BauernZeitung: Immer wenn der Emmentaler als schlechtes Beispiel herhalten muss, wird Gruyère als Musterschüler aufgeführt. Woher kommt das?


PHILIPPE BARDET: Ich würde diese Aufteilung in gut und schlecht nicht so machen. Beide Käse haben viel gemeinsam. Es sind beides Schweizer Traditionsprodukte. Aber wir haben nicht die gleiche Geschichte. Der Gruyère hatte – salopp ausgedrückt – das Glück, dass er von der damaligen Käseunion nicht viel Beachtung erhalten hat. Man konzentrierte sich auf den Emmentaler.
Als sich das Ende der Käseunion abgezeichnet hat, haben die Gruyère-Leute früh damit begonnen, sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Bereits im Jahr 1982 wurde die Gruyère-Bruderschaft gegründet. Ein Gebilde, dass für Käseproduzenten eher untypisch ist. Wir haben früh gespürt, dass wir zu unserem Qualitätsprodukt Sorge tragen müssen. Mit der Charta im Jahr 1992 wurde ein wichtiger Meilenstein gelegt.
Dem Gruyère hat geholfen, dass die Verantwortlichen nie versucht haben, die Probleme der gesamten Landwirtschaft zu lösen. Ihr Fokus lag stets beim Gruyère.


Worauf beruht der Erfolg des Gruyère AOP?


BARDET: Die Menschen, die mit dem Gruyère arbeiten, glauben an ihr Produkt. Und zwar vom Landwirt bis zum Händler. Aber auch den Schutz des Namens «Gruyère», der dem Emmentaler fehlt, hat uns geholfen, uns auch im internationalen Wettbewerb mit unserem Käse zu etablieren.


Gruyère scheint insbesondere die Mengensteuerung im Griff zu haben. Wie ist die Zusammenarbeit mit den Käsereigenossenschaften organisiert, um eine Überproduktion vermeiden zu können, und das ohne Allgemeinverbindlichkeit?


BARDET: Uns war von Beginn an klar, dass die Sorte die Menge im Griff haben muss. Beim Emmentaler überliess man das zuerst den Handelsfirmen. Die Sorte ist aber objektiver in ihrer Beurteilung. So konnten wir nach Auflösung der Käseunion am 1. Mai 1999 den Käsereien ihre vollständigen Mengen zuteilen. Es gibt einen Mustervertrag zwischen den Käsereien und den Handelsfirmen. Aber die Menge wird klar von der Sorte vorgegeben. Auch das Sanktionsschema hat geholfen. Wer zu viel produziert, bezahlt eine Busse. Früher lag der Ansatz bei Fr. 5.– pro Kilo, heute ist er bei Fr. 7.–/kg. Für Käsereien ist es daher überhaupt nicht lukrativ, mehr zu produzieren. So haben wir die Menge klar im Griff, und mit der Rückverfolgbarkeit mit Hilfe der Kasein
marke haben wir auch den
sogenannten «Schwarzkäse» erfolgreich bekämpfen können.


Im Jahr 2013 wurden 29 871 Tonnen Gruyère produziert. War dieser neue Rekord geplant?


BARDET: Ja. Aber unser Ansatz ist ein anderer. Wir wollen in erster Linie nicht die produzierte, sondern die verkaufte Menge erhöhen. Und da wir mehr verkaufen wollen, müssen wir in der Folge auch mehr produzieren. Wir haben eine Vision, in der wir 40 00 Tonnen erreichen möchten. Aber das ist ein Fernziel. Bis zum Jahr 2022 streben wir eine Produktion von 32 00 Tonnen an. Wir gehen davon aus, dass das möglich ist.  


Im Jahr 2009 überholte Gruyère zum ersten Mal den Emmentaler. Seither ist Gruyère der meistproduzierte Schweizer Hartkäse. Bereitet Ihnen diese Entwicklung auch Sorgen?


BARDET: Der Gruyère AOP macht lediglich 0,2 Prozent vom europäischen Markt aus. Eine verschwindend kleine Menge in einem völlig freien Markt. Und die Konkurrenz ist gross. Gruyère ist zwar eine kleine Spezialität auf EU-Stufe. Wir dürfen aber nie davon ausgehen, alles erreicht zu haben. Wir müssen voraus denken. Gleichzeitig muss unser Produkt so bleiben, wie es ist. Jede neue Technologie stellt uns vor Herausforderungen. Was heisst handwerklich? Darüber wird an unseren Versammlungen rege diskutiert. Aber wir haben nur eine Chance, wenn unser Produkt seinen traditionellen Charakter behält.


Wie wollen Sie den Absatz langfristig sicherstellen?

BARDET: In der Schweiz sind wir die Nummer eins. Wir wollen

unsere Position weiterhin verteidigen. Dazu pflegen wir gute Partnerschaften mit dem Detailhandel, die unser Produkt im Geschäft gut positionieren. Denn jeder Zentimeter im Regal, der von einem Gruyère besetzt wird, nimmt einem ausländischen

Käse den Platz. Aber für uns ist klar, dass unsere Absatzsteigerung im Ausland stattfinden muss. Der Gruyère wird bereits in 55 Länder weltweit exportiert. Die Kanäle sind also da, jetzt gilt es, die verkauften Mengen zu erhöhen.


Mit 12 207 exportierten Tonnen erzielte Gruyère im vergangenen Jahr auch hier einen Rekord. Doch im aktuellen Jahr muss auch der Gruyère einen Einbruch im Export hinnehmen. Kennen Sie die Gründe für diesen Einbruch?


BARDET: Die aktuellen Exportzahlen vom April sind noch ausstehend, ich hoffe aber, dass wir uns wieder verbessern konnten. Es ist tatsächlich so, dass momentan ein leichter Einbruch im Export festgestellt werden kann. Ein Problem für den Gruyère ist die wirtschaftliche Lage in Frankreich. Die Konsumentenstimmung hat sich negativ auf die Attraktivität des Gruyère AOP ausgewirkt. In Frankreich ist der Gruyère eher in einem höheren Preissegment angesiedelt. Wir hoffen natürlich, dass sich die Nachfrage in anderen Ländern in Zukunft ähnlich entwickelt, wie das in Deutschland der Fall war. Andere Märkte, wie beispielsweise die USA, sind sehr schwierig zu prognostizieren. Trotzdem sind wir davon überzeugt, die Menge steigern zu können. Es wird die Aufgabe des Marketings sein, zu entscheiden, welche Märkte man aktiver bewerben will.


Viele Käsereien in der Gruyère-Region, versuchen nach wie vor auf den Gruyère-Zug aufzuspringen. Was ist noch vorgesehen?


BARDET: Unser Ziel ist es, dass nach 2022 alle Emmentaler-Käsereien im Gruyère-Gebiet auf die Produktion von Gruyère AOP umgestellt haben. Ab 2018 mit grosser Wahrscheinlichkeit neu dazukommen wird die Käsereigenossenschaft Riffenmatt BE und ab 2022 die Käserei in Mamishaus BE. Wir sind davon überzeugt, dass unser festgelegtes Gebiet eine Grösse hat, die noch steuerbar ist. Man kennt sich noch. Doch dafür müssen wir entsprechende Grundsteine legen und auch einiges leisten. So sind wir beispielsweise die einzige Käse-Sortenorganisation, die sämtliche Dokumente zweisprachig versendet. Keine Selbstverständlichkeit, aber ein Aufwand, der sich lohnt. Davon sind wir überzeugt.

Interview Julia Schwery