Endlich durfte ich wieder ins Wallis, dazu noch an einen Anlass mit Eringervieh. 115 Jungstiere wurden am Stierenmarkt in Martigny aufgeführt. Es war das erste Mal, dass ich so viele junge Tiere dieser Rasse nebeneinander sah. Ich gebe zu: Ich bin fast ausgeflippt. Diese jungen Muneli unter einem Jahr sind richtige Grünschnäbel, auch wenn sie schwarz sind. Übermütig, frech – aber nicht böse, voller Flausen und zwischendurch wichtigtuerisch.

Ein tierischer Sydebolle wäscht das Gesicht

Ich beugte mich zu einem «Sydebolle» hinunter, kraulte ihn, flüsterte ihm Komplimente zu – und schon war mein Gesicht gewaschen. Der Kleine hatte offensichtlich auch Freude an mir und zog mir seine warme Zunge von unter dem Kinn (ich trug keine Maske) bis hinauf zum Haaransatz. Er hatte mich total überrascht und ich konnte meinen Kopf grad noch zurückziehen, bevor er zum zweiten Schleck ansetzte. Als ich nach Hause kam, erzählte ich es meinem Mann. «Was?», rief er aus, «und du hast hingehalten? Das müsste ich einmal machen, uiuiui!» Ich verteidigte den Jungspund: «Er ist doch noch so klein und voller Übermut. Das ist nicht das Gleiche, wie wenn ein älterer Herr das tun würde».

Es gibt Glace und plötzlich stehen da viele Kinder

Das erinnerte mich an eine Episode, die ich vor Jahren auf einer Ferieninsel auf der südlichen Halbkugel erlebte. Wir weilten das dritte Mal dort und kannten ein paar Einheimische. Wir hatten Ortsansässige in ihren einfachen Behausungen besucht, wo uns viele Kinder anschauen kamen. Eines Nachmittags ging ich in einen Laden. Beim Hinausgehen sah ich vier, fünf Kinder, die zur uns bekannten Familie gehörten. Sie sprangen auf mich zu. Ich fragte sie, ob sie ein Glace möchten. «S’il vous plaît (bitte), Madame!», riefen sie und standen vor dem altmodischen Stand an. Der Glaceverkäufer reichte mir die gefüllten Cornets. Komisch, ich hatte das Gefühl, es würden mir immer mehr kleine Hände entgegengestreckt. Waren es zuerst weniger als ein halbes Dutzend Kinder, waren es auf einmal ein Dutzend, fünfzehn, vielleicht mehr neben mir. Ich bezahlte und gesellte mich zu den höchstens Sechsjährigen.

Die Kinder zeigen ihre Freude auf ihre Weise

Auf einmal stürzte eine Kleine mit der tropfenden Glace in der Hand auf mich zu und rief in hohem Ton: «Madame, je veux vous embrasser!» (Madame, ich will sie küssen!) Es war vor Corona und ich dachte «Henusode!» Zuerst achtete ich nicht darauf, aber je mehr Kinder mich küssten, desto mehr fiel mir auf, dass sie Glace übers ganze Gesicht verteilt hatten. Manche hatten verklebte Augen und andere hätten sich die Nase putzen müssen. Ich schaute über die Kinder hinweg und sah Roland. Er machte ein Gesicht, wie um zu sagen: «Mir graust vor dir!» Ich ging zu ihm und wollte ihn umarmen und küssen. Er wehrte ab: «Du glaubst aber nicht, dass ich dich jetzt küsse? Du solltest dich sehen: hier rote Glace, da gelbe Glace, hier einen Popel und dort etwas undefinierbar Rotziges.» Ich könnte mich ihm wieder nähern, wenn ich mich gut gewaschen hätte, meinte er.