Die Themen sind nicht neu, nun zieht Luzern aber die Schraube an für umweltverträglichere Stoffflüsse in der Landwirtschaft. Über den vom Regierungsrat am 2. Juni beschlossenen Massnahmenplan II, Teilplan Ammoniak, sowie über die angepasste Phosphorverordnung wurden die Medien gestern Donnerstag informiert. An die Luzerner Landwirte erging die Information per Mail bereits am Mittwoch. Der Teilplan Ammoniak tritt bereits am 1. Juli 2020 in Kraft.

Massnahmen genügen nicht

Die hohe Ammoniakbelastung aus der Landwirtschaft sei für die Umwelt eine untragbare Belastung, meinte Daniel Christen, Leiter Dienststelle Umwelt und Energie. Grund für die weiterhin zu hohen Emissionen seien die konstant hohen Tierbestände und die Umstellung auf Laufhöfe beim Rindvieh. «Tierwohl ist von der Gesellschaft gewollt.»

Luzern sei deshalb noch weit weg vom Ziel im ursprünglichen Massnahmenplan von 2007, die Ammoniakreduktionen bis 2030 gegenüber 2000 um 30 Prozent zu reduzieren. Von 2009 bis 2014 betrug die Senkung nur 4,5 Prozent.

«Wir wollen gemeinsam die Herausforderungen breit abgestützt angehen.»

Regierungsrat Fabian Peter setzt auf Dialog und Konsens – auch mit der Branche.

Ziele wurden angepasst

Mit den im neuen Massnahmenplan II vorgesehenen neun Massnahmen (siehe Kasten) könnten aber die Ammoniakemissionen bis 2030 um 20 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2014 reduziert werden. Das sei schon eine grosse Herausforderung, und bedinge, dass die Massnahmen flächendeckend umgesetzt werden. Allerdings reiche das nicht, denn aus ökologischer Sicht bräuchte es eine Reduktion um 70 Prozent, meinte Daniel Christen. Es brauche künftig weitere Massnahmen, so im Rahmen der AP 22+. Der neue Teilplan Ammoniak wurde unter Einbezug der Branche und Umweltorganisationen umfassend überarbeitet – auch der Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband war mit dabei. «Eine nachhaltige und ökologische Lösung kann nur gemeinsam mit den betroffenen Branchen gefunden werden», betonte Regierungsrat Fabian Peter. Information und Beratung habe einen hohen Stellenwert. Deshalb hat der Kanton einen Fachexperten für Ammoniak eingestellt (siehe Interview mit Markus Bucheli in dieser Zeitung).

Der Kanton wolle die Herausforderung breit abgestützt und faktenorientiert angehen, unterstrich Regierungsrat Fabian Peter. Deshalb habe man sich auch für die dezentrale Versuchsstation der Agroscope in Sursee stark gemacht, wo praxisorientiert Lösungen gesucht würden.

«Wir wollen kürzere Fristen als der Bund für die Abdeckung der Güllelager.»

Daniel Christen, Leiter Dienststelle Umwelt und Energie, sagt, wieso Luzern Massnahmen einführt, die bald vom Bund gelten.

Kosten tragen die Bauern

Die Umsetzung aller Massnahmen im Teilplan Ammoniak verursache Kosten von rund 100 Mio Franken in den nächsten zehn Jahren, die mehrheitlich von der Landwirtschaft zu tragen seien.

Man sei sich des Spagats zwischen Tierwohl, Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit durchaus bewusst. Immer mehr Kühe würden in Laufställen mit Auslauf gehalten. Mehr Platz und Bewegungsfreiheit bringe aber auch mehr verschmutzte Flächen und somit höhere Ammoniakemissionen, ist sich Christen bewusst.

Es brauche «weiche» Massnahmen wie Sensibilisierung für den optimalen Zeitpunkt der Gülleausbringung, aber auch «harte» Massnahmen wie Abdeckung der Güllelager. Im Massnahmenplan II werde aber kein Abbau des Tierbestandes gefordert. Allerdings könnten Auflagen für neue Stallbauten einzelbetrieblich schon zu einer Reduktion des Tierbestandes führen.

Zwei der neun Massnahmen wurden auch vom Bund aufgenommen und sollen 2022 in Kraft treten. So wird die Abdeckung der Güllegruben obligatorisch, ebenso der Einsatz von Schleppschlauchverteilern, wo topografisch möglich. Bei Güllelagerabdeckungen strebe der Kanton Luzern aber kürzere Fristen als der Bund an, und priorisiere dabei die Abdeckung der grossen Schweine-Güllelager, begründete Christen.

Phosphorprojekt startet

Der Regierungsrat hat neben dem Teilplan Ammoniak auch die kantonale Phosphorverordnung angepasst und damit die Umsetzung der Phase III des Phosphorprojekts ab 2021 ermöglicht. Dieses sollte eigentlich schon anfangs dieses Jahres
eingeführt werden (siehe dazu BauernZeitung vom 29. November 2019). Die Bauern wehrten sich aber vehement und verlangten eine Verschiebung um ein Jahr. Die Information sei Ende 2019 zu kurzfristig erfolgt, um laufende Gülleverträge zu kündigen und die neuen Anforderungen einzuhalten, wurde argumentiert.

