Im Landkreis Sigmaringen unweit des Bodensees entsteht Deutschlands erste „echte” Agrophotovoltaik-Freiflächenanlage – Landwirtschaft und Sonnenenergie sollen auf derselben Fläche stattfinden. Allerdings handelt es sich um ein kleines Testfeld, das vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) wissenschaftlich begleitet wird. Zurzeit läuft das Baugenehmigungsverfahren.

Im Juli dieses Jahres soll dann mit der Montage der auf eine Leistung von 190 kWp ausgerichtete APV-Anlage auf einem Acker der Demeter-Hofgemeinschaft
Heggelbach begonnen werden. Auf einer lichten Höhe von ungefähr 5,5 Metern sollen Photovoltaikmodule aufgeständert werden und zwar über einer Fläche, die ungefähr zwei Dritteln eines Norm-Fussballfeldes entspricht. Im September 2016 soll die Testanlage in Betrieb gehen.

Doppelnutzung als Ziel

Das Hauptziel des Projekts ist ambitiös: Man will mit der Agrophotovoltaik einen Lösungsansatz bieten, um eine „intelligente ressourceneffiziente Doppelnutzung” von Agrarflächen zu ermöglichen. Die Flächennutzungskonkurrenz zwischen Landwirtschaft und dem flächendeckenden Verbrauch von PV-Freiflächenanlagen (PV-FFA) könne so ausgehebelt werden. „Wir wollen die Sonnenenergie gleichzeitig für die Umwandlung in elektrische Energie und für den Anbau von Nahrungsmitteln mittels Photosynthese nutzen”, sagt ISE-Projektleiter Stephan Schindele.

Verschiedene Detailfragen sollen in fünf Arbeitsschwerpunkten erörtert werden; zuvorderst die agrarwissenschaftliche Erkenntnis aus der Doppelnutzung. Zweitens will man den Einfluss der APV-Anlage auf die Biodiversität vor Ort erforschen. Die energiewirtschaftliche Frage der Stromerzeugung, wann und wie viel produziert wird, interessiert ebenfalls. Ausserdem sind für das Forschungsprojekt noch andere Landwirtschaftsbetriebe angefragt worden, so dass verschiedene Solarmodul- und Montagetypen evaluiert werden sollen.

Die Testanlage sieht eine Ausrichtung der PV-Module in einer bestimmten Süd-West-Exposition vor. Dabei wird zwar die Energieeffizienz der Anlage um 5 Prozent verringert. Durch die Montage der Stahlträger geht 6 Prozent des Kulturlandes verloren. Die ISE-Forscher vermuten aufgrund von Simulationsergebnissen, dass der Ertrag aus schattentoleranten Ackerkulturen wie Kartoffeln, Spinat, Salat und Leguminosen usw. die minimal nötige Verringerung der Anbaufläche mindestens kompensiert.

Das Forschungsvorhaben des Fraunhofer ISE hat keinen Anspruch auf Einzigartigkeit. Ähnliche Projekte sind bereits in Frankreich (Univ. Montpellier), Italien und Japan in Gang gesetzt worden. Dennoch ist das Forschungsdesign im Kontext der jüngeren deutschen Energiepolitik zu verstehen.

Freie Flächen für PV in Deutschland

Deutschland forciert den raschen Ausbau der erneuerbaren Energien mit Hilfe des Erneuerbaren Energien-Gesetzes (EEG), das seit dem Jahr 2000 in Kraft ist. Noch bis Ende Juni 2010 gab es Einspeisevergütungen von 28,43 Cent/kWh (für Freiflächen) bis 39,14 Cent/kWh (für kleine Dachanlagen). Dank der Degression sind die Vergütungsansätze inzwischen etwa um den Faktor 3 reduziert worden. Zudem weist der deutsche Bundesverband Solarwirtschaft auf die EEG-Revision von 2009 hin, wonach PV-Installationen auf Agrarflächen seit Juli 2010 nicht mehr über das EEG gefördert werden. Denn ökologisch sensible Flächen sollen nicht mehr überbaut werden; bislang sind auf etwa 85‘000 Hektaren Agrarland PV-Freiflächenanlagen installiert worden.

Ein neues Kapitel in der Förderpolitik schlägt die jüngste EEG-Revision 2014 auf. Neu wird die Vergütung grossflächiger Solarparks per Ausschreibung ermittelt. Dadurch sollen Betreiber mit den potenziell günstigsten Gestehungskosten den Zuschlag erhalten.

