Wenn man versucht, die Standards der Tierschutzgesetzgebung verschiedener Länder zu vergleichen, steht man vor einem nahezu unüberschaubaren Wirrwarr unterschiedlicher Vorschriften. Ein schematischer Vergleich über alle Länder und Regionen hinweg ist schwierig - bis unmöglich.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Schweizer Tierschutzvorschriften in vielen Bereichen strenger und detaillierter sind als z.B. die Mindeststandards in den EU-Richtlinien. Und die EU-Richtlinien sind wiederum strenger als Richtlinien in Südamerika oder Asien.

Hinzu kommt, dass in der Schweiz deutlich mehr Bereiche geregelt werden als in vielen umliegenden Ländern. Das Spektrum reicht in der Schweiz von Ausbildungsanforderungen für Tierhalter, über Anforderungen an die Tierunterkunft (Platzbedarf, Einstreu, Lärm, Beleuchtung), die Haltung und Fütterung bis zur Schmerzausschaltung bei zootechnischen Eingriffen, dem Zutrittsrecht für Vollzug und Kontrolle und den Abmessungen von Unterständen bei der dauernden Haltung im Freien. In anderen Ländern werden teilweise nur die Tiertransporte geregelt - was in erster Linie historisch begründet und seuchenpolitisch motiviert ist.

Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Kurzfassung aus dem LID-Dossier zum Thema Tierwohl. Den vollständigen Artikel finden Sie im Dossier.

Tierschutzindex: Schweiz in der Top-Gruppe

Einen Überblick über das Tierschutzniveau weltweit, inklusive einiger Länder in der EU, zeigt der Tierschutzindex. Der Index stuft 50 Länder nach ihrer Tierschutzgesetzgebung und -politik ein. Die Länder werden anhand von 10 Indikatoren bewertet, die verschiedene Tierkategorien abdecken (Nutztiere, Tiere in Gefangenschaft, Haustiere, Zug- und Freizeittiere, Tiere, die in der wissenschaftlichen Forschung verwendet werden, Wildtiere). Jedes Land erhält für jeden Indikator eine Note von A (höchste Punktzahl) bis G (schlechteste Punktzahl) sowie eine Gesamtnote.

Die Schweiz schneidet, gemeinsam mit Österreich, England, Schweden, den Niederlanden und Dänemark mit einem B ab - die höchste erreichte Note. Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Polen folgen mit einem C. Sehr schlechten Tierschutz weisen Iran und Aserbaidschan auf, die in der Kategorie G gelandet sind. Aber nicht für alle Länder sind genügend Daten vorhanden.

Tierschutzgesetz in der EU

Die ersten EU-Vorschriften zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere stammen aus den 1970er-Jahren. Mit der Richtlinie über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere aus dem Jahr 1998 wurden allgemeine Schutznormen für Tiere (einschliesslich Fische, Reptilien und Amphibien) festgelegt, die zur Erzeugung von Nahrungsmitteln, Wolle, Häuten oder Fellen oder zu anderen landwirtschaftlichen Zwecken gezüchtet oder gehalten werden. Stetig wurde das Gesetz verbessert, aber obwohl es Mindestvorschriften gibt, die für alle Mitgliedsländer gelten, sind deren Anforderungen doch gering.

Das sieht auch die Bevölkerung so: In einer Eurobarometer-Umfrage, in der im Mai 2021 Europäerinnen und Europäer zu ihrer Einstellung zum Tierschutz befragt wurden, waren 82% der Befragten der Meinung, dass das Wohlergehen von Nutztieren besser geschützt werden sollte, als dies momentan der Fall ist.

Green Deal der EU beinhaltet Tierschutz-Anliegen

Im Rahmen des Europäischen Green Deals finden aktuelle Entwicklungen im europäischen Tierschutz statt. Kernelement des Deals ist die Strategie «Vom Hof auf den Tisch» («Farm to Fork»), mit welcher die EU vorhat, die Lebensmittelproduktion nachhaltiger zu gestalten. Das betrifft auch den Tierschutz. Ziel ist, das Wohlergehen der Tiere in landwirtschaftlicher Tierhaltung, sowie beim Transport und bei der Schlachtung zu steigern. Bis 2027 soll die Käfighaltung in der EU abgeschafft werden. Der Legislativvorschlag «End the Cage Age» wird im Rahmen der Strategie «Vom Hof auf den Tisch» behandelt. Das Europaparlament stimmte im Juni 2021 zu, einen entsprechenden Gesetzesvorschlag auszuarbeiten. Bis spätestens 2027 dürften dann weder Geflügel, noch Kaninchen in Käfigen gehalten werden. Abferkelbuchten und Kastenhaltung von Sauen sowie Einzelboxen für Kälber sollen auch verboten werden, dies mit einer schrittweisen Abschaffungsphase.

