Steil, sehr steil führt die schmale Strasse von Törpel im Wallis hinauf auf die Moosalp auf 2000 Meter über Meer. Rechts die imposante Felswand und links geht es hunderte von Metern senkrecht den Hang hinunter. Für den Postauto-Chauffeur sei es immer wieder eine Herausforderung, wenn sich ausländische Autofahrer nicht mehr getrauen, weder vor- noch rückwärts zu fahren. Es komme nicht selten vor, dass man ihnen dabei behilflich sein müsse, um ihre Karossen aus dem Weg zu räumen. 

Keiner gekotzt?

Auf der Moosalp angekommen, fragt der Alpmeister Rolf Kalbermatten lachend und nicht ohne Grund: «Ich hoffe, es hat niemand gekotzt?» Auf jeden Fall waren einige sichtlich froh, wieder festen Boden unter den Füssen zu haben. Der Besuch der Moosalp galt einen bestimmten Grund: Im Rahmen einer Alpexkursion, durchgeführt vom Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verband (SAV), wurde die Grossraubtierproblematik im Wallis thematisiert. Denn die Moosalp liegt im Streifgebiet eines Wolfsrudels in der Augstbordregion. Für die Alp selber und für die Halter von Kleinwiederkäuern im speziellen ist die Sömmerung alle Jahre eine neue Herausforderung. So wurde erst vor zwei Wochen ein Wolfsriss im 25 Kilometer weit entfernten Turtmanntal gemeldet. «Letztes Jahr wanderte bei uns auf der Alp selenruhig um halb zwei Uhr am Nachmittag ein Wolf zwischen unserer Rinderherde hindurch», erzählt der Alpmeister besorgt. 

80 Kilometer Zaun

Auf der Moosalp wurden bereits verschiedene Herdenschutzkonzepte getestet – bis jetzt mit mässigem Erfolg. So hat man im 2015 für die 450 Schafe kleinere Koppelweiden mit einer dreifachen Zaunlage errichtet, in der Hoffnung, die Schafe besser überwachen zu können, als wenn sie weit verstreut grasen konnten. «Wir haben für die Erstellung der Koppeln 80 Kilometer Draht gebraucht und 730 Arbeitsstunden investiert, und trotzdem hat der Wolf im selben Jahr über 40 Schafe gerissen», bedauert Rolf Kalbermatten. Das war auch den Schäfelern zu viel. Sie brachten im darauffolgenden Jahr keine Tiere mehr auf die Moosalp. Neu setzt nun die Gemeinde Törbel auf erfahrenes Hirtenpersonal. In diesem Jahr seien es wieder gut 100 Schafe, die auf der Moosalp gesömmert werden, bewacht von einem Hirten und drei Hunden. Die Nacht verbringen die Schafe in einem dafür eingerichteten Pferch, und bis jetzt hat auch der Wolf nicht zugeschlagen. 

Eine gewisse Resignation

Eine gewisse Resignation und Hilflosigkeit macht sich auch unter den Wallisern spürbar. «Wir leben hier auch nicht mehr wie vor hundert Jahren», ärgert sich Rolf Kalbermatten. «Sollen die doch den Wolf haben, welche ihn unbedingt wollen», war der Tenor unter den Teilnehmern. «Letztes Jahr rannten am helllichten Tage rund 20 Rinder in völliger Panik die Strasse runter, unmöglich sie zu stoppen. Ich bin mir sicher, es war der Wolf. Hier oben auf der Moosalp haben wir viele Touristen, ich warte nur darauf bis etwas passiert und verängstigte Tiere kleine Kinder überrennen», sagt ein besorgter Alpmeister.    

Verbuschung nimmt zu 

Die Alpwirtschaft gehört zum Wallis wie die Eringerkuh oder das Schwarznasenschaf. «Es wäre schade, wenn die traditionelle Alpwirtschaft verloren gehen würde», sagt Rolf Kalbermatten. Werden die Weiden aber nicht mehr bestossen, rückt die Verbuschung schnell voran, dies konnte auch in Teilen auf der Moosalp beobachtet werden. So halten schon jetzt viele Schäfeler ihre Tiere den Sommer hindurch lieber im Tal oder geben die Schafhaltung ganz auf. «Wir machen das hier noch mit. Ob es die nächste Generation auch noch tut, bezweifle ich», hält der Alpmeister ausdrücklich fest. 

Neben den Schafen werden auf der Moosalp auch 130 Kühe, davon 60 Eringer, gesömmert. In der Alpzeit, welche zirka vom 20. Juni bis 10. September dauert, werden zwischen viereinhalb und fünfeinhalb Tonnen Alpkäse hergestellt. Das Alppersonal besteht aus fünf Personen. Dieses Jahr sind sogar zwei Frauen aus Deutschland und eine aus dem Bündnerland angereist. 

Kampflustige Rasse

Fast alle der 60 Eringerkühe sind galt oder geben nur noch wenig Milch. Vor allem mit den restlichen reinen Simmentaler- oder Swiss Fleckviehkühen werde der Käse produziert. Einen Rundgang durch die Weide bestätigt es: Die Eringer sind lieber mit kleineren Geplänkel beschäftigt. Für eine erfolgreiche «Kampfkuh» werde nicht selten bis zu unglaublichen 70 00 Franken bezahlt. Zum Erstaunen der Besucher  sitzen auch drei Frauen den ganzen Tag bei der Herde und schauen für Ordnung. «Das muss so sein», sagt der Alpmeister. Wäre das nicht, gäbe es den ganzen Tag Rangkämpfe. Und die armen Simmentaler? «Keine Angst, die Eringerkühe interessieren sich nicht für sie», lacht Rolf Kalbermatten. «Sie kämpfen nur untereinander und fordern den ganzen Sommer immer wieder jede Eringerkuh heraus, obwohl am ersten Tag auf der Alp die Rangordnung festgelegt wurde.» Um den Tieren etwas Ruhe zu gönnen, werden sie nachts gestallt.  

Auch im Bernbiet eine Alp

Die Moosalp liegt auf 2048 Meter über Meer. Mit Sicht im Süden sowohl auf die Mischabelgruppe mit dem Dom, dem fünfthöchsten Schweizer Berg (4545 m), als auch auf die Weisshorngruppe, und im Norden auf das imposante Bietschhorn. Einige Teile der Moosalp stehen unter Naturschutz mit elf verschiedenen Moorbiotopen. Es gibt sowohl Hoch- als auch Flachmoore, welche unter nationalem Naturschutz stehen. 

Früher hatten die Bauern aus Törbel sogar eine Alp im Berner Oberland im Grimselgebiet. Drei Tage lang war man damals jeweils mit den Tieren zu Fuss unterwegs, um dorthin zu gelangen. 1948, als man beim Alpaufzug auf einen Meter Schnee traf, hatte man genug und die Alp wurde verkauft. Seither gehe man nur noch auf die Moosalp z Bärg.

Peter Fankhauser