Vernehmlassung gestartetBundesrat: Pflichtlager für Lebensmittel ausbauen, aber weniger Proteinfutter einlagernMittwoch, 19. April 2023Aktuell ist eine Anpassung der Pflichtlager im Bereich der Ernährung in Vernehmlassung, die insbesondere die vorrätige Menge an Proteinträgern zu Futterzwecken reduzieren will. In seinem Vierjahresbericht ortet das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) aber weiteren Handlungsbedarf.

«Lebenswichtigkeit» festgestellt

Im Bericht des BWL steht zu lesen, man habe im Bereich der Pflanzenschutzmittel (PSM) «Lebenswichtigkeit bei gleichzeitig hoher Verwundbarkeit» festgestellt. Wenn in einer Mangellage der Eigenversorgungsgrad erhöht werden müsse, nehme der Krankheits- und Schädlingsdruck tendenziell zu. Daher geht das BWL davon aus, dass nicht-chemische Bekämpfungsoptionen in einem solchen Fall nicht ausreichen würden, um erhebliche Ernteausfälle zu verhindern.

Eine erste Beurteilung umfasste Zuckerrüben, Getreide, Kartoffeln und Raps.

Mehrheitlich in Indien und China produziert

Für die Versorgung mit PSM ist die Schweizer Landwirtschaft zu überwiegender Mehrheit auf Importe angewiesen. Zwar stammen diese gemäss BWL z. T. aus Nachbarländern, die Produktion finde aber grösstenteils in China und Indien statt. Eine zunehmende Marktkonzentration, geschlossene Produktionsstätten wegen Unterhaltsarbeiten oder Kontrollen, Zulassungsschwierigkeiten, langwierige Neuzulassungen und die Stellung des im weltweiten Vergleich kleinen Schweizer Markts erschweren die Beschaffung. «Aktuell ist sie mit hohen Bestellvorlaufzeiten und viel Unsicherheit behaftet», heisst es im Bericht.

«Nicht durchsetzbar»

Beim BWL ist man offenbar überzeugt, dass ein Pflichtlager für die wichtigsten PSM sinnvoll wäre. Im Bericht ist die Rede von synthetischen PSM zur Bekämpfung der gravierendsten Krankheiten und Schädlingen bei Schlüsselkulturen. Darunter fallen z. B. nicht Drahtwürmer bei Kartoffeln, da man optische Makel in Fall einer Mangellage in Kauf nehme.

«Aufgrund aktueller politischer Entwicklungen wird ein Antrag auf Pflichtlager für PSM 2023 als nicht durchsetzbar beurteilt», so das BWL. Der Fachbereich hält fest, dass die Pflichtlager-Überprüfung neu gedacht werden müsse. «Entsprechend werden in der nächsten Berichtsperiode voraussichtlich neue Ansätze wie eine dynamische Pflichtlagerhaltung oder Bundeslager geprüft.»  

 

Die Fläche eines Halbkantons fürs Gemüse

Um die Schweiz in einer schweren Mangellage minimal mit Gemüse versorgen zu können, bräuchte es eine Anbaufläche von rund 24'000 Hektaren, was der Fläche des Kantons Appenzell Ausserrhoden entspricht. Neben der Fläche bräuchte es aber auch das Saat- bzw. Pflanzgut, das heute grösstenteils aus dem Ausland stammt. Daher hat sich das BWL mit der Möglichkeit befasst, Gemüsesamen einzulagern. Ein Problem ist, dass im Anbau primär Hybridsorten angebaut werden und sich die einheimische Zucht auf Liniensorten konzentriert. Das würde zwar Notlösungen erlauben, schützt aber nicht auf breiter Front vor Lieferengpässen. «Aus strategischer Sicht werden Pflichtlager für Karotten-, Zwiebeln- und Spinatsaatgut im Umfang von je einem Jahresbedarf vorgesehen», so das Fazit der Überprüfung seitens BWL. Es gelte nun, die finanzielle und technische Machbarkeit dieses Vorhabens abzuklären.