Der süsse Duft in der Luft verrät die letzte Holzofen-Obstdörrerei der Schweiz von weitem. Er erinnert seltsamerweise an gebrannte Mandeln. In einer weissen Fahne steigt der Dampf aus dem Kaminrohr in den Himmel und verbreitet sich in alle Windrichtungen.

Derweil öffnet Thomas Oeler im  Dörrkeller einen der beiden Öfen aus der Vorkriegszeit einen Spalt weit, hält sein Gesicht in die herausströmende Bruthitze, und sagt: «Die Temperatur stimmt.» Die Birnen und Zwetschgen seien auf bestem Weg zum Trockenobst. Das antike Thermometer an der Tür, das seinen Dienst vor Jahren quittiert hat, braucht er nicht. Thomas Oeler hat die Temperaturen im Gefühl. Zwischen 70 und 80 Grad braucht das Dörrgut, um sich vom frischen Obst in die gedörrte Delikatesse zu verwandeln.

Alte Holzofen-Dörrerei war eine Chance
Die eigenwillige Messmethode hat der Dörrmeister von seinem Verpächter Hans Alder übernommen. Per Zufall wurden Jacqueline und Thomas Oeler auf eine der letzten Holzofen-Dörrereien der Schweiz aufmerksam geworden. Und bald fing das junge Paar Feuer für die Obst-Konservierungsmethode, die es allein Schweizerinnen und Schweizern bis zur Einführung des Kühlschrankes in den 1950er Jahren ermöglichte, auch in den Wintermonaten Früchte zu verspeisen. Oelers packten die Chance, die alte Holzofen-Dörrerei von der altershalber kürzer tretenden Verpächtern zu übernehmen. Und zogen 2007 aufs Land nach Lömmenschwil. Nach einem Lehrjahr übernahmen sie die Dörrerei.

Seither dörren Oelers im grossen Stil Früchte auf den zwei alten Holzöfen aus Zeiten der Anbauschlacht. Vor allem ganze Birnen eignen sich für die Dörröfen: zum Beispiel die gute Louise, der Blaulängler, die Zitronenbirne oder die Kaiser Alexander. «Am geeignetsten sind vollreife Exemplare, die schon fast pflotschig sind», verrät der Dörrexperte. «Die werden butterweich und schmelzen praktisch weg auf der Zunge.»

Modernisieren und auf Ölfeuerung umstellen wollen die Oelers auf Wunsch der Verpächter nicht. Als gelernter Zimmermann und Bauer heizt Thomas Oeler sowieso lieber mit Holz. Das sei zwar aufwändiger und brauche mehr Fingerspitzengefühl, als nur den Temperaturregler am Ölofen zu regulieren. «Dafür ist es heimeliger.» Und im Winter habe er genug Zeit fürs Holzen.

Zwei bis vier Tage schmoren die Birnen zur Delikatesse
Die Dörrerei ist im Keller des Bauernhauses untergebracht. Vor der Tür stehen im Herbst in grossen Kisten Hunderte Kilos Birnen parat. In der Dörrerei stapeln sich Harasse. Daneben die Hurden, selbst gezimmerte und mit Drahtnetz bespannte Holzrahmen, auf denen das Dörrgut in den Ofen kommt.

Die neuen Hurden sind noch ganz hell. Im Gegensatz zu denen im Ofen, die vom Zuckersaft und der Gluthitze rabenschwarz glänzen. Vor allem die untersten, die am nächsten an der Glut sind. Jetzt erklärt sich auch der Duft von Karamel: Der Zuckersaft, der aus den Früchten runter tropft, karamelisiert auf dem Rost über dem Feuer und verbreitet wohl den Jahrmarktduft rund um die Dörrerei. Die Hurden jedenfalls muss Thomas Oeler Zeit zu Zeit Hurden auswechseln. «Irgendwann sind sie nicht mehr zu gebrauchen.»

Zwei bis vier Tage schmort eine Birne, bis sie Dörrobst ist, je nach Grösse. Ganze Zwetschgen brauchen halb so lange. Und aufgeschnittene Früchte sind schon in einem Tag oder Apfelringe sogar schon in einem halben Tag so weit. Das Obst schrumpft beim Dörren auf einen Fünftel des Gewichts zusammen. Für eine Tonne Dörrfrüchte muss Thomas Oeler seinen Ofen mit fünf Tonnen Obst bestücken. Pro Saison verarbeitet er rund 50 Tonnen Früchte.

Und die gehen weg wie heisse Semmeln: Vor allem Bäcker aus der Ostschweiz zählen zu den Stammkunden. Sie veredeln die Dörrbirnen zu Birewegge, Schlorzifladen oder Birnbrot. Aber auch im kleinen Hofladen und auf Märkten sind die süssen Früchte heiss begehrt. Am Obstsortenmarkt Ende Oktober im Botanischen Garten in Zürich sind die exotischen Sorten wie zum Beispiel der Gelbmöstler besonders gefragt. Und auch das Gourmetrestaurant Ruggisberg aus der Nachbarschaft setzt ganz auf die geschrumpelte Birnen-Spezialität. «Das Käsedessert dort mit einer Scheibe Dörrbirne schmeckt himmlisch», schwärmt Thomas Oeler.

Inzwischen ist es Abend geworden. Zeit, um den Ofen zu leeren und mit frischen Früchten zu bestücken. Kaum öffnet Thomas Oeler die Tür, verbreitet sich der feine süssliche Duft im ganzen Raum und macht Lust, in eine der frisch gedörrten ofenwarmen Birnen reinzubeissen.

Daniela Schwegler