Weltweit werden immer mehr Erreger resistent gegen heute bekannte Antibiotika, wie der Nationalfonds am Dienstag mitteilte. Weil die Antibiotika ihre Wirksamkeit verlieren, wandeln sich einst leicht behandelbare Infektionen zu tödlichen Krankheiten.

Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, entwickelten Forschende des vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanzierten Nationalen Forschungsprogramms «Antimikrobielle Resistenz» (NFP 72) in 45 Projekten neue Erkenntnisse und Instrumente. «Sie liefern damit Grundlagen, die eine starke Antwort auf die zunehmende Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen ermöglichen», wurde Joachim Frey, Präsident der NFP 72-Leitungsgruppe in der Mitteilung zitiert. «Doch wissenschaftliche Innovation setzt sich nicht allein um – dazu sind nun die Partner aus Praxis, Industrie und Politik gefragt.»

Schnittstelle Tierklinik

Antibiotikaresistenzen verbreiten sich zwischen Menschen, Tieren und der Umwelt. Bisher war es kaum möglich, diese Übertragungswege genau nachzuvollziehen. Dank neuer Gensequenzierungs-Technologien konnten Forschende des NFP 72 nun wichtige Schnittstellen aufdecken, etwa die Übertragung multiresistenter Erreger von Tieren auf Mitarbeitende von Veterinärkliniken oder den Nachweis von erhöhten Resistenzkonzentrationen in Flüssen unterhalb von Kläranlagen.

Das Portal Swiss Pathogen Surveillance Platform (SPSP) bietet eine Grundlage, mit der genetische Informationen zu bakteriellen Erregern künftig verknüpft und analysiert werden können. Die SPSP hat sich bereits in der Covid-19-Pandemie bewährt.

Prävention hat den grössten Effekt

Falsch oder unnötig eingesetzte Antibiotika verschärfen die Resistenzproblematik. Schnelle Tests etwa ermöglichen es Ärztinnen und Ärzten, rechtzeitig das geeignete Antibiotikum – oder gar keines – zu wählen. Einige beschleunigte Testmethoden des NFP 72 werden bereits in der Praxis angewandt. Den grössten Effekt kann jedoch die Prävention erzielen, wie der Nationalfonds betont: Wo keine Infektionen sind, braucht es keine Medikamente.

Viren gegen Bakterien

Selbst wenn es gelingt, die Entstehung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen einzudämmen, werden immer wieder neue Antibiotika benötigt. Im NFP 72 haben Forschende eine Reihe neuer Wirkstoffe entdeckt und im Labor entwickelt. Dazu zählen in der Natur gefundene Substanzen ebenso wie synthetisch hergestellte, aber auch die gezielte Nutzung von Bestandteilen von Bakterienviren (Bakteriophagen) gegen Krankheitserreger.

Viele der nun gewonnen Erkenntnisse können in bestehenden Strukturen umgesetzt werden, auf nationaler Ebene etwa mit der Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR). Nötig ist jedoch auch ein stärkeres Engagement von anderen Seiten. «In der Human- und in der Tiermedizin müssen etwa die Kantone bereit sein, gezielte Programme zum verbesserten Antibiotikaeinsatz mit entsprechenden Ressourcen auszustatten», erklärte Joachim Frey.

Entwicklung von neuen Medikamenten fördern

Grössere Hürden sieht er für die Entwicklung neuer Medikamente. Da Antibiotika zurzeit wenig bis keine Gewinne versprechen, fehlen nach der akademischen Forschung die industriellen Partner, die neue Ansätze zu marktreifen Therapien weiterentwickeln. Die Politik muss daher laut dem NFP 72 Rahmenbedingungen setzen, damit sich die Entwicklung dieser für die moderne Medizin zentralen Medikamente wieder lohnt.