Nach einem April mit Aprilwetter ist nun endlich Frühling. Die Tage werden länger, es wird wieder wärmer und alles beginnt zu blühen. Für viele von uns Bauern und Bäuerinnen ist es deshalb auch schon wieder Zeit, an die Alpsaison zu denken und den Alpsommer zu organisieren. Aber …? Ist unsere Alpwirtschaft im Jahr 2024 noch angebracht? Passt sie noch in die heutige Gesellschaft, so modern und schnelllebig wie heute alles ist – oder sein sollte?

Den Tieren ist das Alpgefühl anzusehen

Für mich ist die Antwort schnell gefunden. Ja. Und ich habe manchmal sogar das Gefühl, unsere Gesellschaft braucht sie umso mehr. Nicht nur, weil es Tradition ist, dass die Älplerinnen und Älpler jeden Sommer wieder auf die Alpen gehen dürfen. Und auch nicht als heilendes Pflaster für die Wehwehchen unseres immer schneller werdenden Lebensstils. Nein, ich selbst komme zu dieser Antwort, wenn ich meine Tiere beobachte …

Wer selber Tiere besitzt, welche im Sommer auf die Weiden können oder gealpt werden, kennt es auch. Man kann den Tieren das Alpgefühl ansehen und spüren. Sie haben einen natürlichen Drang, welcher sie wie von selbst in die Alpen zieht. Immer dem zartesten Gras und den schmackhaftesten Kräutern hinterher. Es ist für mich tatsächlich immer wieder spannend zu sehen, wie die älteren Kühe beim Alpaufzug den Weg zu Fuss ganz von alleine finden und ganz genau wissen, wohin es nun geht.

Die Alpwirtschaft tut der Biodiversität gut

Natürlich ist die Bewirtschaftung der Alpweiden auch von grösster Wichtigkeit für eine intakte Natur. Unsere artenreiche und intakte Biodiversität wird durch unsere Bewirtschaftung und die Bestossung der Alpen gesichert und ganz gezielt gefördert. Zudem werden die Naturgefahren, wie zum Beispiel die Gefahr durch Lawinenabgänge im Winter, durch die Alpwirtschaft verringert.

AboGastbeitrag«Ich bin gerne Landwirt, so wie viele andere auch»Sonntag, 21. Januar 2024 Man könnte schnell das Gefühl bekommen, dass auf der Alp noch eine heile – oder heilende – Welt herrscht und einer erfolgreichen Alpwirtschaft in Zukunft nichts im Wege steht. Leider rollen der Alpwirtschaft aber tatsächlich immer wieder Steine in den Weg. Ich meine hier nicht physische Steine, die hat es natürlich auch …

Die Alpen mit Milchkühen werden neuerdings mit Gewässerschutzauflagen, welche von der Praxis weit abweichen, infrage gestellt. Natürlich ist Gewässerschutz sehr wichtig. Aber oft müssen wir uns nun überlegen, ob sich diese aufwendigen baulichen Massnahmen lohnen, «nur» um eine Milchkuhalp zu betreiben. Wir müssen uns überlegen, ob wir die Alp nicht mit anderen Tieren bestossen. Wie wäre es zum Beispiel mit Schafen? Gut, bei den Schafen haben wir noch grössere Sorgen … Die Grossraubtiere sind gerade bei der Alpung von Kleinvieh eine wahrlich grosse Herausforderung.

Es braucht gemeinsame Lösungen

Ich merke, es ist wichtiger denn je, sich für die Alpwirtschaft starkzumachen. Wir brauchen sinnvolle Unterstützung, damit wir mit den Grossraubtieren zurechtkommen. Wir brauchen eine Regulationspraxis, welche auch durch die Behörden vollzogen werden kann. Zudem wäre es wirklich wichtig, dass Bund und Kantone gemeinsam praxistaugliche Rahmenbedingungen für die Alpwirtschaft schaffen und Massnahmen zur Überwindung von aktuellen und künftigen Herausforderungen entwickeln. Denn Älpler und Älplerinnen, Landwirtinnen und Landwirte und eben vor allem die Tiere freuen sich auf diesen und hoffentlich auch viele kommende Sommer auf der Alp!

Zur Person
Ursin Gustin ist Landwirt aus Leidenschft. Der Landwirt aus Donat ist Vertreter der Junglandwirte (Jula) im Vorstand des Schweizer Bauernverbands. Er schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.