuerbare Energien beim Bundesamt für Energie, anlässlich einer Tagung zum Thema erneuerbare Energien des Schweizer Bauernverbands am landwirtschaftlichen Kompetenzzentrum Inforama Rütti in Zollikofen. Zukünftig müssten inländische Potentiale für erneuerbare Energien darum stark ausgenutzt werden.

Dabei soll auch die Landwirtschaft ihren Beitrag leisten. Laut Bundesamt für Landwirtschaft werden in der Landwirtschaft gegenwärtig rund 1’500 Gigawattstunden Wärme und 40 Gigawattstunden Strom aus erneuerbaren Quellen produziert. Der grösste Anteil davon stammt dabei aus der Nutzung von Biomasse – entweder aus der Holzverbrennung oder aus der Vergärung in landwirtschaftlichen Biogasanlagen.

Die Nutzung von Umweltwärme und Sonnenkollektoren für die Wärmeproduktion sowie die Stromproduktion mittels Photovoltaik und Nutzung der Windkraft machen bei der landwirtschaftlichen Energieproduktion aber noch einen bescheidenen Anteil aus.

Geförderte Chancen

Immer mehr Landwirtinnen und Landwirte erkennen aber die Chancen beim Ausbau der erneuerbaren Energien und produzieren auch Strom und Wärme. Das könne unter anderem zur Diversifikation beitragen, indem die Betriebe ein zusätzliches Standbein aufbauten, erklärt Frank Rutschmann vom Bundesamt für Energie weiter. Daneben seien Landwirtinnen und Landwirte mit der Eigenproduktion weniger Abhängigkeit von den Energiepreisen und könnten sich als Teil der Energiestrategie positiv inszenieren. Diese Bestrebungen werden mit verschiedenen Förderinstrumenten auch unterstützt: So gibt es für Photovoltaikanlagen und Biogasanlagen Investitions- und Betriebskostenbeiträge und CO2-Kompensationsprojekte wie beispielsweise Holzheizungen, Wärmeverbünde, die Reduktion von Emissionen bei Lagerung und Transport von Hofdünger oder die Reduktion von Lachgasemissionen aus der Stickstoffdüngung werden gemäss CO2-Gesetz ebenfalls gefördert.

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Viele kleine «Kraftwerke»

Die Installation von Solaranlagen auf Dächern und an Fassaden von bestehenden Landwirtschaftsgebäuden mache einen grossen Teil des Photovoltaikzubaus in den nächsten 15 bis 25 Jahren aus, ist Frank Rutschmann überzeugt: «Das ist durchaus effizient und günstig, da oft der Strom lokal gleich gebraucht werden kann, ein Netzanschluss bereits vorhanden ist und Standardkomponenten verbaut werden können.» Und wenn Holz direkt aus dem nahen Wald bezogen werden könne, sei auch eine Holzfeuerung mit Stückholz, Schnitzeln oder Pellets sinnvoll – auf jeden Fall sinnvoller als eine Feuerung, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werde.

Herausforderungen bleiben

Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern ist aber auch eine Herausforderung und es bleibt abzuwarten, ob dies in der Landwirtschaft bis 2050 vollständig erreicht werden kann. Unter anderem bei der Landtechnik wird aktuell beispielsweise noch stark an leistungsfähigen Traktoren geforscht, bevor sie in Zukunft serienmässig marktreif sind – auch in der Schweiz.

Problematisch sind laut Bundesamt für Landwirtschaft ausserdem Neubauten oder Neuanlagen mit entsprechenden Erschliessungen in der freien Landschaft, eine Intensivierung der land- oder forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung zu Energieversorgungszwecken oder eine Auslagerung der Produktion ins Ausland durch Flächenkonkurrenz. «So ist ein Wärmeverbund nicht überall möglich – wenn es beispielsweise zu wenige oder zu weit voneinander entfernt liegende Wärmebezüger gibt», bestätigt Frank Rutschmann vom Bundesamt für Energie.

Daneben ist der angestrebte Ausbau der erneuerbaren Energien stark von der Raumplanung abhängig. In vielen Fällen braucht es laut Frank Rutschmann zwar nur eine Baumeldung oder ein einfaches Bewilligungsverfahren – die Bewilligung von grösseren Anlagen kann allerdings ungleich schwieriger sein. Denn die Bestrebungen nach mehr erneuerbaren Energien müssen gleichzeitig unter anderem mit Interessen der Landschaftsqualität vereinbar sein: So soll beispielsweise eine weitere Zersiedelung und ein Ausufern technischer Anlagen in der freien Landschaft vermieden werden. Denn auch der Schutz von Natur- und Landschaftswerten ist nämlich in unseren Gesetzen verankert – Energieknappheit hin oder her.