Die ersten Sätze, die Javorka Stoll in der Schweiz lernte, waren in Portugiesisch. Sie arbeitete in der Küche eines Gourmet-Restaurants im Klettgau, und die meisten Frauen dort kamen aus Portugal. Bis sie Alex kennenlernte. Den etwas schüchternen Bauern aus dem Dorf, der mit seinen Eltern in der Nähe wohnte. Mit Alex hat sie dann ziemlich rasch Deutsch gelernt, indem sie einfach miteinander redeten. Schwiizerdüütsch selbstverständlich. Für Javorka Stoll war es kein Thema, Hochdeutsch zu lernen, denn sie wollte ja in der Schweiz leben und sich integrieren.  Heute spricht sie praktisch perfekt Schweizerdeutsch.


Der Vater war Gemüsebauer


Javorka Stoll, gelernte Chemie-Laborantin, stammt aus Mazedonien, mit 21 Jahren ist sie in die Schweiz gekommen. Nun lebe sie schon länger in der Schweiz als in ihrem Heimatland, erzählt sie lächelnd.


Javorkas Eltern betrieben einen kleinen Bauernhof, hauptsächlich Gemüse unter dem Plastiktunnel sowie Anbau von Tabak, alles Handarbeit. Das Gemüse – vor allem Peperoni, Gurken und Tomaten, wurde im Sommer in Serbien verkauft, 600 m entfernt. Die Eltern wechselten sich ab, einer fuhr hoch, verkaufte das Gemüse, während der andere nach Hause fuhr und Nachschub holte. Zusammen mit den Kindern, die in den Sommermonaten oft allein waren, ernteten sie das neue Gemüse. Es sei hart gewesen, aber dieses Miteinander hätte sie als Familie auch immer stark zusammengehalten, sagt Javorka Stoll.


Lieber glücklich in der Ferne als unglücklich in der Nähe


Als sie in Osterfingen SH in der Küche arbeitete, fragte sie der Vater von Alex um Mithilfe bei den Himbeeren an. So lernten sie und Alex sich näher kennen. Es sei nicht ganz so einfach gewesen, erstens war er so schüchtern und sie sowieso und zweitens konnte sie kein Deutsch. Aber sie spürte, dass er nicht leichtfertig war und es ernst meinte. Ihre Eltern hätten es sehr positiv aufgenommen, dass sie einen Schweizer heiraten wollte. «Wir sehen dich lieber glücklich in der Ferne  und nur einmal im Jahr, als jeden Tag hier und unglücklich», seien ihre Worte gewesen.


Dass sie einen Schweizer geheiratet hat, fern von der Heimat lebt, hat sie nie bereut. Sie ist sehr glücklich mit ihrem Mann und ihren drei Kindern, ihr gefällt das Leben auf dem Bauernhof, und sie liebt die Arbeit in den Reben.


Ihre verstorbene Schwiegermutter, die sie sehr mochte, 
unterstützte sie stark in ihren Bemühungen, sich in der Schweiz anzuklimatisieren. Als die Schwiegermutter aus dem Landfrauenverein austrat, meldete sie gleich ihre Schwiegertochter an. Und gab ihr auch gleich ein paar heisse Tipps betreffend eidgenössischer Mentalität: «Lerne melken für den Notfall, aber fange niemals von alleine an, sonst kommen die Männer gar nicht mehr nach Hause.»


Die eigenen Rechte kennen


Im Dorf sei sie gut aufgenommen worden, es habe aber etwas länger gedauert, bis sie eine beste Freundin fand. Guten Kontakt hält sie auch mit anderen Landsmänninnen, die im Klettgau leben.


Ihre Kinder hat sie nach Schweizer Werten erzogen. Ganz wichtig war ihr aber auch, die starken Familienbande ihrer Heimat miteinfliessen zu lassen, sie nicht zu Egoisten werden zu lassen. Diesen Zusammenhalt wollte sie auch ihren Kindern mitgeben.


Zurück nach Mazedonien möchte Javorka Stoll nicht mehr. Sie könne wohl nicht mehr da unten leben, es gebe keine geregelten Abläufe, keine Termine beim Arzt, und die Einstellung «komme ich nicht heute, komme ich morgen und ändern kann ich sowieso nichts» kann sie nicht mehr nachvollziehen. An der Schweiz liebe sie die Pünktlichkeit, die Sauberkeit und die Leute seien meistens ehrlich, wenn auch ab  und zu etwas gar trocken. Sie lacht.

Verfolgt Schweizer Politik


Javorka Stoll kennt die sieben Bundesräte und informiert sich mit den Tageszeitungen über das politische Geschehen, aber das Politisieren am Tisch liegt ihr nicht. Die Landeshymne kann sie mitsummen, kennt nur den Text nicht: «Aber wer kennt den schon?» Sie kennt ihre Pappenheimer inzwischen.  


Was würde sie ausländischen Frauen empfehlen, um sich schnell zu integrieren und sich wohl zu fühlen? «Zuerst die Sprache lernen, in Vereinen mitmachen, sich trauen, rauszugehen und vor allem, sich mit dem Gesetz zu befassen, damit man weiss, wo die eigenen Rechte sind. Der Rest kommt von ganz allein.»

Claudia Gysel

Die Autorin ist Mitglied der Redaktionskommission des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands (SBLV)