Kurz & bündig
- Im «Arbeitskreis vielseitige Betriebe Emmental» tauschen sich Landwirte seit 17 Jahren aus.
- Auch über Zahlen wird offen und ehrlich gesprochen.
- Ein respektvoller Umgang mit anderen Meinungen ist wichtig.
- Viele Landwirte haben Ideen aus dem Arbeitskreis auf ihren Betrieben konkret umgesetzt.
- Mindestens ein Anlass pro Jahr ist ein Event für die ganze Familie.
- Die meisten landwirtschaftlichen Zentren bieten Arbeitskreise an.

Am 6. September 2021 schien im Emmental die Sonne – ideale Bedingungen eigentlich, um nochmals zu emden. Anstatt sich dem Dürrfutter zu widmen, fanden sich an diesem Nachmittag aber zwölf Landwirte auf dem Betrieb Vorder Giebel, Bärau BE, von Beat Gerber ein. Sie treffen sich, um sich auszutauschen, etwas zu lernen und sich gegenseitig vorwärts zu bringen. Die Landwirte sind Mitglieder im Arbeitskreis «Vielseitige Betriebe Emmental», und heute geht es um ihre Erfahrungen mit alternativen Energien.

«Der Arbeitskreis erweitert meinen Horizont»

Daniel Blaser, Martin Blaser und Beat Neuenschwander sind Betriebsleiter und ebenfalls am Anlass präsent. Wenn immer möglich nehmen sie an den Veranstaltungen ihres Arbeitskreises teil, Heuwetter hin oder her. Eine gewisse Verbindlichkeit sei wichtig, sagt Daniel Blaser, der in Bärau zu Hause ist. Dazu trägt auch bei, dass die Kosten von 25 Franken pro Halbtag allen Mitgliedern des Arbeitskreises in Rechnung gestellt werden – egal, ob sie effektiv am Anlass teilnehmen oder nicht.

Die Kosten seien für ihn bisher nie ein Thema gewesen, sagt Martin Blaser, Meisterlandwirt aus Schüpbach. «Im Verhältnis zum Nutzen des Arbeitskreises fällt das absolut nicht ins Gewicht», so der Züchter, der nicht mit Daniel Blaser verwandt ist.

DossierJahresthema 2021«Hand in Hand» – die Serie zum Thema ZusammenarbeitMittwoch, 27. Januar 2021 Was ist dieser Nutzen genau, der die Landwirte dazu bringt, die Arbeit auf dem eigenen Betrieb stehen und liegen zu lassen und sich stattdessen zu treffen und auszutauschen? Beat Neuenschwander aus Ranflüh sagt dazu: «Der Arbeitskreis ist für mich eine Horizonterweiterung und eine gute Vorbeugung gegen Betriebsblindheit.»

Eine grosse Chance sei es, dass man die verschiedenen Stärken der Betriebsleiter kombinieren könne und so alle voneinander profitieren. Neuenschwander liefert auch gleich ein konkretes Beispiel: «Als wir bei Daniel Blaser auf dem Betrieb zu Besuch waren, habe ich gesehen, dass er selber Gartenplatten betoniert und damit einen Weide-Auftriebsweg für seine Kühe verlegt hat. Das fand ich eine sehr gute Idee, die ich dann in etwas abgeänderter Form für meinen Betrieb übernommen habe.»

Konkrete Ideen mitnehmen und einander die Zahlen offen legen

Und was hält Ideengeber Daniel Blaser davon? «Mich freut es sehr, dass Beat etwas Konkretes von meinem Betrieb bei sich zu Hause umsetzen konnte. Genau dazu ist der Arbeitskreis in meinen Augen schliesslich da», so der biologisch produzierende Daniel Blaser.

Ein befestigter Auftriebsweg für Kühe ist eine Sache. Doch wie sieht es mit der Offenheit im Arbeitskreis aus, wenn es ums grosse Geld, Wirtschaftlichkeit und Leistung geht? Diese Antwort kommt schnell und ist bei Martin Blaser, Daniel Blaser und Beat Neuenschwander die gleiche: Genau das sei ja letztendlich der Sinn des Arbeitskreises, monieren sie.

Im Arbeitskreis müssen und können sich Landwirte vertrauen

Über Geld reden sei daher ein Muss. Daniel Blaser erinnert sich: «Als wir die Vollkostenrechnung unserer Milchwirtschaft angeschaut haben, hatte jeder seine Buchhaltung bei sich. Die finanzielle Seite gehört zu jeder Diskussion, die wir führen. Da darf es kein Tabu geben.»

Martin Blaser fügt hinzu: «Wichtig ist, dass alles, was innerhalb des Arbeitskreises besprochen wird, auch innerhalb des Arbeitskreises bleibt. Wir müssen und können einander vertrauen», so der Meisterlandwirt aus Schüpbach.

