Kurz & bündig

  • Twint rentiert: Jeder dritte Kunde bezahlt mit Twint – meistens einen Betrag über 20 Franken.
  • Das Verkaufs-Häuschen kostete nur 2500 Franken (inkl. Innenausstattung und zwei Kühler)
  • Die Fleischpreise sind vergleichbar mit den Preisen in Metzgereien.
  • Hans-Peter Steffen und Doris Bigler rechnen mit 15'000 Franken Jahresumsatz.

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Im unbedienten Hofladen nimmt der Kunde sein Smartphone hervor und scannt den QR-Code. Dann gibt er den Totalbetrag für seine Einkäufe ein und bestätigt die Zahlung. Das Geld wird automatisch auf das Konto des Hofladens überwiesen.

«So einfach muss das Bezahlen in unserem unbedienten Hofladen sein», sagten sich der Landwirt Hans-Peter Steffen und seine Partnerin Doris Bigler, als sie im April 2019 ihr Direktvermarktungs-Häuschen in Zell LU aufbauten. Sie setzten auf Twint als Bezahlungsmittel. Twint ist eine Smartphone-App für bargeldloses Zahlen, hinter der die Postfinance, Grossbanken und einige Kantonalbanken stehen.

Ganz aus Holz gebaut, fällt das Direktvermarktungs-Häuschen sofort auf. Es steht eingangs Zell LU an der stark befahrenen Hauptstrasse. «Wir haben grosses Glück, dass wir das Häuschen an diesem Standort aufstellen konnten», erklärt Landwirt Hans-Peter Steffen. Sein Betrieb liegt nicht weit entfernt, aber an einer ungünstigen Lage für Direktvermarkung.

Das Direktvermarktungs-Häuschen steht auf dem Grundstück der Gärtnerei Kurmann. «Bei den Inhabern der Gärtnerei fanden wir sofort Gehör, als wir für einen Standort anfragten», sagt der Landwirt. Steffen und die Gärtnerei erhoffen sich eine Win-Win-Situation. Gärtnerei-Kunden kaufen idealerweise auch bei Steffen ein – und umgekehrt.

«Im Durchschnitt haben wir zehn Kunden pro Tag», weiss Steffen. «Wir haben mit der Gärtnerei keinen Mietzins vereinbart. Dafür laden wir die Besitzer einmal pro Jahr zu einem feinen Essen ein», ergänzt er. Beim Strom werde aber mit einem Stromzähler sauber abgerechnet, sagt Steffen, «das ist notwendig wegen den Kühlern».

Das Direktvermarktung-Häuschen ist ein Paar-Projekt

Vom ersten Gedanken bis zur Eröffnung des Direktvermarktungs-Häuschens dauerte es keine sechs Monate. Dabei war ein eigenes Häuschen erst gar nicht vorgesehen. «In Zell gibt es diverse leer stehende Lokale, die würden sich als Verkaufsladen eignen».

Aber die Suche nach Partnern, die mithelfen, den Karren zu ziehen, gestaltete sich schwierig. «Jetzt verkaufen wir ausschliesslich unsere eigenen Produkte», sagt Steffen, «und wir sind sehr zufrieden, wie der Direktverkauf gestartet ist».

Hans-Peter Steffen ist nicht alleine. Seine Partnerin Doris Bigler ist mit vielen Ideen mit dabei, mit Fleiss und Engagement. «Ich lebe zwar nicht auf dem Betrieb, möchte mich aber trotzdem einbringen», sagt Bigler.

Doris Bigler ergänzt die Fleisch-Spezialitäten und Eier von Steffens Betrieb mit diversen Trockenfrüchten, mit Nidle-Täfeli, Likören, Salben und Geschenkartikeln.

Das feine Wasserbüffel-Fleisch verkauft sich mit Twint besser

«Es ist mir wichtig, dass sämtliche Produkte vom Betrieb sinnvoll verwertet werden, so auch das Hochstamm-Obst», sagt Doris Bigler. «Die Direktvermarktung ist unser gemeinsames Projekt, auf das wir stolz sind», ergänzt Hans-Peter Steffen. Der Landwirt, der zusätzlich im Tierhandel 
tätig ist, investiert auch aus anderen Gründen in die Direktvermarktung: «Ein Käufer sprang kurzfristig von einem Handel mit Wasserbüffel-Kälbern ab.»

Das Fleisch der Wasserbüffel ist mager und zart. Es hat einen fein nussigen Geschmack, ist dunkler als Rindfleisch und schmeckt wild-aromatisch. Trotzdem haben die Fleisch-Vermarkter kein Interesse daran. «Ich sehe die Direktvermarktung als einzige Möglichkeit, dieses Fleisch an die Leute zu bringen», sagt Steffen.

Schon jeder dritte Kunde bezahlt bargeldlos mit der Twint-App

Für die Preisbildung erkundigten sich die beiden in anderen Läden und vor allem in Metzgereien. «Beim Fleisch haben wir vergleichbare Preise wie in Metzgereien», erklärt Steffen.

