BauernZeitung: Welches waren für Sie während Ihrer Karriere die Hochs und Tiefs in der landwirtschaftlichen Bildung?

Jakob Rösch: Für mich war die Zusammenarbeit mit den Berufsorganisationen, den kantonalen Bauernverbänden und den Schulen etwas sehr Positives. Sie war für mich stets kon­struktiv und zielorientiert. Sie bildete das Fundament der Entwicklungs- und Umsetzungsarbeit in der landwirtschaftlichen Bildung. Eigentliche Tiefs habe ich keine erlebt. Natürlich haben wir nicht alles erreicht, was wir uns wünschten, oder zumindest nicht auf Anhieb. Für bestimmte Veränderungen brauchte es mehr Zeit und Aufwand, was einen gelegentlich etwas belastete.  


Was hat man in den letzten zehn Jahren erreicht?

Wir konnten alle Berufe innerhalb des Berufsfelds Landwirtschaft in das neue Berufsbildungsgesetz integrieren und sowohl für die dreijährige (EFZ) wie auch für die zweijährige (EBA) Grundbildung in je einer Bildungsverordnung und einem Bildungsplan regeln. Dadurch sind unsere Berufe in der schweizerischen Berufsbildung kein Sonderfall mehr und in der Struktur absolut vergleichbar mit anderen Berufen. Trotzdem können wir gewisse, für uns wichtige Besonderheiten wie zum Beispiel den Lehrstellenwechsel auch unter den neuen Vorgaben weiterführen. Wir werten dies als starkes Element der Bildungsqualität.


Welche Bedeutung hatte der Systemwechsel auf die dreijährige Lehre?

Wir sind näher an andere Berufe herangerückt und haben eine höhere Akzeptanz erreicht. Die Durchlässigkeit bei der heute geforderten Berufsmobilität wurde dadurch verbessert. Es ist heute einfacher, nach einer Erstausbildung in einem anderen Beruf noch Landwirt zu lernen oder umgekehrt.


Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial?

Im letzten Herbst/Winter haben wir bei allen Akteuren der Berufsbildung eine vertiefte Überprüfung der neuen Lehre durchgeführt. Neben vielen positiven Elementen wurden dabei auch Schwächen aufgedeckt. So muss zum Beispiel der Einsatz und die Positionierung der Lerndokumentation auf dem Lehrbetrieb in Verbindung mit dem Qualifikationsverfahren (den Prüfungen) neu durchdacht und geregelt werden.

Gewisse Elemente des Bildungsplans sind den Entwicklungen des Berufs anzupassen. Das Gleiche gilt für die Inhalte der überbetrieblichen Kurse (ÜK). Auch die Lektionenverteilung über die ganze Dauer der Grundbildung muss allenfalls angepasst werden. Dies ist vor allem ein Anliegen der Spezialberufe und einzelner Kantone, die gerne ein lineares Modell hätten. In dieser Richtung gilt es in den nächsten zwei Jahren eine Teilrevision durchzuführen.  


Wie wichtig ist die Berufsmatura?

Die Berufsmatura (BM) ist sehr bedeutend für die ganze KMU-Wirtschaft. Es gibt mehrere Fachhochschulen, an denen Absolventen der landwirtschaftlichen Berufsbildung studieren können. Dafür müssen sie über einen erfolgreichen Abschluss der BM verfügen. Unser Interesse ist, dass möglichst viele Absolventinnen und Absolventen einer Fachhochschule einen Lehrabschluss mit BM absolviert haben. Das sind für uns interessante Leute, die von der Praxis her kommen, auf einem Ausbildungsbetrieb gearbeitet und gelebt haben. Heute beträgt der Anteil der Studierenden an der HAFL in Zollikofen mit einem EFZ-Abschluss und BM-Hintergrund allerdings noch 50 Prozent. Das ist aus der Sicht der Branche tief und sollte in den kommenden Jahren gesteigert werden.


Die landwirtschaftlichen Berufe haben an den Swiss Skills Bern 2014 teilgenommen. Wie blicken Sie auf diesen Grossanlass zurück?