Vertrauen ist die Basis, damit die Landwirte im Arbeitskreis offen miteinander reden und alle maximal profitieren können. Daher erstaunt es nicht, dass dieser Arbeitskreis auch nicht für alle einfach so offen ist.

Martin Reber, Moderator des Arbeitskreises und Berater am Inforama Bärau, erklärt: «Neu interessierte Mitglieder kommen in der Regel einmal vorbei, um etwas Arbeitskreis-Luft zu schnuppern. Damit eine Person definitiv in den Arbeitskreis aufgenommen wird, müssen zwingend alle bisherigen Mitglieder einverstanden sein.» Reber ergänzt, dass gemäss seinen Erfahrungen die ideale Grösse eines Arbeitskreises zwischen 10 und 15 Mitgliedern beträgt. Das letzte neu aufgenommene Mitglied im «Arbeitskreis Vielseitige Betriebe Emmental» war übrigens Martin Blaser aus Schüpbach.

Rege Diskussionen mit Respekt und Moderation

Zurück zum Arbeitskreis-Anlass auf dem Betrieb von Beat Gerber. Zu Beginn zeigte Gerber seine Biogas-Anlage den Mitgliedern des Arbeitskreises. Dass hier Vertrauen herrscht, war schnell spürbar. Gerber gab offen Auskunft über Baukosten, Arbeitsaufwand, Strompreise und erzielte Leistungen. Es wurde rege diskutiert und gerechnet.

Beim anschliessenden Erfahrungsaustausch rückten vermehrt die Photovoltaik-Anlagen, der Eigenverbrauch von Strom auf dem Betrieb oder die Energieholz-Produktion in den Fokus. Den roten Faden verloren die Landwirte – auch dank Unterstützung des Moderators – dabei nie.

Bei den Diskussionen über Sinn und Unsinn der alternativen Energien auf einem Landwirtschaftsbetrieb waren keineswegs immer alle gleicher Meinung. Auffallend war, dass das scheinbar niemanden gestört hat.

Für Martin Blaser, den 34-jährigen Meisterlandwirt, ist das selbstverständlich: «Es sagt nie jemand zum anderen, seine Ansicht sei kompletter Blödsinn. Darum geht es ja letztendlich im Arbeitskreis: Man hört andere Meinungen und Erfahrungen, diskutiert und kann sich so ein umfassenderes Bild machen. Schliesslich sind unsere Neigungen als Betriebsleiter auch alle sehr unterschiedlich. Ich habe beispielsweise eine Hochleistungs-Milchviehherde. Dennoch kann ich auch von Kollegen mit einer extensiven Strategie das eine oder andere lernen, das schliesst sich überhaupt nicht aus.»

Die Themen Anfang Jahr gemeinsam festlegen

Nach 17 Jahren Arbeitskreis ist es nicht ganz einfach, immer wieder neue Themen zu finden. Im Arbeitskreis «Vielseitige Betriebe Emmental» sind alle Teilnehmenden aufgefordert, Themenvorschläge zu bringen. Dann wird über die Vorschläge abgestimmt und das Programm für ein Jahr definiert. Es kommt auch vor, dass gewisse Themen mehr als einmal behandelt wurden. «Das macht nichts. Die Entwicklung geht ja auch immer weiter, und gerade im Bereich erneuerbare Energien hat sich in den letzten Jahren viel getan», erklärt Moderator Martin Reber.

Wichtig ist dem Moderator ebenfalls, dass die Landwirte jährlich ein persönliches Ziel und eines für den Betrieb definieren. «Das schafft eine gewisse Verbindlichkeit gegenüber den anderen Mitgliedern im Arbeitskreis, was natürlich auch anspornen kann, sein Ziel wirklich in die Tat umzusetzen. Man will ja den Kollegen beim nächsten Treffen nicht unbedingt sagen müssen, dass man sein Ziel noch nicht angepackt hat», sagt Reber.

Dem Moderator kommt in einem Arbeitskreis eine wichtige Rolle zu. Martin Reber weist zwar darauf hin, dass es durchaus auch Arbeitskreise gebe, welche von Landwirten in Eigenregie geführt würden. Jedoch ist es auch bei solchen Arbeitskreisen üblicherweise so, dass ein Landwirt in die Rolle des Moderators schlüpft und den Arbeitskreis koordiniert.

«Der Arbeitskreis ist eine Form der Zusammenarbeit»

Martin Reber hat die Erfahrung gemacht, dass das Programm eines Arbeitskreises nicht überladen sein darf. «Für uns haben sich fünf bis acht Anlässe pro Jahr bewährt», sagt er. Würden mehr Anlässe durchgeführt, so sinke die Anzahl der Teilnehmenden. Bei weniger Anlässen hingegen drohe der Schwung verloren zu gehen, was dann sogar dazu führen kann, dass der Arbeitskreis allmählich versandet und schlussendlich ganz aufgelöst wird.

