Wer Visionen hat, der solle besser zum Arzt gehen, sagte einmal der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt. Damit hat er wohl gar nicht so unrecht, das stellt man auch in der Landwirtschaft immer wieder fest. Wir haben natürlich keinerlei Visionen, sondern versuchen nur ein wenig Kaffeesatz zu lesen. Hier die Prognose für die kommenden 12 Monate.

Januar

Das Jahr fängt etwas langweilig an, keine Swiss Expo und ein um sich greifender Corona-Kater. Als Ersatz empfiehlt das bäuerliche Sorgentelefon: Ein jeder Züchter kann eine kleine Miss des Herzens oder sogar mehrere erkören und diesen Erfolg am Abend im Familienkreis mit einem Fläschchen aus heimischen Rebbergen begiessen. Und das alles ohne Styling und lange Zwischenmelkzeiten. «Ein Hoch auf die Heimviehschau», so die Organisation zu ihrem Vorschlag.

Februar

Weil die Tier&Technik abgesagt ist, boomt der Versandhandel mit St. Galler Würsten. «Nicht ohne meinen Schüblig», lautet der Slogan des lokalen Metzgereigewerbes, eine Kampagne, die in den sozialen Medien viel Aufsehen erregt. Für einiges an Gesprächsstoff sorgt namentlich das Senfverbot beim Verspeisen der verschickten Würste. Die Kontrolle sei aber kein Problem, sagt der Identitas-Direktor. Man gewähre Rückverfolgbarkeit bis zum Endverbraucher, sagt er im Interview.

März

Lancierung des Abstimmungskampfs für die Pflanzenschutz (PSM)-Initiativen. Es werden ein paar Dutzend Komitees gegründet und Frau Herren kauft sich für die heisse Phase ein rotes Mänteli. Das blaue soll im Agrarmuseum Burgrain ausgestellt werden, was zu Streitereien im Stiftungsrat führt. Der Nationalrat beisst sich in der Frühlingssession die Zähne aus an der Sistierung der Agrarpolitik, man beschliesst dem Ständerat die alleinige Hoheit über die AP zu übertragen.

April

Der Aprilscherz wird auf den Oktober verschoben, weil wir grad in die 5. Welle schlittern. Der Hofladen-Einkaufstourismus zwischen den Kantonen wird zum heiss diskutierten Medienthema. 13 Kantone haben sie geschlossen, während die Hofläden in deren 10 geöffnet sind und 3 noch grad am Studieren sind, wie sie verfahren wollen. Alain Berset überlegt sich einen Wechsel ins Volkswirtschaftsdepartement. Zitat: «Mit den Bauern weiss man wenigstens an was man ist, ich will diese Gastrosuisse-Leute einfach nischt mehr in mein Bureau».

Mai

Sollte eigentlich alles neu machen, ist aber 2021 punkto Neuigkeitswert eher auf der bescheidenen Seite. Das Internet wird aus Anstandsgründen vom Bundesamt für Knigge vorübergehend stillgelegt, weil sich BauernZeitungs-Journalisten und Initiativbefürworter in den sozialen Netzwerken derart Saures geben. Im Übrigen geht auch in diesem Jahr 2 nach Corona Geburt die Sonne auf. Der Heuet fällt toll aus, die Spätfröste bleiben aus und die ersten Wagemutigen prognostizieren ein viertes gutes Jahr in Folge. Ausser auf dem Milchmarkt, wo gerade ein neuer Fonds gegründet wird, um die Butterimporte durch Abgaben auf Palmöl zu vergünstigen.

Juni

Hier muss man selbst als Nicht-Visionär nicht lange an den Fingern saugen: Am 13. Juni wird abgestimmt, und zwar über die beiden PSM-Initiativen. Es wird eine erbitterte Auseinandersetzung geben, zwei Wochen vor Abstimmungstermin sind 57 Prozent dafür und am Ende gibt’s zwei Nein. Oder halt dann wenigstens ein Ständemehr. Aber dazu wurden die Diskussionen zum Glück schon wegen der Konzernverantwortungs-Initiative geführt, deshalb gehen alle Initianten samt den PR-Beratern der Umweltverbände frühzeitig und frustriert in die Sommerferien. «Es stillet im Land», titel der Blick.    

