Der Dokumentarfilm zeigt ehrlich und gleichermassen unaufgeregt, wie es auf Österreichs Bauernhöfen zugeht. Die gezeigten Bauern sind vielfältig ausgewählt – vom Biobauern bis zum konventionellen Agraringenieur – doch meist tönt es bei allen gleich: So kann es nicht weitergehen. Es läuft etwas falsch. Das Mantra – schneller, billiger, mehr – stellen die meisten von ihnen infrage. Bauern die rechnen und doch auf keinen grünen Zweig kommen. «Ein Liter Milch ist billiger als ein Liter Mineralwasser!», meint der eine. Haben Politik und die viel gelobte Liberalisierung der Märkte versagt?

Immer mehr Abhängigkeiten

1970 ernährte ein Bauer in Österreich zwölf Menschen. 2016 kommen auf jeden Landwirten 80 Menschen. Tausende Bauern haben aufgegeben oder wirtschaften heute im Nebenerwerb. Die verbliebenen sind gewachsen, haben sich spezialisiert, ihre Produktion intensiviert und stark in den Betrieb investiert. Im Film werden die daraus resultierenden Abhängigkeiten gezeigt, wie beispielsweise Kreditlasten und tiefe Preise durch die liberalisierten Märkte. Denn die Nachbarländer produzieren billig. Da muss man noch billiger produzieren, um nicht auf der Ware sitzen zu bleiben.

Momente der Hoffnung

Wie standhafte Zinnsoldaten ziehen Milchpackung an Milchpackung auf einer Abfüllanlage am Zuschauer vorbei. Imposant die «Eierernte» in 2,5 Stunden: 54 000 Stück jeden Tag. Das Ausweiden der Schweine und das Zersägen der Fleischstücke laufen im Akkord. Der Schweinemastbetrieb mit 1300 Mastplätzen kommt im Film schon fast familiär daher. Da streichelt der Chef noch ab und zu persönlich ein Schwein.

Als Momente der Hoffnung werden Simon Vetter und Maria Vogt vorgestellt. Vetter ist Gemüsebauer und Rinderzüchter, der stolz darauf ist, dass er seine Kunden noch persönlich kennt. Die Bio-Bäuerin Vogt melkt händisch Schafe und erntet Rüebli ohne Maschine. Das erinnert beinahe an die Werbung der Schweizer Detailhändler. Dort wird uns weisgemacht, dass die Hühner die Eier selber in den Laden bringen und dass das Leben auf den Bauernhöfen noch naturverbunden abläuft. 

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Zusätzliche Fakten

Immer wieder werden die Szenen mit Zahlen und Kommentaren ergänzt. Das bringt andere Aspekte auf den Tisch. Wie beispielsweise der Hinweis auf die «kognitive Dissonanz der Konsumenten». Damit gemeint ist das Verhalten der Konsumenten, die vor der Kamera gefragt beteuern, dass sie bio, regional und saisonal kaufen, und sobald sie alleine vor dem Gestell stehen, zum Billigsten greifen. Oder es wird den landwirtschaftlichen Ausbildungsstätten und Universitäten unterstellt, dass sie nicht unabhängig von der Industrie ihre Lehre gestalten. Und dass wir so, wie wir jetzt produzieren, die Menschheit in 50 Jahren nicht mehr ernähren können.

Nicht viel Neues

«Bauer unser» ist ein Film, der laut seiner Macher Lust machen soll, dem Bauern ums Eck einen Besuch abzustatten, bewusst heimische Lebensmittel zu geniessen und auch als Konsument das Bekenntnis abzulegen: «Bauer unser». Er versucht vordergründig neutral zu sein und geht deshalb eher etwas zu wenig in die Tiefe. Viel Neues erfahren wir nicht im Film. Die vermeintlich kritischen Bemerkungen hat man bereits in der ein oder anderen Weise alle schon einmal gehört. Ebenfalls mag er auch nicht berühren oder gar schockieren wie andere Filme, beispielsweise «More than Honey», vor ihm. Die vermeintlichen Lösungsvorschläge, dass die effektivsten Anbauformen Gartenbau und kleinteilige Bewirtschaftung, der direkte Kontakt zum Konsumenten und die Freude am Bauern die Rettung seien, leuchtet auch nicht recht ein. Weil sie nicht richtig erklärt und begründet werden. Irgendwie bleibt man bis zum Schluss immer etwas auf Distanz zum Geschehen. 

Esther Thalmann

Film «Bauer unser», Regie Robert Schabus, Österreich, 2016, 92 Minuten
Kinostart 11. Mai 2017 in der Deutschschweiz.