Um sich ein Bild der effektiven Betriebsabläufe in den Bereichen Lammfleisch, Milchproduktion sowie Getreide zu machen, besuchte die Schweizer Landwirtschaftsdelegation verschiedene landwirtschaftliche Betriebe sowie den Milchverarbeitungsbetrieb Long Clawson Dairy und diskutierte mit den lokalen Landwirtinnen und Landwirten sowie den Vertretern des dortigen Bauernverbands intensiv über die jeweiligen Produktionssysteme, Margen sowie den Umgang mit den volatilen Märkten.

Britische Konsumenten tun nicht, was sie sagen

«Wir würden gerne glauben, dass wir für die britischen Konsumentinnen und Konsumenten die Nummer eins unter den Nahrungsmittellieferanten sind – allerdings spüren wir insbesondere am Ladentisch leider je länger je weniger etwas davon», erklärt Gail Soutar, die beim NFU für Wirtschaft und internationale Angelegenheiten zuständig ist.

So würden die britischen Konsumentinnen und Konsumenten in Umfragen jeweils angeben, dass sie bereit wären, mehr für ihre Lebensmittel zu bezahlen, wenn diese beispielsweise höhere Tierschutz- oder Umweltstandards erfüllten oder aus biologischem Anbau stammten. «Die Realität sieht jedoch so aus, dass sie beim Einkaufen überhaupt nicht darauf achten, und das ist für viele Landwirte sehr frustrierend», meint Gail Soutar weiter.

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Schweizer erhalten Mehrwert – Briten nicht

Da sei tatsächlich ein grosser Unterschied zur Schweiz zu beobachten, bestätigt SBV-Vizepräsident Fritz Glauser. Für die Labelproduktion, das Erfüllen von nachhaltigen Standards und sonstigen ökologischen Programmen erreiche die Landwirtinnen und Landwirte in der Schweiz immerhin ein Teil des gelösten Mehrwerts aus diesen Produkten.

«Es ist nicht immer gleich viel und man kann sich darüber streiten, ob es genug ist – aber die Schweizer Landwirtinnen und Landwirte bekommen etwas für ihre Mehrarbeit», erklärt Fritz Glauser. In den Gesprächen sei aber herausgekommen, dass die britischen Kollegen für nachhaltige Programme keinen Mehrwert bekommen würden und dass die Grossverteiler und ferner die Konsumentinnen und Konsumenten den Preis bestimmen würden – egal wie produziert werde.

«Und solange die Leistungen für mehr Tierwohl oder nachhaltigere Bewirtschaftungsformen nicht abgegolten werden, ist es auch verständlich, dass die Landwirtinnen und Landwirte kaum motiviert sind, in diesem Bereich zusätzlichen Effort zu leisten», meint Fritz Glauser.

Bessere Auslobung als Chance

«Wir sind tatsächlich sehr stark darin, Mehrwerte zu verkaufen – Qualitätsprodukte zu produzieren und dann auch für einen entsprechend höheren Preis zu verkaufen», sagt Michael Feitknecht von der Fenaco. Diese Eigenschaft fehle den Briten, bestätigt auch Beat Röösli vom SBV. «Allerdings glaube ich nicht, dass das nicht möglich wäre und sich Produkte mit höheren Standards und Qualitätsanforderungen zum Beispiel mithilfe von Labels nicht teurer verkaufen liessen», meint Beat Röösli weiter. «Da könnten sie sich durchaus noch entwickeln und hätten mit entsprechenden Auslobungen dann auch im Export noch mehr Chancen», ist er überzeugt.

Das zeige auch das Beispiel des englischen Blauschimmelkäses Blue Stilton, meint Stephan Hagenbuch von den Schweizer Milchproduzenten. Als einer der wenigen AOP-Käse im britischen Raum, sei der Stilton-Käse genauso ein Qualitätsprodukt, das erfolgreich nach Europa exportiert wurde. Allerdings habe sich nach dem Brexit die Situation in dieser Hinsicht natürlich extrem verschärft: «Entsprechend würden sie natürlich noch so gerne Deals mit der Schweiz abschliessen, um Käse und andere Produkte zu importieren.»

