Die Geologen hatten in den letzten Wochen untersucht, welche der prognostizierten Szenarien eingetroffen sind und welche nicht. Der Ingenieurgeologe Reto Thöny führte am Donnerstagabend im bündnerischen Tiefencastel aus, dass der Schuttstrom weniger weit gekommen sei als prognostiziert. Weiter hätten die Geologen festgestellt, dass die abstürzenden Felsmassen im zuvor abgegangenen und weichen Schuttstrom eingesunken seien.

«Das hat dazu geführt, dass diese stark abgebremst wurden und der Felssturz daher - gut für das Dorf - nicht so weit gekommen ist, wie prognostiziert», so Thöny. Die für den sogenannten Bereich Insel am wahrscheinlichsten Szenarien eines Felssturzes oder eines Schuttstromes seien damit eingetroffen.

Unerwartet sei jedoch die Kombination von Schuttstrom und einem anschliessenden, grossen Felssturz gewesen. «Wir haben erwartet, dass es einerseits einen Felssturz oder sonst einen Schuttstrom geben wird», so Thöny.

Gefahr noch nicht komplett gebannt

Zuvor hatte bereits Michael Josuran vom Frühwarndienst seine Einschätzungen zu den aktuellen Rutschungen abgegeben. Es könne weiterhin zu kleineren Abbrüchen am Berg kommen. Diese seien jedoch zu klein, um in den Dorfbereich zu gelangen, beruhigte Josuran die Anwesenden.

Bezüglich der Rutschung Dorf habe man festgestellt, dass die Geschwindigkeit jüngst wieder leicht angestiegen sei. «Dies ist aber insofern normal, als die Rutschung Dorf auch einem jahreszeitlichen Trend folgt», erklärte Josuran.

Auch zur möglichen künftigen Gefahrensituation äusserten sich die Behördenvertreter und Spezialisten. «Für die nächsten Tage bis Wochen sehen wir im Moment keine Verschlechterung der Situation», sagte etwa der Experte vom Frühwarndienst. Die Gefahr für das Bergdorf sei zwar nicht gänzlich gebannt, eine unmittelbare Gefahr stehe jedoch nicht bevor.

Wechsel von Phase gelb auf grün

Am Freitag werde daher von der Phase gelb auf grün umgestellt. Die Betretungsgsverbote und die Absperrungen ausserhalb des Dorfes müssten aber weiterhin respektiert werden.

Der Gemeindepräsident von Albula, Daniel Albertin, fasste seine Hoffnung wie folgt zusammen: «Hoffen wir, dass es zu keiner Evakuierung mehr kommt. Jedoch verharren wir nicht im Gedanken, dass es nie mehr zu einer Evakuierung kommen kann.»

Für die am Donnerstagabend vorgestellten Erkenntnisse untersuchten die Experten Daten aus verschiedensten Mess- und Überwachungssystemen und aufgestellten TV-Kameras. Weil die 1,2 Millionen Kubikmeter Fels in der Dunkelheit abgingen, kannte bisher niemand die Details.

Ein Schuttstrom, der 1,2 Millionen Kubikmeter Material mit sich führte, verfehlte das Bündner Bergdorf Brienz nur knapp. Die Massen, die in der Nacht auf den 16. Mai oberhalb des Dorfes abrutschten, hinterliessen eine bis zu 12 Meter hohe Mauer.