Die Swiss Skills waren ein Erfolg. Unser Berufsfeld konnte sich einer breiten Öffentlichkeit prominent präsentieren. Wir hatten sehr viele Besucher, Schulklassen, aber auch Familien mit ihren Jugendlichen und Kindern. Wir konnten anhand der verschiedenen Wettbewerbsposten konkret zeigen, was man in diesem Beruf lernt. Mir bleiben gut vorbereitete und hochstehende Wettbewerbe in Erinnerung. Die Kandidaten waren sehr motiviert, wir hatten starke Finalisten und stolze Sieger. Zudem verlief alles unfallfrei, was beim Arbeiten mit Tieren und schweren Maschinen auch nicht selbstverständlich ist. Alles in allem haben wir eine sehr positive Wirkung erreicht.


Also soll es mit den landwirtschaftlichen Berufen an den Swiss Skills weitergehen?

Das hoffe ich schwer. Vermutlich werden sie nicht sofort wieder im grossen Verbund mit allen anderen Berufen stattfinden, sondern in einer bestimmten Form innerhalb der Landwirtschaft. Das Fernziel müsste sein, einmal an den Euro Skills oder den World Skills teilnehmen zu können. Das wäre eine tolle Sache!


Oft wird geschrieben, der Landwirtschaft drohe in Zukunft ein Fachkräftemangel.

Das ist tatsächlich ein ernsthaftes Problem. Unter Berücksichtigung der Berufsmobilität (Aus- und Einsteiger), haben wir heute zu wenig Junge in der Grundbildung. Auf lange Sicht kann das Auswirkungen auf die Professionalität des Berufsstands haben. Dieses Problem muss man sicher ernst nehmen. Als Gegenmassnahme ist die Berufsbildung attraktiv zu gestalten, so dass die Jugendlichen motiviert sind, eine solche Lehre zu ergreifen. Zudem müssen wir an Bildungsmessen oder Veranstaltungen wie den Swiss Skills präsent sein, um Werbung für die Berufe zu machen.


Die Junglandwirtekommission forderte kürzlich vehement ein Lehrjahr mehr für die Landwirte – u.a. mit dem Argument, die Lernenden seien im 3. Lehrjahr zu viel in der Schule. Was halten Sie von dieser Forderung?

Natürlich ist man als Ausbildner immer froh, wenn man über mehr Zeit mit dem Lernenden verfügt. Das sehe ich ein, aber ich persönlich bin gegen eine vierjährige Lehre. Ich befürchte, dass die Attraktivität der Lehre darunter leiden würde. Es gäbe einen noch stärkeren Trend in Richtung Zweitausbildung und auch der Direktzahlungskurs hätte mit Bestimmtheit noch stärkeren Zulauf. Ich bin eher ein Verfechter der modernen Pädagogik: Kurze Grundbildung und danach permanente Weiterbildung. Die höhere Berufsbildung, die Berufs- und Meisterprüfung sowie die Höheren Fachschulen (HF) haben sich sehr stark weiterentwickelt. Wir haben auf dieser Ebene wirklich ein betriebs- und kundengerechtes Weiterbildungsangebot.


Martin Schmutz hat die Bildung am 1. September von Ihnen übernommen. Was haben Sie ihm mit auf den Weg gegeben?

Als ehemaliger Schulleiter kennt Martin Schmutz alle Dossiers sehr gut. Es ist nicht an mir, ihm Ratschläge zu erteilen. Ich habe ihm aber stets gesagt, dass es schön und motivierend ist, beim Berufsverband zu arbeiten und auf diesem Weg direkt für die Jugendlichen in der Landwirtschaft und die Bauernfamilien tätig zu sein.


Wie schwer fällt Ihnen der Abschied vom Berufsleben?

Ich bin dankbar, dass die Berufsbildung beim SBV in guten Händen ist. Ein weiterer Reform- und Optimierungsschritt nach der Evaluation ist eingeleitet. Ich habe mich schon seit Längerem mit meiner Pensionierung beschäftigt und bin daher gut auf diesen Schritt vorbereitet. Ich freue mich auf eine neue Lebensphase mit neuen Herausforderungen.


Interview Jeanne Woodtli