Markus Ritter, der Bundesrat hat am Mittwoch die Botschaft zur AP 22+ verabschiedet, was ziehen Sie für ein erstes Fazit?

Markus Ritter: Mein Fazit ist sehr durchzogen. Positiv ist, dass der Bundesrat im Vergleich zur Vernehmlassung verschiedene Punkte verbessert hat. Es verbleiben aber zahlreiche kritische Punkte und die Agrarpolitik wird noch komplexer, als sie es bisher schon war. Von Vereinfachung fehlt jede Spur.

In welchen Punkten sehen Sie die grössten Differenzen zum Bundesrat?

Der Bundesrat dreht vor allem an vielen verschiedenen Schrauben mit hohen Folgekosten für die Bauernfamilien, ohne dass die Mehrleistung entsprechend abgegolten wird. Die zahlreichen Verschärfungen in verschiedenen Bereichen schwächen die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Landwirtschaft und die Versorgungssicherheit.

Alle neuen Anforderungen bedeuten für die Bauernfamilien Mehraufwand, Mehrkosten oder Mindererträge, ohne dass sie dafür einen gleichwertigen Mehrwert am Markt generieren können. Die Komplexität der Agrarpolitik steigt nochmals. Die vorgesehene Regionalisierung der Agrarpolitik führt weiter zu ungleichen Grundlagen für die Bauernfamilien in den verschiedenen Regionen und weiterer Verzettlung der Massnahmen. Sehr störend ist, dass trotz all dieser Mehrbelastungen der Bauernfamilien der Rahmenkredit bei den Direktzahlungen um über 100 Millionen Franken gekürzt werden soll. Dies hat uns sehr enttäuscht.

Wo stimmen Sie mit der Botschaft überein?

Wir begrüssen die neuen Anreize im Bereich der Produktionssystembeiträge. Besonders jene, die mithelfen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Ebenso, dass die Regierung zur Verbesserung der Biodiversitätsleistungen auf eine Weiterentwicklung der bereits bestehenden Massnahmen setzt. Die neu vorgesehene Ko-Finanzierung von Ernteversicherungen zur Abfederung der klimabedingt zunehmenden Risiken war von der Branche gewünscht worden. Bei der sozialen Absicherung der Partner, präsentiert der Bundesrat einen Kompromiss, der vielleicht auch in der Landwirtschaft mehrheitsfähig sein wird.

Eine der grössten Veränderungen ist die Verlagerung von 280 Mio Fr. an Versorgungssicherheitsbeiträgen in die Produktionssystembeiträge (PSB), stimmt diese Grössenordnung der Mittelumverteilung für Sie?

Im Prinzip müsste man keine Verlagerung, sondern eine Mittelaufstockung für die Produktionssystembeiträge machen. Denn klar ist, es wird viel mehr verlangt als bezahlt.

Welche unter den zehn Produktionssystembeiträgen bereiten Ihnen noch Sorgen?

Allgemein habe ich Sorgen mit den Modulen, die für die Tierproduktion gedacht sind. Besonders das vorgeschlagene Modul «Zufuhr Rohproteine» geht weit und ist schwierig zu kontrollieren. Es wäre auch gut, anstatt mit Direktzahlungen ein paar Massnahmen durch Strukturbeiträge zu unterstützen.

In den Diskussionen zur AP 22+ gab es im Vorfeld grosse Diskussionen um mehrere Punkte. Wie zufrieden sind Sie mit der Botschaft in Sachen Ausbildungsanforderungen für Direktzahlungs-Berechtigung?

Wir unterstützen nicht die vorgeschlagene Lösung. Für uns muss das EFZ die Basis sein, um Direktzahlungen zu erhalten. Ausnahmen für das Berggebiet sowie eine Lösung für jene mit einer Attestausbildung müssen möglich sein.

Was halten Sie von den Vorschlägen in Sachen Direktzahlungsobergrenze?

Sie sind besser als in der Vernehmlassung vorgesehen, gleichzeitig hätten wir uns aber auch die Beibehaltung einer SAK-Grenze vorstellen können, um die Direktzahlungen glaubwürdig zu halten.

Wie beurteilen sie die Lockerungsversuche beim bäuerlichen Bodenrecht?

Die Vorschläge sind auch hier besser als in der Vernehmlassung. Die Aufweichung des Bodenrechtes ist aus unserer Sicht dennoch unnötig. Grundsätzlich bedarf es keiner Revision des Bodenrechtes. Aufgrund des jetzigen Kenntnisstandes laufen bei uns noch vertiefte Abklärungen bezüglich der Auswirkungen der Vorschläge des Bundesrates.

Im Hinblick auf die Behandlung von AP 22+ wurde befürchtet, dass die Pflanzenschutz-Initiativen einen zu starken Trend Richtung weitere Ökologisierung bringen würden, inwiefern wurden Ihre Befürchtungen da bestätigt?

Der Druck von dieser Seite lässt sich nicht abstreiten.

In einem Interview liebäugeln Sie mit einer engeren Zusammenarbeit mit den Grünen, geschah das auch im Hinblick auf die Parlamentsbehandlung von AP 22+?

Nein. Wir müssen grundsätzlich für alle anstehenden Geschäfte Mehrheiten suchen. In diesem Zusammenhang führen wir mit allen denkbaren Partnern Gespräche.

Befürchten Sie nicht, dass man gegenüber den Grünen zu viele Konzessionen machen muss, um sie an Bord zu holen?

Um Mehrheiten zu finden, braucht es immer Kompromisse zu denen die Partner Ja sagen können. Hier gilt es in den Gesprächen auszuloten, mit wem welche Lösungen gefunden werden können. Diese Diskussionen sind sehr anspruchsvoll. Für einen Erfolg aber entscheidend.

Das Interview wurde schriftlich geführt.