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Grosse Unterschiede bei Tiertransporten

Der Transport in Lastwagen ist nicht natürlich und deswegen ist es alles andere als ideal, wenn Tiere eng zusammengepfercht viele Stunden oder sogar tagelang im Lastwagen durch die Gegend gekarrt werden. In der Schweiz dürfen Tiere maximal 6 Stunden (Fahrtzeit) resp. 8 Stunden (Gesamttransportzeit) transportiert werden. In der EU dürfen Schweine bis zu 24 Stunden am Stück transportiert werden, solange sie Zugang zu Trinkwasser haben. Pferde müssen in derselben Zeit wenigstens alle 8 Stunden getränkt werden. Rinder, Schafe und Ziegen dürfen in der EU 14 Stunden am Stück transportiert werden, und dann - mit Unterbruch von einer Stunde Ruhezeit plus Tränke - weitere 14 Stunden Fahrt anhängen. Diese Transportabschnitte können beliebig oft wiederholt werden, wenn die Tiere dazwischen für 24 Stunden an einer zugelassenen Kontrollstelle entladen, gefüttert und getränkt werden. Vor allem Transporte in Drittländer z.B. in den Nahen Osten standen zuletzt massiv in der Kritik.

Transportbedingte Todesfälle sind nur die Spitze des Eisberges. In vielen Ländern werden Tiere mit Elektroschock ins Fahrzeug oder in den Schlachthof getrieben. Sie sind dann entsprechend gestresst und vielfach verletzt, wenn sie am Schlachthof eintreffen. Das wirkt sich auch auf die Fleischqualität aus: In der EU kann bei rund jedem vierten Schlachtschwein PSE nachgewiesen werden. PSE steht für "pale, soft, exudative" und bedeutet nichts anderes, als dass das Fleisch wegen der Ausschüttung von Stresshormonen bleich, weich und wässrig geworden ist. Um die Praktiken beizubehalten, ohne die Auswirkungen dafür in Kauf zu nehmen, werden den Tieren in vielen Ländern Beruhigungsmittel verabreicht.

Gemäss Angaben des EU-Parlaments werden jährlich folgende Anzahl Tiere mehr als 8 Stunden innerhalb der EU transportiert:

  • 4 Millionen Rinder
  • 28 Millionen Schweine
  • 4 Millionen Schafe
  • 243 Millionen Geflügel
  • 150.000 Pferde

2019 waren 95% der Tiere, die international über eine Grenze transportiert wurden, Hühner. Rinder machten bloss 1% aus. Die EU ist mit fast 80% Anteil der weltweit grösste Exporteur von lebenden Tieren. Der Hauptgrund für die Tiertransporte ist die Spezialisierung von Ländern auf ein bestimmtes, tierisches Nahrungsmittel, das dann exportiert wird. Beispielsweise ist Dänemark der weltweit grösste Exporteur von Schweinen. Die meisten werden mit 3 Monaten bereits transportiert, beispielsweise nach Polen, wo die Schlachtkosten tiefer sind, wohin im Jahr 2017 über 6 Millionen Schweine exportiert wurden. Selbst bei kürzestem Weg bedeutet das für die jungen Tiere, dass sie mindestens 6 Stunden im Lastwagen stecken.

2019 hat das EU-Parlament allerdings einen besseren Schutz beim Transport von Tieren innerhalb und ausserhalb der EU angefordert. Im April 2021 konstatierte der Untersuchungsausschuss im Zusammenhang mit dem Schutz von Tieren beim Transport (ANIT), dass das Versagen bei der Durchsetzung der aktuellen Regeln für das Wohlergehen von Tieren beim Transport inakzeptabel sei. Im Dezember legte der Ausschuss seine Forderungen vor: Dazu gehören unter anderem strengere Regeln beim Export in Nicht-EU-Länder, ein Verbot von Tiertransporten von Tieren die jünger als 35 Tage sind sowie Transportzeiteinschränkungen. Noch im Januar 2022 soll das EU-Parlament die Forderungen behandeln.

Nur in der Schweiz Höchstbestände

Vier wichtige Unterschiede zur Tierschutzgesetzgebung zur EU lassen sich wie folgt zusammenfassen (einzelne EU-Länder können jedoch strengere Vorschriften erlassen):

  1. Während die CH-Tierschutzgesetzgebung zu allen Nutztieren detaillierte Vorschriften und Mindestmasse vorgibt, geben EU-Richtlinien nur verbindliche Regeln für die Haltung von Legehennen, Schweinen, Kälbern und Hühnern vor. Kühe, Truten, Straussen und andere Geflügelarten sowie Ziegen und Schafe haben in der EU keinen gesetzlichen Schutz.
  2. Die EU schreibt keinen TÜV für serienmässig hergestellte und verkaufte Haltungssysteme und Stalleinrichtungen vor. In der Schweiz müssen diese auf Tierschutzkonformität und Praxistauglichkeit geprüft und bewilligt werden, was den Tieren (aber auch den Tierhaltern) zugutekommt.
  3. In der Schweiz sind die allermeisten schmerzhaften Eingriffe verboten, das Schnabel- und Schwanz-Coupieren oder das Herausbrechen von Zähnen bei Ferkeln ist in der EU jedoch zulässig. Ferkel dürfen seit Anfang 2021 in Deutschland nur noch unter Narkose kastriert werden, während in der Schweiz dieses Gesetz schon seit 2010 gilt.
  4. Während in der EU Tiertransporte nicht beschränkt sind dürfen in der Schweiz Tiere maximal 6 Stunden transportiert werden.
  5. Bestandesobergrenzen bei Nutztieren gibt es nur in der Schweiz.

Hinweis: Der Schweizer Bauernverband hat in seinem Fokus-Magazin Detailvergleiche zwischen der Schweiz und verschiedenen Ländern aufgeführt. Ausserdem wurde 2018 im Auftrag der Qualitätsstrategie Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft von Agridea eine Vergleichsstudie mit Fleischimportländern erstellt.