Nachdem die erste Dezemberhälfte winterlich ausgefallen war, sah es in der Welt der Wettermodelle sogar teilweise danach aus, als ob sich die winterliche Witterung auch in den Weihnachtstagen noch halten könnte.

Doch je mehr Tore sich am Adventskalender öffneten, desto mehr zeichnete sich ab, dass auch dieses Jahr mit dem berüchtigten, aber erstaunlich ­zuverlässigen Weihnachtstau­wetter zu rechnen ist. Die Warmluftphase gegen Ende ­Dezember tritt in der Schweiz sehr häufig auf und bildet somit schon fast einen «normalen» Abschluss eines doch eher ungewöhnlichen Wetterjahres.

Warme Luft aus dem West-Sektor

Wie so oft ist es beim aktuellen Weihnachtstauwetter Luft aus dem Sektor West, die uns milde Temperaturen bringt. Der Westwindgürtel, der zu Monats­beginn über Mitteleuropa noch praktisch komplett zusammengebrochen war, hat sich über dem Atlantik neu ausgebildet und erreichte nun in der Woche vor Weihnachten auch den Alpenraum. Damit wird nun wieder milde und feuchte Luft vom Atlantik in die Schweiz geführt. Wie ausgeprägt diese Luft zu Tauwetter führt, hängt nicht nur von der fühlbaren Temperatur ab – Windstärke und Luftfeuchtigkeit sind ebenso wichtig.

Kaltluftsee in tiefen Lagen

Ist die milde Luft mit einer schwachwindigen Wetterlage verbunden, so kann dies zwar in der Höhe zu Tauwetter führen, während in den tiefen Lagen des Mittellands ein Kaltluftsee liegen bleibt, der von der Warmluftzufuhr abgekoppelt bleibt.

Auch in windgeschützten Lagen ist die Schneeschmelze verlangsamt, da das Schmelzen oder Verdunsten von Schnee der Umgebungsluft Energie entzieht. Solange kein Wind weht, kann sich so ein schützendes Kaltluftpolster über der Schneeoberfläche bilden. Nimmt die Windstärke jedoch zu, so wird dieses Kaltluftpolster stetig abgetragen und der Schmelzprozess beschleunigt sich. Auch der Kaltluftsee im Mittelland wird bei ­genügend starkem Wind aufgewühlt und durchmischt.

Tauprozess beschleunigt

WetterDieses Jahr gibt es wohl eine grüne Weihnacht im FlachlandFreitag, 23. Dezember 2022 Neben der Lufttemperatur und den Windgeschwindigkeiten steuert jedoch auch die Luftfeuchtigkeit die Intensität des Tauwetters stark. Ist die Luft nämlich trocken, so ist der kühlende Effekt, der sich durch das Schmelzen und Verdunsten der Schneekristalle bildet, deutlich ausgeprägter als bei hoher Luftfeuchtigkeit.

Zudem wechseln die Schneekristalle bei trockener Luft mehrheitlich direkt vom festen in den gasförmigen Zustand – die Schneedecke bleibt dann trotz hohen Lufttemperaturen trocken. Wechseln die Kristalle jedoch zuerst in die flüssige Phase, wodurch sich flüssiges Wasser in der Schneedecke ansammeln kann, so ist das für die Energiebilanz deutlich schlechter und der Tauprozess beschleunigt sich.

Bei trockener Luft ist zudem auch der Treibhauseffekt durch die Wassermoleküle in der Luft geringer und die Schneedecke kann ihre Wärmeenergie besser abstrahlen – was den Tauprozess ebenfalls etwas bremst.

Milde Luft in den Alpen

Dieses Jahr verspricht das Weihnachtstauwetter den vollen Umfang: Mit dem Westwindgürtel erreicht nicht nur milde Luft die Alpen, sie kommt auch in Kombination mit viel Wind und viel Feuchtigkeit daher. Am Weihnachtstag lässt zwar die Zufuhr von feuchter Luft nach, dafür steigt die Temperatur weiter an und die Nullgradgrenze klettert auf über 3000 Meter und der Wind bleibt weiterhin kräftig. Diese intensive Weihnachtstauwetter-Phase geht voraussichtlich am 27. Dezember mit einem markanten Kaltluftvorstoss zu Ende. Nach den milden und ­nassen Weihnachtstagen könnte dann in der Altjahrswoche plötzlich wieder Schnee bis ­unter 1000 Meter zum Thema werden.

Bleibt zu wünschen, dass die Turbulenzen an den Festtagen nur auf das Wettergeschehen beschränkt sind und das nächste Jahr auch im Hinblick auf das Wetter einen Neuanfang setzen kann.