Höfesterben in der Schweiz, in Brasilien wollen alle Bauern werden», so lautet der Titel eines kürzlich veröffentlichten Artikels im News-Portal «20 Minuten». Dem Schweizer Landwirtschaftsnachwuchs sei die Arbeit der Eltern zu streng, währenddem in Brasilien eine Armee junger Brasilianer den Hof der Eltern übernehmen wolle. Als Gründe dafür werden die schnelle Expansion der Branche im Export von Agrarprodukten, die technologischen Möglichkeiten und die schwerreichen Farmer genannt. In der Schweiz seien die Bewirtschafter der Höfe noch nie älter gewesen als heute, hingegen sei das Durchschnittsalter der brasilianischen Farmer auf 46 Jahre gesunken. Regenwaldrodungen, anhaltende Trockenheit, Erosion und Grundwasserknappheit in Brasilien werden nur beiläufig erwähnt.

Top Ten der Berufe

Der Artikel steht im totalen Kontrast zu den vielen eindrücklichen Pressebildern mit Hunderten von motivierten und kompetenten Schweizer Junglandwirtinnen und Junglandwirten an ihren Diplomfeiern diesen Sommer. Insgesamt rund 3900 Lernende befanden sich im Schuljahr 23/24 schweizweit in einem Beruf der Landwirtschaft in Ausbildung. Gemäss dem SBFI zählt Landwirt(in) damit zu den Top Ten der meistgewählten Berufe in der Schweiz, was unsere Boulevard-Medien bezeichnenderweise konsequent ausblenden. Der positive Trend bei den Ausbildungszahlen im Berufsfeld Landwirtschaft hält im kommenden Schuljahr 24/25 an.

Brasilien verfügt über rund die 250-fache landwirtschaftliche Nutzfläche und etwa die 23-fache Bevölkerung der Schweiz. Jährlich kommt in Brasilien Rodungsland im Umfang der doppelten Schweizer Nutzfläche dazu. Die staatliche Abwesenheit bietet der Agrarindustrie Raum für eine nahezu unkontrollierte Expansion mit enormen ökologischen und sozialen Folgen für das ganze Land. Die Schweizer Bauern hingegen produzieren nachhaltige Lebensmittel im teuersten und stärksten reglementierten Umfeld der Welt. Die Produktionsfläche nimmt jährlich um 0,25 Prozent ab. Dass unter solchen Bedingungen keine Goldgräberstimmung wie in Brasilien aufkommen kann, sollte selbst einem «20 Minuten»-Journalisten einleuchten. Es wäre angebracht, bei diesem Vergleich die gesellschaftlichen Ansprüche an die Schweizer Jungbauern korrekt darzustellen und ihnen nicht noch mangelnden Leistungswillen zu unterstellen.

Zur Person
Hansruedi Häfliger, Direktor des LZ ­Liebegg ist verheiratet, hat drei erwachsene ­Kinder und nennt als ­Hobbys Wandern, Ski­fahren und Pferdezucht.