Allgemein gilt: Das Erstellen von PV-Freiflächenanlagen ist in Deutschland kein raumplanerisches No-Go. Das deutsche Baugesetzbuch sieht hierfür ein Planungsfeststellungsverfahren (mit Einsprachemöglichkeiten) vor. Ein Gesetzesartikel sagt: „PV-Anlagen im Aussenbereich sind nur zulässig, wenn öffentliche Belange (Naturschutz, Denkmalschutz usw.) nicht beeinträchtigt werden.” Ausserdem liegt die Planungshoheit bei der Gemeinde, die einen „solaren Bebauungsplan” erlassen muss und geeignete Flächen für PV-FFA ausscheiden darf.

Und die entlang von Bundesautobahnen kilometerlang errichteten PV-Anlagen auf Bandbreiten von 110 Metern gelten im eigentlichen Sinne nicht einmal als Agrarzone.

Schweiz: Solaranlage nicht zonenkonform

Die Rechtslage in der Schweiz ist anders. Nach dem Bundesgesetz über die Raumplanung sind Bauten innerhalb der Landwirtschaftszone nur gestattet, wenn die Standortgebundenheit dies erfordert. Nach schweizerischer Rechtsauffassung sind freistehende Solaranlagen „landwirtschaftlich nicht begründbar”, das heisst Solarparks könnten auch anderswo aufgestellt werden.

Auch die Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW) machten Bekanntschaft mit solch restriktiven Bestimmungen. Die CKW wollte in der Gemeinde Inwil das grösste Solarkraftwerk der Schweiz errichten – zwar in der Agrarzone, aber im kantonalen Richtplan als „strategisches Arbeitsgebiet” für die Ansiedlung von Grossbetrieben ausgewiesen. Am Standort plante man in den 1970er-Jahren die Erstellung eines Kernkraftwerks. Zu Jahresbeginn 2013 lehnte der Kanton Luzern eine Zonenplanänderung ab. Es fehle hierzu „ein übergeordnetes, öffentliches Interesse”.

Anders war die Ausgangslage in Payerne, das eine ehrgeizige kommunale Solarstrategie verfolgt. Auf einer freistehenden Fläche in der Industriezone La Boverie entsteht nun die grösste PV-Anlage der Schweiz – so gross wie zehn Fussballfelder. Unter den 23‘000 Solarzellen weiden Schafe und halten das Gras kurz. Der Kulturlandschutz ist auch das Hauptargument eines Positionspapiers des Schweizer Bauernverbands gegen freistehende Solaranlagen. Solche seien nur auf sehr eingeschränkt nutzbaren Böden im Alpenraum zu erlauben.

Simon Gisler, Geschäftsführer von AgroCleanTech, weist zudem auf das ungenutzte Potenzial für Photovoltaik auf bestehenden Dachflächen der Landwirtschaft hin. Eine Studie von 2012 definierte als Referenzobjekt eine PV-Anlage für die Stromerzeugung. Aufgrund solcher Anlagen wurde für 2030 eine jährliche Stromproduktion von 1200 GWh hochgerechnet, ein Zehnfaches des heutigen Outputs aus landwirtschaftlichen PV-Anlagen (157 GWh). „Und dies war eine konservative Schätzung aufgrund durchschnittlicher Milchviehstallgrössen der 80er-Jahre”.

Unter Berücksichtigung der weit grösseren modernen Stalldächer wären — so eine Schätzung von Swissolar — gar 11‘000 GWh möglich. Freilich sind die reinen Gestehungskosten einer Dachanlage immer noch teurer als grosse Anlagen auf der freien Fläche.

Die Hürden für PV-Anlagen auf der grünen Wiese sind hierzulande hoch. Das weiss auch Jürg Rohrer von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Rohrer ist Forschungsleiter für erneuerbare Energien an der ZHAW und möchte mittels einer Machbarkeitsstudie abklären, wo ein Agrophotovoltaik-Pilotprojekt realisiert werden könnte: „Die vielen positiven Effekte einer Doppelnutzung sind Grund genug, auch hierzulande darüber zu forschen.” Die vielfältigen Ansprüche an die Landnutzung und die daraus resultierenden Probleme würden die Schweiz noch über Jahrzehnte hinaus beschäftigen.

Eine weitere Sorge formulierte das Fraunhofer ISE in einer Stellungnahme gegenüber dem Wirtschaftsministerium in Berlin. Aufgrund der rasanten Kostendegression für PV-Module – in Süddeutschland lässt sich schon heute für weniger als 10 Eurocent pro Kilowattstunde Solarstrom erzeugen – könnten ab 2020 neue Investoren auf den Plan treten, welche ohne Inanspruchnahme staatlicher Förderung das Geschäft mit herkömmlichen PV-FFA weiter vorantreiben würden. Schindeles Prognose: „Dann werden die Gestehungskosten so niedrig sein wie für kaum eine andere Anlage zur Stromerzeugung.”

Manuel Fischer, lid