«Vamos Argentina de mi Corazon!» Die Stimme des Fernseh-Kommentators überschlägt sich mit Anfeuerungs-Rufen wie diesem, der frei übersetzt «Vorwärts, Argentinien meines Herzens» bedeutet. Gefühlt ist ganz Argentinien im WM-Fieber.

Freudentaumel und Verbundenheit

Es fing ganz langsam an, unbemerkt. Klar, die erste Partie verlor die argentinische Selektion, angeführt von Messi, aber spätestens nach dem Spiel gegen die Niederlande überströmte eine Welle der Ausgelassenheit und Verbundenheit die ganze Nation, ob in der Stadt oder auf dem Lande.

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Nach jedem Sieg füllten sich die während des Spiels leergefegten Strassen mit hellblau-weiss gekleideten, Fahnen schwingenden, hüpfenden, singenden Menschenmassen. Keine Aggression – nur Freudentaumel und Verbundenheit. Sehr berührend, dies mitzuerleben und sogar Teil davon zu sein. Mehrere argentinische Freunde luden uns zum Feiern ein, denn wir seien Teil Argentiniens. Mehr Gastfreundschaft geht nicht. 

Ein Dorf feiert bis in die Morgenstunden

Argentinien ist es gewohnt, zu leiden und so litt das Volk während des WM-Finals, der, einem Thriller gleich, die Emotionen auf eine Achterbahn schickte. In der ersten Halbzeit hoch jubelnd, dann in der zweiten zu Tode betrübt, um anschliessend nach dem gewonnenen Penalty-Schiessen in Jubel und Tränen gleichzeitig auszubrechen.

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Bei uns in Tornquist, einem Dorf mit etwas über 10'000 Einwohnern liefen Tausende auf die Strasse, hüpften im gemeinsamen Gesang und feierten bis in die Morgenstunden. Überall das gleiche Bild, in unterschiedlichen Dimensionen. Der freudige Auflauf in Buenos Aires war so gross, dass der angekündigte Besuch aus der Schweiz vertagt werden musste, da der Verkehr komplett erlag. 

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt

Berührend war auch, dass viele von unseren Schweizer Bekannten die Freude über die sozialen Medien mit uns teilten und mit uns fühlten. Der verbindende, herzliche Funke Argentiniens kennt keine Grenzen.

Doch so sehr die Emotionen auch hochwallten, so tief fielen sie wieder einen Tag später, als mir ein Argentinier ernüchtert bekundet, dass der WM-Titel zwar eine schöne Sensation ist, aber die argentinische Realität mit hoher Inflation, Korruption und der schlechtesten Regierung der Welt wie ein Kübel kaltes Wasser sei.

Wie typisch für Argentinien: himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, aber immer aus ganzem Herzen.