Passend zum Namen startete das Projekt «Gemüsekeller Emmental» in einem Keller. Genauer gesagt war es der Keller einer Wohngemeinschaft, in dem gerettete Rüebli und Kartoffeln gelagert wurden. «Wir haben das Gemüse im Haus geteilt und auch Nachbaren dazu eingeladen», erinnert sich Hannes Bättig. Heute kümmert sich der Verein «Food Save Emmental» um vier Standorte in Langnau und Burgdorf und hat 235 feste Kund(innen) – der familiäre Rahmen und der enge Kontakt unter den Beteiligten ist geblieben.
Kund(innen) bekommen eine persönliche Einführung
Die Keller und ein ehemaliger Stall, die der Gemüsekeller Emmental umgenutzt hat, sind bewusst nicht öffentlich: Ihren Standort erfahren Interessierte bei einer persönlichen Einführung. «Wir wollen, dass sich das Angebot ins Quartier einfügt», erklärt Hannes Bättig. Die Kundinnen und Kunden sollen z. B. wissen, wo Autos oder Velos parkiert werden können, ohne dass sie zum Hindernis für Anwohnende werden. Laufkundschaft ist nur sehr reduziert eingebunden, da der Verein die Frequenz an den Hofläden auf einem moderaten Mass halten will.
Dass es in den fünf Jahren ihres Bestehens – trotz unbeobachteter Selbstbedienung – bisher keinen Fall von Diebstahl oder Vandalismus gab, ist ein weiterer Vorteil davon, dass die Gemüsekeller quasi nur für «Eingeweihte» sind. Auf dem Kassentisch stehen eine kleine Holztruhe für Bargeld und eine grosse Waage. Auch Twint ist eingerichtet, eine Überwachungskamera aber gibt es nicht. Ausserdem könne man so bedarfsorientiert arbeiten und vermeide Überschüsse. «Wenn trotzdem etwas übrigbleibt, geben wir es an viehhaltende Betriebe weiter», ergänzt Hannes Bättig.
[IMG 2]
Die Produktion im kleinen Rahmen soll sich auch lohnen
Das Einzugsgebiet der Lieferanten des Gemüsekellers ist grösser als jenes der Kundschaft. «Wir beziehen Aussortiertes von Grossverteilern aus dem Seeland», so Bättig. Darunter sei ab und zu auch Importgemüse oder -obst wie Blumenkohl im Winter oder Bananen. Hinzukommen Waren von Kleinproduzenten oder Überschüsse von privaten Gartenbesitzenden. Landwirte können ohne Rücksicht auf Grösse oder Form Gemüse und Obst auch in Kleinstmengen liefern, z. B. Äpfel von Hochstammbäumen oder dicke Karotten. So landet im Verkauf, was für einen gewöhnlichen Hofladen zu unansehnlich wäre. «Wir wollen ein alternativer Verkaufskanal sein und möchten die Produktion im kleinen Rahmen unterstützen. Auch der Anbau einer Tonne Kartoffeln soll sich lohnen», so der Ansatz der Berner.
Regional und Bio mit oder ohne Label
[IMG 3]
Entscheidend für eine lohnende Produktion ist die Preisgestaltung. Der Gemüsekeller Emmental verspricht faire Preise für Kunden und Lieferanten. «Wir arbeiten mit einer möglichst knappen Marge», meint Hannes Bättig. An Grossverteiler zahle man so viel, dass sich für sie das Verpacken und die Logistik für das aussortierte Gemüse noch lohnt. Für Kleinproduzenten seien die Aufkaufpreise höher, als wenn sie an grosse Abnehmer liefern würden. «Wir können nicht 20 Tonnen Rüebli übernehmen, aber 200 kg», umreisst Bättig die Dimensionen der Quartier-Hofläden. Pro Monat werden ungefähr 500 kg Gemüse verkauft, so seine Schätzung. Wichtig ist dem Verein neben der biologischen Produktion (mit oder ohne Label, z. B. im Fall von privaten Lieferanten) die Regionalität. In Langnau etwa bringe ein Landwirt Gemüse vorbei, wenn er sowieso im Dorf unterwegs ist. In diesem Idealfall werden Extrafahrten vermieden. Das Ziel des Vereins ist der Aufbau einer langjährigen Zusammenarbeit, obwohl auch einmalige Aktionen durchaus Platz haben. Ein Beispiel wäre die Räumung eines Treibhauses mit den letzten Tomaten der Saison. Aktuell arbeite man mit 20 bis 30 Lieferanten zusammen, Privatgärten, eingerechnet.
Genaue Angabe der Herkunft für eine bessere Verbindung
Mit diesem Konzept bleibt für den Verein Gemüsekeller Emmental kaum ein grosser finanzieller Gewinn. Für Hannes Bättig ist das Engagement seit 1,5 Jahren aber seine Haupttätigkeit. «Ich bin auf einem Bergbauernhof in Oberfrittenbach im Emmental aufgewachsen und weiss, was in der Landwirtschaft tagtäglich geleistet wird», bemerkt der gelernte Drucktechnologie und Betreuer. Er sehe keinen Grund, warum er mehr als ein Produzent verdienen sollte, «nur weil ich etwas anderes mache.» Viel Arbeit zum Unterhalt der Hofläden geschehe ehrenamtlich. Der Verein Food Save Emmental fungiert als Trägerschaft der Hofläden im Quartier, eine Mitgliedschaft ist für Kund(innen) nicht obligatorisch. Das Projekt profitiert von Fördergeldern des Kantons Bern im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP) und soll dazu beitragen, Konsumenten und Produzenten besser miteinander zu verbinden. Dafür sorgt die detaillierte Herkunftsangabe des Gemüse- und Obstsortiments, über das die Kundschaft regelmässig per Infomail auf dem Laufenden gehalten wird. Bei freiwilligen Anlässen des Vereins bietet sich zusätzlich die Gelegenheit für den persönlichen Austausch.
[IMG 4]
Ergänzung, keine Konkurrenz
Hannes Bättig versteht den Gemüsekeller als Ergänzung bestehender Angebote und will nicht zur Konkurrenz für beispielsweise Marktfahrer werden. «Wir haben ein kleines Sortiment gut lagerbarer Ware und haben dann offen, wenn kein Markttag ist», erklärt er. Ausserdem spreche man eine andere Klientel an, das z. B. die Öffnungszeiten am Sonntag für kleine Einkäufe in ihrem «erweiterten Kühlschrank» schätze. Natalino Morabito brachte als Architekt und Kunsthistoriker den Aspekt der Kultur mit ins Projekt: Im Hofladen sind Bilder einer lokalen Künstlerin und kleine, handgefertigte Werke ausgestellt, ausserdem selbstgemachte Salben und Seifen.
[IMG 5]
Als das Projekt aus dem Keller eines Wohnhauses hinauswuchs und der erste Standort in Langnau eröffnet wurde, nannten viele den Schritt – gelinde gesagt – mutig. «Langnau ist sehr ländlich und solche Angebote waren bisher eher in der Agglomeration bekannt», kommentiert Hannes Bättig. Doch der Gemüsekeller lief gut an und soll ausgebaut werden – in Langnau, aber auch in Richtung Oberburg, Kirchberg oder Koppigen. «Langsames Wachstum zahlt sich aus», sind Bättig und Morabito überzeugt. Interessierte Landwirt(innen) können mit dem Verein Kontakt aufnehmen.
Website des Gemüsekeller Emmental: www.gemüsekeller.ch