Bereits einmal schrieb ich in einer Kolumne über den respektvollen Umgang mit meiner liebenswürdigen Schwiegermutter. Auch wenn dies zeitweise sehr einfach getönt hat, so war es manchmal auch bei uns eine Gratwanderung: Wie weit kann ich eine Veränderung vornehmen, ohne sie zu «beleidigen»?
Wichtig war: Ich zeigte Verständnis für das, was sie jahrelang durch harte Arbeit aufgebaut hat. Ich habe sie akzeptiert, ja auch bewundert dafür, wie sie das alles geschafft hat. Das habe ich ihr auch gesagt.
Die Zeiten waren nicht einfach und dann noch als Witwe. Sie war dankbar und sagte immer, sie hätte gute Leute um sich gehabt, die ihr geholfen hätten. So eine Aussage setzt voraus, dass man überhaupt wahrgenommen hat, dass es diese Leute gibt. Das wäre nicht möglich, wenn man Scheuklappen vor den Augen hat. Manche Mütter sehen nun ihren Schmerz und Kummer und merken kaum, was um sie herum passiert. Es gibt so viele Missverständnisse, die man mit den richtigen Worten aus der Welt schaffen kann.
Den Kochtopf überprüft
Eine Bäuerin beklagte sich am Telefon, dass sie von der Schwiegermutter kontrolliert wird. Dass diese unangemeldet in der Küche steht und sogar in den Kochtopf schaut, ob ihr Sohn was «Richtiges» zu essen bekommt. Wo bleibt denn da der Respekt? Viele Schwiegermütter glauben, man würde ihnen den Sohn wegnehmen oder sogar den ganzen Betrieb. Sieht man es jedoch positiv, so bekommen sie eine Tochter dazu. Und später ja vielleicht sogar Enkelkinder. Freut euch, dass es weiter geht und es neues Leben auf dem Betrieb gibt.
Manchmal geht es um Kleinigkeiten, aber das ist meist nur die Spitze des Eisberges. Das eigentliche Problem ist dann zum Beispiel nicht die Eierschale, die am falschen Ort liegt, sondern es geht um etwas viel Tieferliegendes. Sehr oft fehlt es an der Wertschätzung und an fehlenden Zielen nach der Hofübergabe und/oder Pensionierung.
Die Schwiegermutter war immer schon auf dem Betrieb. Sie hat jahrelang gearbeitet, die Familie zusammengehalten. Plötzlich hat sie das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Sie kommt sich überflüssig vor und meint, sie stehe ja nur im Weg. Oder sie kann ihre Rolle als Bäuerin nicht abgeben und vor allem nicht loslassen. Diese Veränderung braucht Zeit, viel Zeit. Und in diesen Prozess müssen alle miteinbezogen werden.
Zwischen Mutter und Frau
Und der Sohn? Der steht dann zwischen Mutter und Frau. Auch nicht immer eine einfache Situation. Da ist es sehr wichtig, offen miteinander zu reden und Probleme, solange sie noch klein sind, aus der Welt zu schaffen.
Die Landwirtschaft ist der vielseitigste und schönste Beruf, den es gibt. Man ist draussen wie drinnen, kann sich die Aufgaben selbst einteilen. Wenn ich jeweils abends müde ins Bett falle, freue ich mich doch darüber, was ich erreicht habe, auch wenn es Tage gibt, an denen es wenig war. Dann denke ich vielleicht an ein Gespräch, das mich gefreut hat, oder an ein freundliches Lächeln. Vielleicht war es das Lächeln der Schwiegermutter – und sollte das nicht sein, rufe ich beim Sorgentelefon an und rede mir mal alles von der Seele.
Ich danke meiner Schwiegermutter und wünsche euch, dass ihr auch einen Grund habt, eurer Schwiegermutter zu danken, und umgekehrt.
Das Team vom Bäuerlichen Sorgentelefon ist für Sie da, rufen Sie uns an. Tel. 041 820 02 15. Montagvormittag (8.15–12 Uhr), Dienstagnachmittag (13–17 Uhr) und Donnerstagabend (18–22 Uhr). www.baeuerliches-sorgentelefon.ch