Inhaltlich waren aber keine Lockerungen mehr möglich, erklärte Thomas Meyer vom Lawa. Das neue Phosphorprojekt bezweckt, die zu hohen P-Vorräte in den Böden langfristig abzubauen und so die Frachten in die Seen weiter zu reduzieren. Konkret darf im Zuströmbereich um den Sempachersee nur mehr 90 Prozent des P-Bedarfs gedüngt werden, um den Baldeggersee nur mehr 80 Prozent. Zudem sollen die Nährstoffgehalte in Hofdüngern gemessen werden, und es gilt ein Aufstockungsverbot und ein Verbot für den Einsatz von mineralischen Phosphordüngern. Weitergeführt werden die freiwilligen Massnahmen im Rahmen der bisherigen Seeverträge. Für diese Einschränkungen gibt es Entschädigungen. 

 

Die neuen Massnahmen ab 1. Juli 2020:

M1 Abdeckung offener Güllelager: Alle noch offenen 1200 Güllelager sind bis 2030 abzudecken. Die Kosten von bis zu 30 Mio Franken gehen zulasten der Betriebe. Mit 450 t weniger Ammoniakemissionen wäre dies am wirkungsvollsten.

M2 Ammoniakreduktion bei Stallbauten:  Das geltende Merkblatt soll weiterhin umgesetzt und wo nötig angepasst werden. Dies reduziere die Ammoniakbelastung um 50 t.

M3 Information und Beratung: Dazu wurde die Fachstelle Ammoniak bereits geschaffen.

M4 Fütterung der Schweine mit eiweiss-reduziertem Futter: Dies soll ab 2022 für alle Luzerner Schweine verbindlich sein. So könnten 65 t Ammoniak reduziert werden.

M5 Emissionsmindernde Gülleausbringung: Die Gülle soll mehr verdünnt und wenn immer möglich mit Schleppschlauch, Schleppschuh oder Gülledrill ausgebracht werden, auf Flächen bis 18 Prozent Hangneigung. Diese Massnahme sieht auch der Bund vor, allerdings könne das erst bei Inkrafttreten der Luftreinhalteverordnung durchgesetzt werden. Die Wirkung wäre mit 347 t NH3-Reduktion beträchtlich.

M6 Ammoniakreduktion durch gesteigerten Weideanteil: Die Massnahme für Milchkühe ist freiwillig und soll durch Beratung gefördert werden. Kalkuliert wird, dass dank mehr und längeren Weidetagen 72 t NH3 reduziert werden könnten.

M7 Kommunikation Politik und Gesellschaft:   Es sollen auch Wege zur Abgeltung ökologischer Leistungen gefunden werden.

M8 Anträge an den Bund zur Ammoniakreduktion: Erwähnt wird beispielsweise eine Lenkungsabgabe auf mineralische Stickstoffdünger.

M9 Erfolgskontrolle und Überprüfung des Teilplans Ammoniak: Im Jahr 2025  ist ein Bericht zum Umsetzungsstand zu erstellen.

 

 

Das meint der LBV:

«Es dürfte nicht einfach sein, die hochgesteckten Ziele des Massnahmenplans zu erreichen, trotzdem muss sich die Luzerner Landwirtschaft dieser Herausforderung stellen. Letztendlich ist es der ganzen Branche ein Anliegen, die natürlichen Ressourcen zu schonen. Die im Bericht vorgeschlagenen Massnahmen unterstützt der Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband mit Vorbehalten. Die Massnahme zur Reduktion von Ammoniak bei Stallbauten muss aufgrund der gemachten Er­fahrungen und dem bundesrechtlichen Obligatorium für Güllelagerabdeckung und der emissionsarmen Ausbringung überarbeitet werden. Würde weiterhin die gleiche Reduktion bei einem Bauvorhaben gefordert, hätte dies massive Folgen für die Luzerner Landwirtschaft. Ersatzneubauten, beispielsweise von Schweineställen, wären nur noch möglich bei einer Reduktion des Tierbestandes. Der LBV wehrt sich gegen einen versteckten Tierabbau aufgrund nicht einhaltbarer Auflagen bei Ersatzneubauten. Die neusten Zahlen zur Luzerner Tierhaltung zeigen, dass die Bestände zurückgehen. Diese Entwicklung wird zwangsläufig zu tieferen Emissionen führen, das ist zu berücksichtigen. Etwas erstaunt sind wir über die beiden Massnahmen der Kommunikation und den Anträgen an den Bund. Das wird lediglich dazu führen, dass es noch mehr vermeintliche Landwirtschaftsexperten geben wird. Ammoniakemissionen entstehen bei der Produktion von tierischen Eiweissen und sind folglich ein Ergebnis der Nachfrage unserer Gesellschaft. Anderseits muss die wirksamste und billigste Massnahme zur Reduktion der NH3-Emissionen noch besser beachtet werden, nämlich die Beachtung des Wetters bei der Ausbringung der Hofdünger, hier ist noch Luft nach oben.» 

Stefan Heller,Geschäftsführer, LBV