Rauch zieht durch das Tal. Was wie Nebel aussieht, entpuppt sich als Folge eines nahegelegenen Brandherdes, der nicht einmal einen Hektar gross ist. Innerhalb weniger Stunden ist der Brand unter Kontrolle. Was für eine Erleichterung. Denn es geht auch anders, grösser und länger. Wie in Donnie Creek, im Nordosten der kanadischen Provinz British Columbia.

Eine Fläche wie der Kanton Bern

Rund 583'000 Hektaren stehen in Flammen. Eine Fläche fast so gross wie der Kanton Bern. Der Donnie-Creek-Waldbrand ist derzeit der grösste Einzelbrand in der Geschichte der Provinz und nicht unter Kontrolle. Das bedeutet, dass sich der Waldbrand weiter ausbreitet und nicht auf die Löschmassnahmen reagiert. Nach Angaben des B.C. Wildfire Service (BCWS) wurde das Feuer am 12. Mai 2023 durch einen Blitzschlag ausgelöst. Seitdem lodern die Flammen und verbrennen täglich grosse Flächen.

Die schlimmste Waldbrandsaison seit je

Doch der Donnie Creek Waldbrand ist nur einer von vielen. So erklärte das Canadian Interagency Forest Fire Centre am 25. Juni 2023, die Waldbrandsaison 2023 sei die schlimmste in der Geschichte Kanadas und übertreffe jene von 1989. Bis zum 15. Juli 2023 hatten 4102 Brände in ganz Kanada eine Fläche von rund 10 Millionen Hektaren (etwa so gross wie Kroatien) verbrannt. Und wie kürzlich in der Schweizer Presse zu lesen war: Der kanadische Rauch ist auch über der Schweiz und Europa angekommen.

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Wertvoller Lebensraum wird für Jahre zerstört

Doch zurück zum Donnie Creek Wildfire. Ein Waldbrand dieses Ausmasses hat verheerende Folgen. Nicht nur für die Natur, sondern auch für die Menschen vor Ort. Das Feuer, 136 Kilometer südöstlich von Fort Nelson und 158 Kilometer nördlich von Fort St. John, wütet in den traditionellen Gebieten der Blueberry River First Nations, Doig River First Nation und Prophet River First Nation.

Obwohl nur dünn besiedelt, zerstört das Feuer die Jagd- und Fischgründe der dort lebenden Menschen. Nicht nur Bäume und Sträucher wie Heidelbeeren und Blaubeeren verbrennen, auch Tiere wie Biber, Wölfe, Elche und Bären sterben. Archäologische Stätten, traditionelle Pfade und Ritualplätze werden zerstört. Das Wasser wird verseucht. Es wird Jahre dauern, bis das Land wieder bewohnbar ist.

Rückkehr «in gewissem Umfang»

Dazu das Ministerium für Umwelt und Klimawandel Strategie der Provinz British Columbia: «Die Wiederaufnahme der Bewirtschaftung von Land nach einem Brand hängt von der Art und Nutzung der betreffenden Fläche sowie von der Art, den Auswirkungen und dem Ausmass der durch die Katastrophe verursachten Schäden ab. Viele Landwirte kehren in der Saison nach einer Überschwemmung oder einem Brand in gewissem Umfang zur pflanzlichen und tierischen Erzeugung zurück.»

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Die Initiative und der Einsatz der Zivilbevölkerung ist ausschlaggebend

Laut BCWS reagiert das Donnie Creek Feuer nicht auf Löscharbeiten; die Fläche ist schlichtweg zu gross und das andauernde heisse und trockene Wetter schafft keine Erleichterung. Und das, obwohl die Feuerwehr rund um die Uhr im Einsatz ist. Am 30. Juni 2023:

  • waren 158 Feuerwehrleute plus weitere 24 Einsatzkräfte und zusätzliches Hilfspersonal an den Löscharbeiten beteiligt,
  • brachten 17 Löschhubschrauber Wasser zu den Brandherden,
  • war ein Katastrophenteam vor Ort, zuständig für Auswertung, Logistik etc.,
  • waren 33 schwere Baumaschinen wie Planierraupen, Bagger, Tanklöschfahrzeuge und Bunkerbrecher im Einsatz und
  • koordinierten 12 Personen den Struktur- und Gebäudeschutz.

