Seit 2011 liegen Gisela und Rainer Dudler im Streit mit dem WWF. Der Grund: Dudlers wollen ihr Wohnhaus aus dem Baujahr 1906 abreissen und ein neues bauen. Doch der WWF St. Gallen wehrt sich gegen dieses Bauvorhaben.

Dabei ist die Ausgangslage nichts Aussergewöhnliches: Eine Bauernfamilie will ihr bestehendes Wohnhaus durch ein neues ersetzen, weil das alte über 100-jährig und stark sanierungsbedürftig ist.

Gemeinde gab grünes Licht

2011 reichten Gisela und Rainer Dudler ein erstes Bauprojekt ein. Dieses sah vor, das alte Wohnhaus abzureissen und stattdessen ein neues zu bauen, das die heutigen Minergie-Standards erfüllt. Dudlers planten eine Vergrösserung nach den gesetzlichen Vorgaben: Ein Drittel der bestehenden Wohnfläche oder maximal 100 Quadratmeter.


Eine Sanierung des bestehenden Gebäudes kam nicht in Frage. «Wir liessen das durch einen Fachmann prüfen», sagt Rainer Dudler. «Mit der Renovation können die heutigen Möglichkeiten bezüglich Energieeffizienz nicht erreicht werden.» Das Baugesuch wurde von der Gemeinde Steinach bewilligt. Sie stützte sich ab auf die positive Beurteilung durch das Amt für Raumentwicklung.


WWF reicht Rekurs ein


Dann kam der WWF ins Spiel und befand, der Neubau sei zu grosszügig geplant. Er erhob Einsprache. Diese wurde abgewiesen. Der WWF rekurrierte Ende 2013 gegen diesen Entscheid.


Er argumentierte, das geplante Haus sei überdimensioniert und in dieser Grösse nicht bewilligungsfähig. Martin Zimmermann, Geschäftsführer WWF St. Gallen, nimmt gegenüber der BauernZeitung Stellung: «Natürlich begrüsst der WWF Investitionen in die Energieeffizienz. Das kann im Fall der Familie Dudler beim bestehenden Haus, aber auch bei einem Neubau gemacht werden. Wenn Dudlers ein grösseres Haus bauen möchten als in der Landwirtschaftszone erlaubt ist, so können sie das in der Bauzone machen.»


Die Geschichte nahm ihren Lauf. Neun Monate dauert es, bis ein Entscheid fiel: Der Rechtsdienst des Amts für Raumentwicklung stützte den Rekurs des WWF.

Zurück auf Feld eins

Gisela und Rainer Dudler wollen den Entscheid anfechten. Doch dann passiert ein verhängnisvolles Malheur: Ihr Anwalt verpasst die Frist, beim Verwaltungsgericht eine Beschwerdegründung einzulegen, um einen Tag. Die Gemeinde Steinach und das Amt für Raumplanung wären einverstanden gewesen, den Fall trotz dieses Versäumnisses wieder aufzunehmen.


Doch der WWF hielt am Urteil fest.  Martin Zimmermann: «Das Baudepartement hat in seinem rechtskräftigen Entscheid festgehalten, dass das erste Bauvorhaben weder begründet noch nachvollziehbar ist. Es ist bezeichnend, dass Dudlers diesen Entscheid als willkürlich halten.» So hiess es für Dudlers: Zurück auf Feld eins. Von ihrem Vorhaben liessen sie sich dennoch nicht abbringen.


Rekurs trotz Anpassungen


Im Dezember 2015 reichten Dudlers ein neues Bauprojekt ein und passten verschiedene Punkte an. Gisela Dudler zählt auf: «Wir verzichteten auf die Erweiterung, die für die Weiterentwicklung unseres Betriebs wichtig gewesen wäre. Weiter hielten wir an der jetzigen Grösse des Gebäudes fest und dies, obwohl wir laut Gesetz grösser bauen dürften.» Die Gemeinde und das Amt für Raumentwicklung bewilligten den Neubau abermals. Doch dem WWF gingen diese Anpassungen zu wenig weit, wieder erhob er bei der Gemeinde Einsprache.


Der Gemeinderat wies das Begehren des WWF ab und so ging es zur nächsten Instanz, dem kantonalen Baudepartement. Dort ist der Rekurs im Moment hängig. Aus Sicht des WWF ist auch das zweite Projekt «überdimensioniert». Der WWF will darum das neue Projekt durch die gleiche Instanz überprüfen lassen, die auch über das erste Projekt befunden hat. «Die Familie Dudler hat aus dem ersten Fall nichts gelernt», äussert sich Martin Zimmermann. Der Bau von Villen in der Landwirtschaftszone sei durch das Raumplanungsrecht verboten. «Daran müssen sich auch Dudlers halten.»


«Willkür und Neidkultur»


Gisela und Rainer Dudler werfen dem WWF vor, er diskriminiere aktive Landwirte, da er ihnen die Bestandesgarantie abspreche. Rainer Dudler spricht von «Willkür und Neidkultur». «Wir möchten ein Haus mit gleicher Fläche, gleichem Volumen und nahezu identischem Aussehen bauen. Das, was der WWF hier will, grenzt faktisch an Enteignung.»

Der WWF interpretiere die gesetzlichen Grundlagen nach freiem Ermessen. Gemäss Raumplanungsgesetz und -verordnung besteht die Bestandesgarantie auch für aktive Landwirte. Sie dürfen nicht schlechter gestellt werden als jemand, der den Betrieb aufgibt.


Die Fronten sind verhärtet


Das letzte persönliche Gespräch mit Vertretern des WWF geht auf das Jahr 2011 zurück. «Wir suchten mehrfach das Gespräch mit dem WWF, ohne Erfolg», sagt Gisela Dudler kopfschüttelnd. «Das ist reine Zwängerei.» Rainer Dudler fügt hinzu: «Der WWF hat sich an diesem Fall festgebissen wie ein Hund und legt uns Steine in den Weg, wo er nur kann.»

Denselben Vorwurf macht Zimmermann der Familie Dudler. Der WWF sehe keinen Grund, sich an einen runden Tisch zu setzen. Im ersten Verfahren seien Dudlers von einem polternden Anwalt vertreten worden, der die Position des WWF nie ernst nahm. «Seither lassen sie keine Gelegenheit aus, in den Medien den WWF zu kritisieren. Sie müssen sich daher nicht wundern, wenn der WWF kein Gespräch mehr führen will.»


«Wir kämpfen weiter»


Für das Geld, das sie bisher in den Rechtsstreit investiert haben, hätten sie bereits ein neues, umweltverträglicheres Heizsystem einbauen können, sagt Rainer Dudler. «So dient unsere 40-jährige Ölheizung noch immer der Luftverschmutzung und die drei Elektroboiler verschwenden täglich 30 Kilowattstunden Strom.»

Klein beigeben und aufgeben, wofür sie seit fünf Jahren kämpfen – nämlich ihr Recht auf Wohnraum in der Landwirtschaftszone – ist für die beiden keine Option. Gisela Dudler sagt: «Dies wird ein wegweisender Entscheid. Ich fühle mich auch der Branche gegenüber verpflichtet.»

Stefanie Giger