Die Kunden zahlen im Direktvermarktungs-Häuschen von Hans-Peter Steffen und Doris Bigler mit Bargeld oder Twint. Dieses Zahlungssystem wurde 2017 schweizweit eingeführt und kann auf iPhones und Android-Smartphones kostenlos als App installiert werden.

Für unbediente Hofläden wie jenen von Hans-Peter Steffen und Doris Bigler bietet Twint einen QR-Code an, der an der Kasse gut sichtbar platziert wird. Die Kunden scannen diesen QR-Code, geben auf ihrem Smartphone den Totalbetrag für ihre Einkäufe ein und bestätigen die Zahlung. Das Geld wird automatisch auf das Konto des Hofladens überwiesen.

Hans-Peter Steffen und Doris Bigler sind erstaunt, wie viele Menschen mit dem Smartphone und damit mit Twint bezahlen. «Etwa ein Drittel der Kundschaft bezahlt mit Twint», weiss Bigler. Es seien meist die die grösseren Einkäufe mit einem Betrag von mehr als 20 Franken, die bargeldlos bezahlt werden.

Die Direktvermarktung ist 
kein Haupt-Betriebszweig

Mit so viel Fleisch und Käse liegt ein grosser Warenwert im Direktvermarktungs-Häuschen. An der Türe und an der Kasse wird darauf hingewiesen, dass eine Kamera den Verkaufs-Raum überwacht. Bis jetzt ist nichts gestohlen worden.

Steffen ist realistisch, was die Direktvermarktung anbelangt. «Es ist schwierig abzuschätzen, aber ich rechne mit einem Umsatz von etwa 15 00 Franken pro Jahr», sagt er. Die Direktvermarktung ist für ihn ein weiterer Betriebszweig.

Zurzeit machen Steffen und Bigler den grössten Umsatz in der Direktvermarktung mit den Fleisch-Spezialitäten der Wasserbüffel und Wollschweine. Um die Transportwege kurz zu halten, werden sämtliche Tiere im Nachbardorf geschlachtet. Weitere Fleisch-Spezialitäten wie Truthahn und Gänse sind im Aufbau.

«Ein Haupt-Betriebszweig, wie die Freiland-Pouletmast und die Kälbermast, wird es wohl nie werden», sagt er. «Aber es macht uns beiden Spass, wir erwirtschaften ein Zusatzeinkommen und es kommt bei den Kunden an.»

Das Häuschen kostete im Eigenbau vier Mal weniger als fix-fertig

Die Investitionen konnten die beiden sehr niedrig halten. «Ein fix-fertiges Häuschen kostet 5000 bis 10'000 Franken», weiss Steffen und schüttelt den Kopf, «das kam für uns nicht in Frage». In Eigenregie und mit Hilfe seines Sohnes baute er kurzerhand ein eigenes Direktvermarktungs-Häuschen.

«Ich wollte, dass es zwei Fenster und eine Türe hat», sagt Doris Bigler und lacht. Die Gestaltung im Innern überliess der Landwirt nur zu gerne seiner Partnerin. «Es sollte alles aus Holz sein», sagt Doris Bigler. Sie kaufte die Möbel in der Brockenstube und schon nach einigen Tagen Schleifen und Malen war die Innenausstattung fertig.

Für das Fleisch und den Käse kauften sie einen Kühler neu, den anderen als Occasion. Steffen schätzt sämtliche Materialkosten für das Häuschen, die Innenausstattung und die Kühler auf 2500 Franken.

Auf den Verkauf von Likören werden sie verzichten. «Dazu bräuchten wir eine Kleinhandels-Bewilligung, die über 500 Franken im Jahr kostet». Und alkoholische Getränke müssten wegen dem Jugendschutz «unter Verschluss» sein. «Für die paar Flaschen ist uns der Aufwand und die Kosten einfach zu hoch», erklärt Doris Bigler.

Direktverkauf mit einer Website und Strassenschildern bewerben

Das Ziel von Hans-Peter Steffen und Doris Bigler ist es, ihre Direktvermarktung bekannter zu machen. Dafür soll es bald eine Website geben. Und wie schon jetzt, gibt es Beiträge auf der Facebook-Seite «Hampi Steffen» von Hans-Peter Steffen.

«Im Verkaufs-Häuschen wollen wir die Produkte noch besser beschreiben, auch mit Fotos von den Tieren.» Auf Zeitungsinserate verzichten sie. «Das Schild am Strassenrand ist bestimmt effektiver und kostet uns nichts», ist Steffen überzeugt.

 

Betriebsspiegel «Hinterberg»

Hans-Peter Steffen, Zell LU

LN: 22 ha (z. T. Bergzone 1)

Betriebszweige: Milchvieh mit Kälbermast, Freiland-Pouletmast, Direktvermarktung

Tierbestand: 25 Milchkühe, Kälber und Nachzucht, 4000 Poulemast-Plätze, 10 Wasserbüffel, 5 Wollschweine, 15 Truthähne, Schafe, und Ziegen, Gänse.

Kulturen: Silomais

Arbeitskräfte: Hans-Peter Steffen, Vater Paul Steffen, Doris Bigler (Direktvermarktung)