Seit knapp vier Jahren lebe ich nun an der deutschen Nordseeküste und fühle mich mittlerweile auch bereits ein wenig heimisch hier. Im Gegensatz zu anderen Auswanderern und Auswanderinnen hatte ich, was die Sprache angeht, wohl einen klaren Vorteil. Doch auch ich musste mich an Land, Leute und auch an die Sprache gewöhnen…

«Queene» und «Trecker»

Es geht schon los im Stall: Nein, wir haben nicht 130 Holstein-kühe, wir haben «Schwarz-Bunte». Und Red Holstein sind hier ganz einfach «Rot-Bunte». Unsere Kühe werden nicht stierig, sie «bullen». Und wenn die Kühe ihren sechswöchigen Jahresurlaub antreten, gehen sie nicht galt, sondern «stehen trocken». Übrigens: Man sagt hier Urlaub, nicht Ferien. Ferien haben nur Schulkinder. Rinder heissen hier nicht «Gusti», sondern «Queene». Man führt Kühe und Rinder am «Tau», nicht am Strick und die Mistgabel heisst «Forke».

Treibt man die Kühe auf die Weide, öffnet man dazu erst das «Heck» (=Weidetor). Da um jede Parzelle ein Entwässerungsgraben angelegt ist, gelangt man nur via «Heckdamm» trockenen Fusses bzw. Reifens zur Fläche. Was in der Schweiz Naturwiese heisst, nennt man hier «Dauergrünland», während «Ackergras» das deutsche Pendant zur Schweizer Kunstwiese ist. Der Traktor heisst hier «Trecker» und die Egge «Grubber». Hier wird auch kein Weizen oder Gras gesät, hier wird «gedrillt». Ausser der Mais, der wird «gelegt». Und sollte eine Schraube nicht fest angezogen sein, dann klappert es nicht, nein, es «klötert».

Nur nicht zu viele Wörter

Die Norddeutschen sind nicht die gesprächigsten Leute. Zur Begrüssung sagt man ganz einfach «Moin!», egal zu welcher Tageszeit. Es ist auch ebenso gleichgültig, ob man mit der Person per Du oder per Sie ist, was ich eigentlich ganz praktisch finde und einem unangenehme Situationen und panische Grübeleien erspart.

Fremde outen sich mit einem verräterischen «Moin Moin!», was von den Einheimischen als «unnötiges Gesabbel» (=Gelaber) abgetan wird. Trifft man sich in der «Beiz», äh pardon, in der «Kneipe» zum «Klönschnack» bestellt man sich kein «Panaché», auch kein «Radler», sondern ein «Alster». Auch beliebt ist der «Charly», ein Mischgetränk aus Weinbrand und Cola. Oder man gönnt sich einen «Kurzen», den man mit dem Trinkspruch «Nicht lang schnacken, Kopp in Nacken!» (heisst: «Nicht lange reden, Kopf in den Nacken!») möglichst ohne «abzubeissen», also in einem Schluck, runterstürzt. Ach ja, und nach der ganzen Sauferei ist man nicht besoffen, sondern «stramm».

«Baby-Pinkeln» – wie bitte?

Verglichen mit den Schweizern trinken die Norddeutschen viel und gerne. Gelegenheiten gibt es dafür genug: Kauft sich der Nachbar z. B. einen neuen Schlepper oder eine neue Maschine oder hat er gar seinen Stall um ein paar Liegeboxen vergrössert, wird die neueErrungenschaft von den Nachbarn mit einer liebevoll gebundenen Buchsbaum-Girlande geschmückt, anschliessend folgt dann das Trinken. Wenn ein Kind geboren wird, lädt der Vater seine Freunde traditionell abends zum «Baby-Pinkeln» ein. Für uns mag «Pinkeln» etwas befremdlich klingen, bedeutet aber nichts anderes, als dass man auf das Baby (mehrmals) anstösst.

«Granat» zum Znacht

Wind ist hier normal. Sturm ist erst dann, wenn der Wind den Deichschafen die Locken aus der Wolle streicht und die Ziegel vom Dach fliegen. Fährt man am Sonntagnachmittag übers Land, um zu gucken, womit die Nachbarn gerade so beschäftigt sind, heisst das «spekulieren».

Wer bei einem «Butscher» an den englischen Begriff für Metzger denkt, liegt falsch: Kleine Kinder, die mit der «Matschhose» ausgerüstet im Dreck spielen, werden «Butscher» genannt. Die hier oben gefischten Nordseekrabben werden «gepult», so dass nur noch das fleischige Schwanzteil der Mini-Garnelen übrig bleibt und heissen dann «Granat». Krabben werden vorzugsweise auf einer Pumpernickel-Schnitte, hier Schwarzbrot-Schnitte, gegessen. Es gibt wohl noch den einen oder anderen Begriff, den ich hier aufführen könnte. Doch ich denke, das reicht fürs Erste.

Zur Autorin

Sandra Honegger (28) hat an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) Agronomie studiert und ist andie deutsche Nordseeküste ausgewandert. Dort wohnt und arbeitetsie mit ihrem Freund Timo Hussmann auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Henrik und Rita Wefer. Zum Betrieb gehören 90 ha Grünland und 25 ha Ackerland. Der Tierbestand umfasst 130 Holstein-Milchkühe mit Nachzucht. Ausserdem arbeitet sie als Beraterin teilzeitlich bei landwirtschaftlichen Innovationsprojekten mit.