Wir, mein Mann Markus und ich, hatten die Hoffnung auf Sommer schon fast aufgegeben, als wir zu guter Letzt doch endlich noch einige Wochen warmes, sonniges Wetter bekamen. Umso mehr geniessen wir die heissen Tage.

Unsere relativ kurze Hitzeperiode in Alberta ist nicht mit den heissen, trockenen Sommern in der Schweiz zu vergleichen.

Auf Höhe Südschwedens

Hin und wieder hatten wir ein wenig Regen und nachts kühlt es immer ordentlich ab. Wir sind hier auf der Höhe Südschwedens mit 930 Meter über Meer auf dem 53. Breitengrad. Noch ein ganzes Stückchen vom Polarkreis entfernt, aber schon im Gebiet des hohen Nordens.

Es gibt hier auf der Ranch keine Maschinen zur Heuernte. Daher müssen wir leider während des perfekten Heuwetters dem Gras beim Wachsen zusehen und für den grossen Schnitt auf den Nachbarn warten. Der Nachbar macht hier seit Jahren das Heu und kriegt dafür 75 Prozent der Ballen.

Etwas alt und verlottert

Wir konnten von einer befreundeten Familie, die ihren Hof an der Südseite hat, den Balkenmäher, Rechen und die Kleinballenpresse ausleihen. Leider sind die Geräte etwas alt und verlottert. Daher brauchte es fast so lange, die Maschinen zum Laufen zu bringen, wie es dauerte, die 250 Kleinballen zu pressen. Es sind keine Grossmengen, die wir produzieren.

Wenn die Schafe dann im Winter am Lammen sind und wir sie im Stall füttern, sind die Kleinballen um einiges handlicher als die grossen Rundballen. Und die gute Qualität, welche wir durch das zeitige mähen und pressen ohne Regen erreicht haben, wird den laktierenden Schafen gut bekommen.

Da der Nachbar so viel Land besitzt und zusätzlich auch Land pachtet, kam er erst Mitte August zu uns. Die Grossballen werden daher nicht von sehr guter Qualität sein. Zum Zeitpunkt, als der Nachbar unsere Ballen herstellte, hatte er bereits 2500 Rundballen gepresst.

Unser Gras hatte indes schon Rispen geschoben, die Luzerne verlor teilweise ihre Blätter und die unerwünschten Unkräuter hatten Samen geschoben. Und nachdem wir fast vier Wochen keinen nennenswerten Niederschlag hatten, regnete es mehrfach auf das liegende Gras.

Es ist frustrierend, wenn man nur zuschauen kann und die Zügel nicht selbst in der Hand hat.

Sagt Alexandra Ruckstuhl über das Zusammenspiel von Ernte und Wetter.

Besuch in der Kuhherde

Wir haben keinen eigenen Stier. Deshalb sind wir froh, dass wir den Jersey-Stier von einem Landwirt aus der Gegend leihen können. Er hat ein ruhiges Temperament und ist auch sonst ein schönes Tier. Hoffentlich haben wir unsere fünf Kühe und zwei Rinder mit einem anständigen Bullen erfolgreich decken können. Lieber hätten wir einen Braunviehstier gekauft.

Wir hatten bereits einen gefunden, der nicht allzu weit entfernt war. Der Transport war organisiert und die Verkaufsbedingungen abgemacht.

Als der Stier aber dann verladen werden sollte, griff er den Besitzer an. So landete er schlussendlich nicht bei uns am Ootsa Lake, sondern beim Metzger. Es ist schade, dass es nicht geklappt hat. Aber es ist uns lieber, dass der aggressive Stier geschlachtet wurde, als dass er zu uns zu kommt.

Wir laufen täglich durch unsere kleine Herde und die Kinder sind meist mittendrin, da wollen wir natürlich einen friedlichen jungen Stier haben. Im nächsten Jahr sollten wir kein Problem haben, einen Bullen zu finden. Unsere Jersey-Kuh kam mit einem Stierkalb, welches nächsten Frühling anderthalb Jahre alt wird.

Nicht verwandte Kühe

Da das Stierkalb mit keiner unserer Kühe verwandt ist, sollte er, vorausgesetzt er zeigt keine Aggressionen oder gesundheitlichen Probleme, alle Kühe decken können. Von den diesjährigen Kälbern ziehen wir einen reinrassigen Braunviehstier auf und hoffen, dass er uns in Zukunft einige schöne Kälber macht.

Frisches aus dem Wald

Im Garten wächst und gedeiht es und wir werden zumindest einen Teil unseres Gemüse- und Beerenbedarfs aus eigenem Anbau decken können.

Die Natur hat hier etwas mehr zu bieten als in der Prärie. Im Wald finden wir viele Pflanzen, die wir frisch geniessen, zu Tee verarbeiten oder einmachen. Das sind zum Beispiel Brennnesseln, Weidenröschen, Disteln und Meerrettich.

Zur Person
Alexandra Ruckstuhl und ihr Mann Markus sind bereits zum zweiten Mal aus der Schweiz nach Kanada ausgewandert. Das erste Mal kehrte die Familie zur Behandlung einer lebensbedrohenden Krankheit ihrer älteren Tochter in die Schweiz zurück. Nach erfolgreicher Operation der ersten Tochter und der Geburt der zweiten, ist Familie Ruckstuhl in ihre Wahlheimat zurückgekehrt. Mittlerweile sind mehr als drei Jahre vergangen, seit die Ruckstuhls die Schweiz zum zweiten Mal verlassen haben.