Schweizer Landwirtschaftsdelegation auf UK-Besuch
Die Schweizer Delegation bestehend aus Michael Feitknecht von der Fenaco, Christophe Eggenschwiler von IP-Suisse, Heinrich Bucher von der Proviande, Fritz Glauser vom Schweizerischen Getreideproduzentenverband und SBV-Vizepräsident, Stephan Hagenbuch von den Schweizer Milchproduzenten und Beat Röösli vom SBV informierte sich auf dem von der UK-Botschaft in Bern organisierten Besuch bei den britischen Bauern über Markt, Politik und Praxis auf dem Feld. Neben Treffen mit Vertretern des Department for Environment, Food and Rural Affairs (Ministerium für Umwelt, Ernährung und Angelegenheiten des ländlichen Raums) sowie Vertretern des Department for International Trade (Ministerium für internationalen Handel) standen auch Hofbesuche und ein Besuch des National Institute of Agricultural Botany NIAB (Nationales Institut für landwirtschaftliche Botanik) auf dem Programm.
Im Zentrum des Swiss-UK Agricultural Exchange steht der Aufbau von Kontakten und Beziehungen mit der National Farmers Union (NFU) und dem Schweizer Landwirtschaftssektor.

Anfang November war eine britische Delegation in die Schweiz gereist.

Viele gemeinsame Werte

[IMG 3]Wie viel sich die britischen Landwirtinnen und Landwirte vom Besuch der Schweizer Landwirtschaftsdelegation tatsächlich versprochen haben, bleibt schwer abzuschätzen. Es gehe darum, in einer Zeit grosser globaler Unsicherheit Solidarität zu zeigen, meint Gail Soutar von der NFU dazu. Der Dialog solle unbedingt fortgesetzt werden, schon nur um sich über die Geschehnisse in den jeweiligen Ländern auszutauschen. «Ich denke, die britischen und die Schweizer Landwirtinnen und Landwirte haben viele gemeinsame Werte und Grundsätze wie Tierschutz, Umwelt, Klimawandel und Klimaanpassung», meint Gail Soutar. Viele der Probleme, mit denen die Landwirtschaft konfrontiert sei, seien ja nicht nur britisch oder europäisch, sondern global.

Tatsächlich sei er sehr vielen Wörtern begegnet, die er auch in seinem Arbeitsalltag regelmässig benutze, sagt Christophe Eggenschwiler von IP-Suisse: «Biodiversität, Nachhaltigkeit, regenerative Landwirtschaft, Klimawandel oder Net Zero – da gibt es sicher noch sehr viel auszutauschen», ergänzt er. Gleichzeitig habe der Besuch im Vereinigten Königreich gezeigt, dass die Schweiz und auch IP-Suisse auf einem guten Weg sei: «Es war eine Bestätigung für die Arbeit, die wir mit unserem Labeling und unserem Programm machen.»

«Britische Landwirte zu bedauern»

Auch die britischen Landwirtinnen und Landwirte würden das Richtige für die Umwelt und den Klimawandel tun wollen, meint Gail Soutar: «Aber wir wollen auch in der Lage sein, Unternehmen zu führen, die letztendlich Lebensmittel für Konsumentinnen und Konsumenten produzieren – und dieses Gleichgewicht ist aktuell sehr schwer zu erreichen.»

Wenn man den guten Boden sehe und beobachte, wie sie tagtäglich «chrampfen» und verzweifelt nach Lösungen suchen würden, dann schmerze das schon, meint Beat Röösli vom SBV abschliessend: «Von daher sind die britischen Landwirtinnen und Landwirte wirklich zu bedauern.»