«Haben Sie gewusst, dass die Edelweissblüten zart nach Vanille und Butter duften?», fragt Astrid Thurner während des Gesprächs in ihrem Haus in Savognin. Wenn sie engagiert und mit leuchtenden Augen über die «Königin der Alpen» erzählt, erkennt man ihr grosses Wissen, spürt ihre Leidenschaft und vor allem ihre Liebe zum Edelweiss.

Die Pflanze enthält Wirkstoffe, die früher in der Naturheilkunde eingesetzt wurden. Zu Kräuterpfarrer Künzles Zeiten sei die Kenntnis über die Heilwirkung weit verbreitet gewesen. «Die Bauern haben bald bemerkt, dass Kühe, die auf der Alp d’Err übersommerten und reichlich Edelweiss grasten, glatte und stramme Euter bekommen hätten», weiss Astrid Thurner aus Erzählungen ihrer Mutter, die als Kind während der Heuet steile, mit Edelweiss übersäte Hänge hinaufgeklettert ist.

Bauerntochter aus Savognin

Wenns den Kühen gut tut, wirds auch dem Menschen helfen, dachte sich die Homöopathin, die als Bauerntochter in Savognin aufgewachsen ist: «Mit seinem Lebensraum zwischen 1700 bis 3400 Meter über Meer hat das Edelweiss während Jahrhunderten hochwirksame Schutzmechanismen entwickelt, um in intensiver Sonneneinstrahlung und Kälte zu überleben. Somit eignen sich Edelweiss­extrakte perfekt, um auch unsere Haut zu schützen und zu pflegen», erklärt die 60-Jährige.

Wertvolle Gerbstoffe straffen die Haut und stärken gleichzeitig das Bindegewebe. Die Vitamine A (Retinol) und E (Tocopherol) reparieren und begünstigen eine gesunde Zellteilung; damit wird der Hautalterung vorgebeugt.

Naturkosmetik aus 
den Bündner Bergen

Die streng geschützte Alpenblume wächst auf kalkigen, steinigen und bewachsenen Berghängen und Felsbändern, die vorwiegend nach Süden exponiert sind. Sie darf nicht wild gepflückt werden. Deshalb erfolgt der Anbau auf den Plantagen hoch über St. Moritz und beim Maiensäss ob Savognin. Die Edelweissblüten zur Herstellung der natürlichen Kosmetiklinie sowie von Bergtee und Edelweiss-Schnaps werden aus Wildsamen gezüchtet.

«Im Sommer 2011 haben wir erstmals rund 40 Kilogramm Edelweiss aus der eigenen Plantage geerntet. Während Trockenperioden werden die Pflanzen gegossen. Ab und zu erhalten sie etwas Kalkdünger. Kürzlich mussten wir Löwenzahn jäten», erklärt Astrid Thurner.

Anfang Juli werden die Blumen von Hand geschnitten. Frisch geerntet werden rund 150 kg Edelweiss pro Jahr während mehrerer Tage bei Thurners getrocknet. Die Köpfchen und einige Zentimeter vom Stängel werden in Fässern mit Glyzerin eingelegt und feucht gehalten.

Von Lippenbalsam bis Massageöl

Die Wirkstoffe werden abfiltriert und der gewonnene Edelweissextrakt in verschiedene Grundemulsionen verarbeitet. In der Drogaria Surses rührt Lehrtochter Giannina Savoldelli sorgfältig die weiss glänzende Masse. Je nach Produkt werden Öle beigemischt.

Während des Abfüllens der Crème in Flaschen sagt die angehende Drogistin im vierten Lehrjahr: «Mir gefällt es, solch wertvolle Naturprodukte herzustellen» und zeigt auf die hübsch präsentierten Edelweissprodukte wie Gesichts-, Körper- und Handcrèmen, Lippenbalsam, Kälteschutzcrème, Massageöl sowie Dusch- und Badegel.

Ein Familienbetrieb 
in zweiter Generation

Im Sortiment sind auch Bergtee und Edelweissschnaps frei von Konservierungsstoffen und Emulgatoren. «Dank der Produktion von Edelweisskosmetik können das ganze Jahr in der Drogerie Mitarbeiter beschäftigt und Lernende ausgebildet werden», sagt Astrid Thurner erfreut.

Die ausgebildete Drogistin hatte schon immer Freude an Natur- und Heilpflanzen. «Mein verstorbener Mann war leidenschaftlicher Fischer, und während er seinem Hobby frönte, ging ich mit den Kindern auf unser Maiensäss und begann mich intensiv mit Blumen zu befassen und sie zu fotografieren», erinnert sich Astrid Thurner.

Edelweiss-Idee kam schon früh

An der Berufsschule in Chur hat sie «Kosmetik» unterrichtet und war auf dem neusten Stand, kannte den Aufbau der Kosmetikprodukte und wusste beispielsweise, was in einer Fusscrème enthalten ist. Schon damals hatte sie Ideen, etwas mit dem Edelweiss zu machen.

Aber nach dem frühen Tod ihres Mannes war sie durch die beiden Kinder und die Drogerie stark beansprucht. Nach der Übernahme des Geschäfts von Sohn Patrick Thurner schloss sie die Ausbildung als Homöopathin ab. Einen Tag pro Woche arbeitet sie weiterhin in der Drogerie und stellt neben Edelweisskosmetik auch den Savogniner Kirschenlikör «Röteli» her.

Allgegenwärtige Alpenblume

In Büchern und auf Bildern ist das Edelweiss auch in ihrem Haus allgegenwärtig. Die Wiege ihrer jüngsten Enkelin Malea hat ihr Lebenspartner mit einem geschnitzten Edelweiss verziert. Der Name Malea bedeutet auf Hawaiianisch und Indianisch «die Blume».

Regelmässig organisiert 
die Bündner Wanderleiterin botanische Exkursionen sowie Wander-und Kräuterreisen. Die üppige Vielfalt des duftenden Blütenmeers im Val d’Err ist einmalig. An der Farbenpracht der Feuer- und Paradieslilien, Türkenbund und Orchideen können sich die Naturfreunde kaum sattsehen.

Die aktive Frau engagiert sich zudem für den Alpenflora-Erlebnisweg auf Somtgant oberhalb von Savognin. «Zu meinem Flair gehört das Bestimmen der Unterarten, beispielsweise das bewimperte Mannsschild», betont die passionierte Pflanzenkundlerin. Neu kann der mit dem Nivea-Förderpreis ausgezeichnete Weg auch mit Kinderwagen und Rollstuhl befahren werden. Der Heilkräutergarten beim Regionalmuseum Surses in Savognin wird ebenfalls von Astrid Thurner betreut.

Zur Renaissance beigetragen

Die Kultpflanze symbolisiert eine gesunde Natur und bürgt für Qualität. Sie wird für verschiedenste Dinge eingesetzt und verehrt, sei es auf dem Logo von Schweiz Tourismus, aufgestickt auf Trachten oder fliegt als Edelweiss Air durch die Lüfte. Astrid Thurner freut sich über die steigende Nachfrage für natürliche Kosmetikprodukte. Die initiative Naturfreundin aus Savognin hat einiges zur Renaissance des Edelweisses in der Schweiz beigetragen.

Brigitte Meier

Die Edelweiss-Produkte von Astrid Thurner im Internet:  www.drogariasurses.ch