Juli

Nach dem Nein zu den Initiativen breitet sich bei gewissen Agrarpolitik-Aktivisten grosse Leere aus, weil mehr als ein halbes Jahr keine landwirtschaftliche Abstimmung auf dem Programm steht. Diese Lücke überbrückt Armin Capaul mit dem Auftakt zur Unterschriftensammlung für seine zweite Hornkuh-Initiative. Auch Frau Herren ist bereits in den Startlöchern mit einer Initiative «Für saubere Menschen», wie durchsickert. Die Delegation des Abwassers an die öffentliche Hand mit ihren verheerenden Auswirkungen fürs Trinkwasser soll beendet werden. Gefordert wird im neuen Begehren individuelle Abwasserverwertung für jeden Haushalt. Nach ihrer Niederlage streckt sie den Bauern die Hand aus: «Die Landwirtschaft hat schon viel Erfahrung mit Kreislaufwirtschaft, davon sollten wir profitieren», so Herren in einem Interview.

August

Die BauernZeitung kann exklusiv vermelden, dass die Swiss Expo neue Pläne hat für ihre nächste Durchführung. Die Viehausstellung soll wie das WEF nach Singapur verlegt werden. Geplant ist laut Insidern eine Nutzung derselben Veranstaltungsräume im Zentrum der asiatischen Metropole. Es gebe hier zahlreiche Synergieeffekte, sagte WEF-Chef Schwab auf Anfrage. Die Besucher aus der Schweiz könnten gleich zwei hochkarätige Anlässe auf einmal mitnehmen, so Schwab. Zudem sei es für die Manager wichtig, dass neben den hochtrabenden Diskussionen endlich auch einmal etwas Handfestes zu sehen sei am WEF.  

September

Nachdem SBV-Präsident Markus Ritter vor einigen Monaten in der NZZ von den 1000 Bernern berichtet hat, die jede Woche für ihn beten, wollen nun auch die Umweltverbände Unterstützung von oben. Sie suchen laut einem Bericht des christlichen Informationsdiensts Support von linksgrünen Freikirchlern. Allerdings tut man sich offenbar schwer. «Die Tonalität in den letzten Kampagnen der Verbände war derart unchristlich, da wird beten fast unmöglich», lässt sich ein anonymer Linksaussen-Evangelist zitieren.  

Oktober

Die Herbst-Viehschauen finden heuer ausschliesslich auf Tele-Bärn statt, da wir mitten in der 6. Welle stehen. Dafür hat der Sender in den Hallen der Bern Expo einen Viehschauplatz nachbauen lassen. Im Hintergrund wird auf einer Grossleinwand das jeweilige Dorfbild eingeblendet. Die Stimmung sei mittelprächtig, lässt sich ein Experte im Berner Lokalfernsehen zitieren, aber es sei besser als nichts.

November

Der Bundesrat erklärt anlässlich seiner 150. Medienkonferenz zum Thema Corona das offizielle Ende der Pandemie. Bundespräsident Guy Parmelin wollte dies unbedingt noch vor Ende seiner Amtszeit über Ort bringen, hört man in Bern. Der Jubel hält sich gerade auch in der Landwirtschaft in Grenzen. Zu gut lief es mit den Hofläden und der Einkaufstourismus war grad kurz vor dem Zusammenbruch. Und im Agrarpodcast fragt sich eine besorgte Ehrendame: «Müssen wir jetzt wieder Küsschen verteilen?»

Dezember

In der Wintersession wird die nächste Runde der Agrarpolitik auf 2042 verschoben. Der Ständerat begründet diese Massnahme mit dem Mangel an Handlungsdruck. Derweil baut man in Brugg am Hauptsitz des SBV an einem kleinen Denkmal für Peter Hegglin, Ruedi Noser und Werner Salzmann. Das Trio, welches im Stil der drei Eidgenossen verewigt werden soll, hat massgeblichen Anteil an der Langfrist-Sistierung der AP. Der BLW-Direktor Christian Hofer nimmt laut inoffiziellen Angaben aus seinem Amt ein halbjähriges Sabbatical in Neuseeland, um sich dort inspirieren zu lassen. Das Land verzichtet ja schon länger auf eine Agrarpolitik und es läuft blendend.