Hohe Temperaturen bringen nicht nur Menschen, sondern auch Nutztiere gehörig ins Schwitzen. Genau wie bei den Menschen können auch nicht alle Tiere gleich gut damit umgehen. Das Rindvieh ist besonders benachteiligt, weil es eine körpereigene „Heizung“ besitzt: Die Bakterien in seinem Pansen produzieren zusätzliche Wärme. Richtige Sommertage, wie man sie aktuell in der Schweiz antrifft, schätzt das Rindvieh deshalb nicht.

Allerdings gibt es grosse Unterschiede nach Rasse und Leistung: Braunvieh ist hitzeresistenter als Holstein, Jersey können etwas besser mit Wärme umgehen als Eringer. Und ganz grundsätzlich fallen Kühe, die weniger Milch geben, in der Leistung hitzebedingt nicht so stark ab wie Hochleistungskühe. Dennoch: Alle europäischen Rinderrassen geben bei Hitze weniger Milch, sie werden nicht so schnell trächtig und sie nehmen weniger zu – allein schon deshalb, weil sie in Hitzetagen lieber saufen als fressen.

Die Temperatur machts nicht allein

Ob und wie sehr die Hitze Tier (und Mensch) stresst, hängt nicht nur von der absoluten Temperatur ab, sondern auch von der Luftfeuchtigkeit, Luftbewegung und Art der Sonneneinstrahlung.

Eine hohe Luftfeuchtigkeit behindert die Wärmeabgabe durch die Haut. Das ist vermutlich auch der Grund, warum die ursprünglichen Rinderrassen in niederschlagsreichen, warmen Ländern fast immer kleiner waren: Sie führen die überschüssige Wärme vor allem über die Atmung ab und nicht über die Haut, weshalb eine grosse Hautoberfläche wenig bringt.

Je stärker der Wind, desto mehr Hitze kann abgeführt werden. Weil ein kühles Lüftchen die Hitze erträglicher macht, steht das Rindvieh im Sommer am liebsten auf einer Krete oder an einem Hang mit Luftzug. Wenn im Stall die Ventilatoren laufen, ist der Effekt fürs Vieh derselbe.

Je höher der Anteil an Infrarotstrahlen, desto heisser wirkt das Sonnenlicht. Deshalb sind Schattenplätze wichtig, die diese Strahlen abhalten. Bereits lichter Schatten unter einem Baum verspricht Linderung.

In der Wüste melkt man keine Kühe, sondern Kamele, denn diese sind besser an das heisse Klima angepasst. In den Tropen und Subtropen wird dagegen, genau wie in der Schweiz, Rindvieh zur Milch- und Fleischproduktion gehalten. Das geht, weil es sich dort um andere Rinderrassen handelt. Die europäischen Rinderrassen stammen nämlich vom Ur ab (Bos taurus primigenius), der in den Wäldern Osteuropas lebte, weshalb sich europäische Rinder auch heute noch in kühlen Regionen am wohlsten fühlen und zwar unabhängig davon, ob die Luftfeuchtigkeit dort hoch oder tief ist. Das Indische Rind (Bos taurus indicus), das Zebu, ist dagegen sehr gut an tropische Verhältnisse angepasst.

Der Hitzeresistenz auf der Spur

Weshalb das Zebu so gut mit Hitze umgehen kann, beschäftigt die Forscher schon seit Jahren. Sie haben festgestellt, dass bei europäischen Rinderrassen die Temperatur im Darm steigt, sobald die Lufttemperatur höher als 25 bis 30 Grad ist. Bei Zeburindern setzt dieser Vorgang erst ab 35 Grad Lufttemperatur ein. Bei 40 Grad Lufttemperatur sind die europäischen Rinder bereits überhitzt, sie hecheln, sind unruhig und haben quasi „Fieber“, da ihre Darminnentemperatur dann bei 43 Grad liegt, während ein Zeburind unter denselben Bedingungen noch mit 41 Grad Innentemperatur auskommt. Das ist zwar auch nicht mehr ganz im Wohlfühlbereich, für das Tier aber leichter zu ertragen.