Oft ist es die lokale Bevölkerung, die als erste am Brandherd ist und mit ihren Maschinen, Pumpen, Sprinklern usw. Sofortmassnahmen ergreift und tatkräftig an der Feuerbekämpfung arbeitet. Die Initiative der Zivilbevölkerung in den ersten Stunden und Tagen ist mitunter entscheidend, ob sich ein Feuer weiter ausbreitet oder unter Kontrolle gebracht werden kann. Aufgrund der Entfernungen kann es lange dauern, bis die Feuerwehr mit genügend Einsatzkräften vor Ort ist.

Was die Waldbrände beeinflusst

Wetter und Topographie wirken zusammen und beeinflussen das Brandrisiko und die Geschwindigkeit, mit der ein Feuer unter Kontrolle gebracht werden kann.

Die Wälder in British Columbia sind vielfältig. Da Waldbrände die Waldvegetation verbrennen, sind Art und Eigenschaften des vorhandenen Waldbrennstoffs ein Schlüsselfaktor für das Brandverhalten. Deshalb wird der Feuchtigkeitsgehalt der Vegetation gemessen und überwacht. Abgestorbenes Pflanzenmaterial entzündet sich und brennt schneller als lebende Vegetation. Auch kleine Teile wie Äste, Gras und Blätter werden schnell zur Nahrung für die Flammen. Baumstämme, die in anderen Bäumen hängen, sind Feuer- und Hitzebomben.

Das BCWS beobachtet das«Brandwetter» sehr genau, denn Wetter- und Klimamuster haben einen grossen Einfluss auf das Brandverhalten. Dazu werden Windverhältnisse, Temperatur und Luftfeuchtigkeit gemessen. Mit dem Monitoring reagieren die Verantwortlichen auf immer trockenere und heissere Sommer, die zu einer längeren Waldbrandsaison beitragen. Der Trend wird sich laut BCWS fortsetzen.

Wenn das Tal zum Brandherd wird
Auch die Topographie beeinflusst das Risiko. Die Landschaft in British Columbia ist sehr vielfältig und reicht von steilen Bergregionen bis zu relativ flachen Ebenen und Waldgebieten. Die Geländeform verändert das Brandverhalten: Hangneigung in Kombination mit Wind, Südausrichtung oder ein Tal, das als Windkanal dient, wirken sich günstig auf die Brandentwicklung aus.

Prävention ist beste Bekämpfung
Durchschnittlich 60% der Waldbrände in BC werden durch Blitzschlag ausgelöst. Wenn ein Blitz in ein Objekt einschlägt, kann er genügend Hitze freisetzen, um einen Baum oder anderes Brennmaterial zu entzünden. 40% der Brände werden von Menschen verursacht, z. B. durch Fahrzeuge und Motoren, Feuer im Freien oder brennende Gegenstände. Oft genügt bei anhaltender Trockenheit ein Funke, z. B. beim Rasenmähen, um einen Brand auszulösen.

Brände, die durch Blitzschlag verursacht werden, können nicht verhindert werden, aber es gibt Möglichkeiten, vorherzusagen, wo sie entstehen könnten. Das Risiko von Naturbränden kann auch durch den richtigen Umgang mit Brennstoffen und die Einhaltung von Brandschutzvorschriften verringert werden.

Waldbrände – eine Herausforderung für die Landwirtschaft

Doch wie geht die Landwirtschaft mit solchen Waldbränden um? Was passiert im Ernstfall und wie werden die Farmen unterstützt?

Meg Sequeira vom Ministry of Agriculture and Food of British Columbia (Landwirtschaftsministerium der Provinz British Columbia): «Die Farmer werden ermutigt, Notfallpläne zu erstellen und auf dem neuesten Stand zu halten. Diese Pläne enthalten zum Beispiel vorab festgelegte Strategien für die Umsiedlung und den Transport von Vieh oder den Umgang mit gefährlichen Stoffen wie Treibstoff, Pestiziden und Düngemitteln im Brandfall.»

