Der deutsche Pfarrer Ulrich Tietze hat ein Gedicht aus der Sicht von Trauernden verfasst. «Es drückt die Haltung aus, mit der wir Trauernden begegnen sollten», erklärt Christine Leicht. Das Umfeld müsse nicht immer das Gefühl haben, was machen zu müssen. Oft reiche es, einfach da und präsent zu sein, dazusitzen, auch dann, wenn die trauernde Person einschläft. Aushalten, warten und zuhören seien besonders wichtig.

Gedicht: Worte Trauernder

Begegne mir weiterhin, weiche mir nicht aus,
wenn wir einander sehen.
Geh auf mich zu, wenn du kannst,
oder lass mich auf dich zugehen
in den Momenten wo mir das möglich ist.

Lass mir meine Trauer, rede sie mir nicht aus.
Ertrage es, dass ich durch sie anders geworden bin.
Ertrage meine Fragen, die auch ohne Antwort
einen Sinn für mich haben.
Aber versuche mir nicht einen Sinn einzureden,
den ich nicht sehen kann und nicht sehen will.

Wenn du an Gott glaubst:
Gestehe mir zu, dass ich zornig bin auf ihn.
Wenn du aber nicht an ihn glaubst,
rede mir meine Hoffnung auf ihn nicht aus.

Halte mein Schweigen aus,
zwinge mir keine Worte ab,
für die ich nicht bereit bin.
Rede nicht auf mich ein,
aber erkenne und finde heraus,
wenn ich so weit bin, mit dir reden zu wollen.
Und dann rede mit mir,
aber vor allem dadurch, dass du mir zuhörst
und dass du stehen lassen kannst, was ich sage.
Noch da, wo du mir widersprechen möchtest.

Lass mir meine Trauer, gestehe mir das Recht auf sie zu.
Sie wird nicht zu deiner Trauer werden können,
aber es kann dir möglich werden, ein paar Schritte mitzugehen mit mir.

Hilf mir, Räume zu finden,
wirkliche und gedankliche Räume,
in denen ich meine Trauer leben und zeigen kann.
Mach mir Mut, solche Räume zu betreten.

Lass mich erfahren:
Mir wird das Recht auf Trauer zugestanden.
Mir wird zugehört und mit mir wird gesprochen.
Mir wird Zeit geschenkt und Geduld.