Interessanterweise kühlen sich europäische Rinderrassen im Wind besser ab als indische Rinderrassen. Ein heftiger Wind (egal ob Ventilator oder Naturwind) verhindert bei Lufttemperaturen zwischen 27 und 35 Grad und einer relativen Luftfeuchte von 60 Prozent das Ansteigen der Rektaltemperatur bei europäischen Rinderrassen – während das Zebu davon unbeeindruckt bleibt. Auch auf die Luftfeuchtigkeit reagieren die beiden Rinderrassen unterschiedlich: Bei Zebus führt die Abnahme der relativen Luftfeuchtigkeit schon ab einer Aussentemperatur von 37 Grad zu einem Absinken der Hauttemperatur, während europäische Rassen erst bei weniger als 30 Grad positiv auf tiefere Luftfeuchtigkeit reagieren. Es nützt den heimischen Rinderrassen folglich wenig, wenn man ihnen bei Temperaturen um 35 Grad eine Dusche anbietet. Ein Tränkebecken voll frischem Wasser bringt mehr: Das kühlt die Tiere von innen. Auf Sonneneinstrahlung scheinen europäische und indische Rinder für einmal gleich zu reagieren: Bis zu 31 Grad Lufttemperatur heizen sich die Tiere durch die Sonne auf, bei noch höheren Temperaturen spielt die direkte Strahlung keine Rolle mehr.

Je weniger Fell, desto besser

Kamele schützen sich mit einem dicken Fell gegen Hitze. Bei Rindern funktioniert das leider nicht. Im Gegenteil: Je dicker das Fell, desto weniger Hitze vertragen sie. Rinder mit einem dünnen, glatten Fell ist es im Sommer wohler. Das wissen auch jene Tierhalter, die ihr Vieh im Sommer ganz oder teilweise scheren. Bereits ein Kurzhaarschnitt am Rücken macht das Rinderleben in der Sommerhitze etwas erträglicher. Welche Rolle die Fellfarbe spielt, ahnt jeder, der schon mal schwarzgekleidet in der prallen Sonne sass: Schwarz absorbiert rund vier Mal so viele Sonnenstrahlen wie weiss! Je dunkler, desto heisser. Ein (schwarzes) Angusrind heizt sich folglich mehr auf als ein Rind der (weissen) Rasse Charolais.

Neben der Farbe von Haut und Haar spielt auch deren Beschaffenheit eine Rolle: Zebu-Rinder haben verglichen mit europäischen Rindern eine viel dickere Epidermis (Oberhaut) und eine dünnere, darunter liegende Lederhaut sowie deutlich mehr Talg- und Schweissdrüsen. Und last but not least haben sie auch einen niedrigeren Stoffwechsel: Bei Temperaturen um zehn Grad Celcius produzieren Holstein-Rinder beispielsweise zwischen 800 und 1000 kcal/Stunde, Jersey-Rinder zwischen 600 und 700 kcal/Stunde, Zebus aber nur 450 bis 500 kcal/Stunde. Der reduzierte Stoffwechsel schlägt sich natürlich auch in einer tieferen Milch- und Mastleistung nieder. Und bei tieferen Temperaturen sind dann wieder die europäischen Rassen im Vorteil.

Anpassung macht das Fleisch schmackhaft

Ob ein Tier zur indischen oder europäischen Rinderrasse gehört, erkennt man auf den ersten Blick: Zebus haben einen charakteristischen Buckel – weshalb sie auch Buckelrinder genannt werden. Dieser Buckel ist von Rasse zu Rasse verschieden und bei männlichen Tieren deutlicher ausgeprägt als bei weiblichen. Er ist kein Fettspeicher wie beim Kamel, sondern ein stark vergrösserter Muskel. Nur am oberen Rand des Buckels ist unter der Haut Fett eingelagert, ansonsten ist es fein verteilt.

Damit wären wir bei einem weiteren wesentlichen Unterschied: Weil die indischen Rinder keine isolierende Fettschicht gegen Kälte aufbauen, findet man unter der Haut so gut wie kein Fett. Stattdessen speichern die Zebus das Depotfett intramuskulär. Das verschafft ihnen auch in der heissen Pfanne einen Vorteil, da das intramuskuläre Fett dem Zebufleisch einen besonders aromatischen Geschmack verleiht. Das haben jene paar Betriebe erkannt, die in der mässig warmen Schweiz Zebus halten, oder mit Zebus Gebrauchskreuzungen durchführen. Es sind erst wenige, aber – genau wie die Anzahl Sommertage – mit steigender Tendenz.

Eveline Dudda, lid