«Jeder Notfall ist anders»

Das Ministerium für Umwelt und Klimawandel bietet den Landwirten verschiedene Planungsmodelle für bestimmte Gefahren wie Brände und Überschwemmungen an, einschliesslich der Planung sicherer Lagerorte, um das Risiko der Freisetzung dieser Stoffe zu minimieren, und der Kartierung ihrer Standorte auf dem Betrieb. Im Falle eines Brandes muss die Feuerwehr z.B. über das Vorhandensein von Pestiziden informiert werden.

Sequeira weiter: «Jeder Notfall ist anders. Es gibt Zeiten, in denen Vieh in sichere Gebiete gebracht werden kann, und es gibt Zeiten, in denen die Gefahr zu gross und unmittelbar ist, um Vieh und Geflügel umzusiedeln. In solchen Fällen müssen die Landwirte noch vor der Evakuierung der Familie und dem Personal Tore öffnen oder Zäune durchschneiden, um ihren Tieren die Möglichkeit zu geben, sich von der Gefahr zu entfernen. Solche Entscheidungen erfordern eine sorgfältige Abwägung seitens der Landwirte, um die öffentliche Sicherheit nicht zu gefährden.»

Laut Sequeira sind die lokalen Regierungen und First Nations für die Notfallmassnahmen in ihren Gemeinden verantwortlich. Die Behörden der Provinz British Columbia unterstützen die Farmer bei Bedarf mit logistischen oder technischen Mitteln, wie z.B. der Lieferung von Notfutter, Wasser oder anderen notwendigen Hilfsmitteln.

Unterstützung für die Farmer nach einem Waldbrand

Um den Landwirten nach grossen Katastrophen wie Waldbränden oder Überschwemmungen zu helfen, stellen die Regierungen der Provinzen und des Bundes oft zusätzliche Unterstützung im Rahmen eines AgriRecovery-Programms bereit, so Sequeira. Diese speziellen, einmaligen Mittel sollen Produzentinnen und Produzenten helfen, nicht versicherbare Kosten für die Reparatur der Infrastruktur und Aufräumarbeiten sowie bei Ausgaben zur Wiederaufnahme der Produktion zu decken.

Farmer können auch Programme in Anspruch nehmen, die Schutz gegen wetterbedingte Verluste wie Dürre, übermässige Hitze und Brände sowie gegen Einkommensverluste bieten. Dazu gibt es verschiedene Versicherungsmodelle von der Provinz, die die finanziellen Folgen von Ernte- oder Vermögensschäden bei Naturkatastrophe abfedern, bei einem Einkommensrückgang und Einbussen des Cashflows unterstützen und überbrücken.

Viele Farmer und die lokale Bevölkerung zeigen sich mit Betroffenen solidarisch. So wird im Ernstfall Geld gesammelt und mit allen möglichen Mitteln geholfen, damit Familien wieder auf ihre Farmen zurückkehren und den Betrieb aufnehmen können. Die Solidarität unter der kanadischen und lokalen Bevölkerung ist im Katastrophenfall sehr gross und eine nicht wegzudenkende Stütze.

Donnie Creek Wildfire dauert wohl bis Frühjahr 2024

Experten vom BCWS schätzen, dass das Donnie-Creek-Feuer noch bis zum Frühjahr 2024 brennen wird. Wenn nicht an der Oberfläche, dann in der Wurzelschicht. Erst mit der Schneeschmelze im Frühjahr 2024 werden die letzten Glutnester vermutlich gelöscht.

Doch vorerst dauert der trockene Sommer in BC an. Bis zum Herbst und dem Einsetzen der nassen Jahreszeit werden noch einige Gewitter über das Land ziehen und Blitzeinschläge mit sich bringen. Auf jeden Fall werden die Waldbrände bei unveränderter Wetterlage weitergehen und Farmer zur Flucht zwingen. Der Rauch wird den kanadischen Himmel auf jeden Fall noch lange überziehen.