Wer an Fleischimporte aus Südamerika denkt, sieht Feedlots, Wachstumshormone, Umweltverschmutzung und Regenwaldabholzung. Das ist wenigstens das Bild, das hierzulande unter Politikern und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen gerne gepflegt wird, um das geplante Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten zu kritisieren. Und es ist ein Bild, das auch für eine saftige Schlagzeile funktioniert.

Hormoneinsatz ist nicht zugelassen 

Allerdings hat die Verkürzung auf «Südamerikanisches Fleisch gleich Hormonfleisch» einen Haken: sie stimmt nicht. «Es wird behauptet, aus Mercosur komme Hormonfleisch. Doch das stimmt nicht. Die Gesetzgebungen sind dort wie bei uns. Der Hormoneinsatz ist nicht zugelassen. Dass es ein Hormonfleischverbot gibt, muss man zur Kenntnis nehmen und akzeptieren.» Das sagte Bundesrat Johann Schneider Ammann am Dienstag vor den Medien, als er seine Bilanz zur Mercosur-Reise zog

Die Gesetzgebung beim Hormoneinsatz in der Fleischproduktion sei in den vier Staaten des Mercosur (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay) genau so streng wie in der Schweiz. Das betonte nicht nur der Bundesrat, sondern auch Reiseteilnehmer wie die Berner GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy oder Jacques Gerber, Regierungsrat des Kantons Jura.

Unterschiedliche Beurteilung

Allerdings ist die Sache etwas komplizierter. Denn auch die Darstellung der Reiseteilnehmer ist nicht ganz richtig. Wie nämlich der Schweizer Tierschutz in einer Broschüre schreibt, ist der Beta-Agonist Ractopamin mindestens in Argentinien und Brasilien zugelassen und werde auch eingesetzt. Beta-Agonisten haben im Stoffwechsel eine fettabbauende Wirkung während sie gleichzeitig den Proteinabbau hemmen. Anders gesagt: Ractopamin fördert den Muskelaufbau. Und aus Sicht des Schweizer Tierschutzes sind Beta-Agonisten nichts anderes als Wachstumshormone.

Allerdings hat die brasilianische Fleischindustrie schon 2013 festgestellt, dass ihre Kunden in den Exportmärkten Hormonfleisch nicht wollen. 2012 wurde deshalb der Verkauf von Ractopamin für die Rindviehhaltung vorübergehend verboten. Trotzdem fand man kurze Zeit später Ractopamin-Rückstände in Rindfleisch, das nach Russland ausgeführt wurde. Ein etwas anderes Bild zeigt sich bei der Schweinehaltung. Dort ist der Einsatz des Beta-Agonisten weit verbreitet, weil die Konsumenten nach magerem Schweinefleisch verlangten.

Ractopamin ist verboten

Zugleich ist man sich auf internationaler Ebene nicht einig, ob man den Einsatz von Ractopamin verbieten oder mit Grenzwerten für Rückstände im Fleisch regulieren will. Und es kommt noch etwas anderes dazu: Ractopamin kann auch den nichthormonellen Leistungsförder betrachtet werden. Und das macht das Bundesamt für Landwirtschaft in der Schweiz.

Inwiefern sich die unterschiedliche Beurteilung auf die Freihandelsverhandlungen zwischen den Efta- und den Mercosur-Staaten auswirkt, ist unklar. Fest steht, dass Ractopamin in der Schweiz als Masthilfe ebenso verboten ist, wie in der EU und in Russland.

hja