Wir bewirtschaften die Alp Bregalga auf 2074 m ü. M. im bündnerischen Avers. Am 27. Juni wurde die Alp mit 56 Kühen bestossen. Der Alpabzug war heuer am 16. September. Daneben kümmern wir uns um 25 Schweine und fünf Hühner. Unser Team bestand aus drei Erwachsenen und zeitweise einem Kind.

Unser Alltag war ein Milchkuh-Alpalltag: Melken, Stall putzen, Käsen, Buttern, Kühe auf die Weide bringen, Kühe von der Weide holen, Schmieren, Polieren, Kulturen impfen, Käseschwänze verfüttern, Bretter waschen – um nur einige unserer Tätigkeiten zu nennen. Nebst den alltäglichen Aufgaben gab es, wie überall, das Unvorhersehbare, das Aufmerksamkeit und Pflege bedarf.

Als Letzte schaut man zurück

Honigfarbenes Licht, rötliche Weiden, schwere Beine und Arme, sich leerende Käsekessi, violette Erikas, runde Galtkühe und stockdunkle Nächte – der Frühherbst ist da, und somit zeichnet sich auch das Ende der Alpzeit ab.

Bündner Alperlebnisse  

Im Blog des Bündner ÄlplerInnen Vereins berichten Älplerinnen und Älpler in loser Folge von ihren Erlebnissen während des Alpsommers.

Ich bin nun die Letzte, die über den Alpsommer 2021 berichten darf – meine Vorschreiber(innen) haben schon viele wichtige Themen zu Papier gebracht. Es ist ein wenig so, als schaue ich in die leer gefressenen Weiden, und da gibt es nicht mehr viel zu holen. Als Letzte ist es somit naheliegend zurückzuschauen.

Denke ich an das, was war, sind die bewältigten Stromausfälle, Schimmelprobleme, Unwetterschäden und Überschwemmungen zu entfernten Bildern in meinem Kopf geworden. Das Bilderbuch in meinem Kopf wird allmählich zum Sommer 2021, mit all den Herausforderungen, dem Wunderbaren und der gemeinsamen Zeit.

Was ist mit dem Wort «gut» gemeint?

Diesen Sommer fragte ich mich oft: Was sind gute Älpler? Was heisst und ist dieses «gut» genau? Laut dem Duden meint «gut», den Ansprüchen genügen, von zufriedenstellender Qualität. Aber welchen Ansprüchen soll ich genügen? Den eigenen? Denen der Alpgenossenschaft? Denen der Bäuerinnen und Bauern? Denen der Touristinnen und Touristen? Der Familie, die zu Besuch ist? Denen der Mitälpler(innen)?

Wer hat hier welche Ansprüche und Erwartungen? Zum Beispiel: Nach der Alpkäseprämierung hängt dem Team eine Goldmedaille um den Hals. Alles klopft sich auf die Schultern und ist stolz. So wird doch glatt die Hütte ungeputzt zurückgelassen, und es gibt noch eine Zankerei mit den Bauern.

Oder ein Team, das nach bestem Wissen und Gewissen arbeitet. Doch da ist diese Dichtung, in der sich die anderen Bakterien, die durch ein kleines Leck einen Eingang gefunden haben, durchzusetzen, und der Käse will deshalb einfach nicht richtig säuern. Die Bauern meinen, der Käse sei schon gut, aber irgendwie tun sie es nicht ganz überzeugt. Dem Alpteam rauchen schon bald die Köpfe, wegen der möglichen Spekulationen, ob es denn an ihnen liege. Oder eben vielleicht doch an etwas anderem, und was dies denn sein könnte? Bis zum Ende des Sommers ist das Problem nicht behoben, und im nächsten Sommer kommt ein neues Team.

Viel Likes in den Sozialen Medien statt gute Milch

Soziale Medien, unzählige Likes für Kuhfotos, Muskeln im Käsekeller, Sonnenaufgänge und Kuhreihen. An diesen Bildern erfreuen sich Menschen aus nah und fern. Was sie aber nicht sehen – dahinter kämpft das Alpteam mit schlechter Milchqualität, denn vor lauter Schnappschüsse jagen hängen die Aggregate zu lange.

Es gibt da anscheinend viele verschiedene Ansprüche, Sichtweisen und Schwerpunkte:Wo Prioritäten und welche gesetzt werden. Wer was aus welcher Position und mit welcher Perspektive betrachtet und schlussendlich beurteilt sowie als gut oder schlecht definiert. Unterschiedliche Ansprüche und Perspektiven vermischen sich, stehen sich manchmal gegenseitig im Weg, beissen oder ergänzen sich.

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Über die vergangene Alpsaison sinnieren

Bei der Arbeit im Stall, während des Staubsaugens oder bei der Käsepflege gibt es manchmal etwas Raum, um zu sinnieren. Vielleicht hilft einem die Frage, was denn eine gute Älplerin oder einen guten Alpmeister jetzt ausmache? Vielleicht realisiert man als Alpmeisterin auch, dass man gutes Personal hatte. Und man das ja auch einmal sagen könnte, weil es ja schon «schampar guet» wäre, wenn die Älpler(innen) wieder kommen würden. Auf der anderen Seite zerbrechen die sich den Kopf, über das, was sie denn nicht gut gemacht hätten, denn sie haben nie etwas vom Alpmeister gehört.

Dranbleiben, entspanntes Panikmanagement, tun, was getan werden muss, den Humor nicht verlieren, kommunizieren, Hilfsbereitschaft, gemeinsam an einem Strang ziehen, sich Mühe geben, damit es gut kommt. – All das sollte eine gute Älplerin und ein guter Älpler können. In diesem Sinne wünsche ich allen einen guten Herbst und Winter.