Nach Auflösen sieht es beim Arbeitskreis «Vielseitige Betriebe Emmental» derzeit ganz und gar nicht aus. Das sagen nicht nur Martin Blaser, Daniel Blaser und Beat Neuenschwander.

Das zeigen auch die zwölf Landwirte, die bei schönem Wetter auf Beat Gerbers Betrieb gekommen sind, um sich auszutauschen und von den Erfahrungen der Kollegen zu profitieren.

Auch Martin Reber ist von Arbeitskreisen generell und dem Arbeitskreis «Vielseitige Betriebe Emmental» im Speziellen überzeugt. Auf die Frage, ob eigentlich aus dem Arbeitskreis irgendwelche Formen der Zusammenarbeit hervorgegangen seien, meint Reber: «Der Arbeitskreis ist bereits eine Form der Zusammenarbeit.»

Der Arbeitskreis «Vielseitige Betriebe Emmental»

Der Arbeitskreis «Vielseitige Betriebe Emmental» wurde im Jahr 2004 von Berater Ernst Flückiger ins Leben gerufen. Mit dabei sind 14 Betriebsleiter aus dem Emmental. Seit dem Jahr 2016 fungiert Martin Reber vom Inforama Bärau BE als Moderator des Arbeitskreises.

Jährlich finden zwischen fünf bis acht Anlässe statt. Das Inforama verrechnet pro Halbtag einen Unkostenbeitrag von Fr. 25.– für die Mitglieder des Arbeitskreises, unabhängig davon, ob die Teilnahme erfolgt oder nicht. Ebenfalls formulieren die Teilnehmenden jährlich konkrete Ziele für ihren Betrieb, welche den Kollegen mitgeteilt werden. Auch ein persönliches Ziel wird formuliert. Wenn neue Mitglieder aufgenommen werden möchten, müssen alle bisherigen Arbeitskreis-Mitglieder geschlossen hinter der Aufnahme stehen.

Im Arbeitskreis wird sehr offen diskutiert, nicht zuletzt auch über Geld. Wichtig ist dabei, dass alles, was im Arbeitskreis besprochen wird, vertraulich behandelt wird.

Mindestens ein Anlass pro Jahr wird als Event für die ganze Familie geplant und durchgeführt.

Hier folgt eine kleine Aufzählung, zu welchem Thema der Arbeitskreis bereits Anlässe durchgeführt hat:
- Mistkompostierung
- Finanzierung mit Finanzhilfen
- Milchgehalt und Fütterung
- Wohnraum besser nutzen
- Hofübergabe
- Wiesenerneuerung
- Mortellaro-Krankheit

Wer an sich in einem Arbeitskreis engagieren möchte, kann sich gerne bei der jeweiligen kantonalen landwirtschaftlichen Beratung melden.

Für das Inforama ist dies das Sekretariat am Inforama Emmental: Email: inforama.emmental(at)be.ch
Tel.: 031 636 42 60

Beat Neuenschwander (48), Ranflüh BE

Im Arbeitskreis seit: 2004
Tierbestand: 25 Milchkühe (Red Holstein und Fleckvieh), 25 Aufzucht
Fläche: 24,5 ha LN, 4,5 ha Wald [IMG 5] 

«Es ist gut und wertvoll, sich mit Berufskollegen zu vergleichen und auszutauschen. Mehrere Köpfe sind immer schlauer als nur einer.» 

 


 

Daniel Blaser (56), Bärau BE

Im Arbeitskreis seit: 2004
Tierbestand: 20 Milchkühe (Fleckvieh und Montbéliard), 20 Jungvieh
Fläche: 19,5 ha LN und 14,5 ha Wald [IMG 6] 

«Es gibt nichts besser als die Teilnahme an diesem Arbeitskreis, um der Betriebsblindheit vorzubeugen. Die Anlässe sind für mich eine Horizonterweiterung.»  

 

 


 

Martin Blaser (34), Schüpbach BE

Im Arbeitskreis seit: 2018
Tierbestand: 30 Milchkühe (Holstein und Red Holstein), 40 Aufzucht
Fläche: 40 ha LN plus 23 ha Wald [IMG 7] 

«Man braucht jemanden, der die Organisation übernimmt plus zehn offene Bauern, die andere Meinungen akzeptieren können.» 

 

 


 

Martin Reber (42), Langnau im Emmental
Im Arbeitskreis seit: 2016
Rolle: Moderator [IMG 8]

«Ich bin überzeugt, dass ein Arbeitskreis eine der besten Weiterbildungen für Landwirte ist. Aufwand und Ertrag stimmen bei diesem Austausch auf Augenhöhe bestens überein.»