Die verrückte Geschichte von Maloya begann damit, dass sich Fritz Maurer 1936 im Engadin auf einer Velotour über einen Platten ärgerte, nachdem ihm ein rostiger Nagel seinen minderwertigen Fahrradreifen zerstochen hatte.

Sechs Jahre zuvor hatte der damals 30-jährige Fritz Maurer mitten in der Wirtschaftskrise 1930 die stillgelegte Seidenband-Fabrik in Gelterkinden BL gekauft. Dort produzierte er für den Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler erfolgreich einen Kaffee-Ersatz als eine preisgünstige Alternative zum teuren Bohnen-Kaffee. Dieser Kaffee-Ersatz wurde aus Chicorée hergestellt, also aus den Wurzeln der Wegwarte.

Daneben gründete Fritz Maurer eine Forellenzucht, die aber im wörtlichen Sinne bachab ging, als bei einem starken Gewitter die Güllenlöcher ringsum überliefen und die Fische in den Zuchtbecken krepierten.

«Das einzige, was Fritz Maurer damals nicht gemacht hat, war schwarz schneien», erzählten frühere Maloja-Mitarbeiter in Gelterkinden noch in den 1990er-Jahren.

Die Reifenfabrik wurde nach dem Maloja-Pass im Engadin benannt

So gründete Maurer 1936 – die Schweiz steckte tief in der Rezession und zählte 124'000 Arbeitslose, Adolf Hitler bereitete den Zweiten Weltkrieg vor – eine Reifenfabrik. Diese stand praktisch in Sichtweite zur ebenfalls neu gebauten amerikanisch-schweizerischen Reifenfabrik Firestone im benachbarten Pratteln BL.

Seine Reifenfabrik benannte der Baselbieter nach dem Maloja-Pass im Engadin, wo ihm der Fahrradreifen zerstochen worden war.

In den ersten Jahren produzierte Maloja dann auch Veloreifen, «die der helvetischen Mentalität entsprechen: sicher, griffig und solide». 1938 testete die Schweizer Armee für das legendäre Ordonnanz-Rad 05 die Veloreifen «ein Jahr lang mit dem schwer beladenen Militärvelo 1905 über Stock und Stein, über scharf beschotterte Strasse, so dass die Steine spritzen» – und wurde nach diesem Langzeit-Test zu einem wichtigen Kunden von Maloja.

Maloja lieferte im 2. Weltkrieg Veloreifen für die Schweizer Armee

[IMG 2]In den Kriegsjahren setzte der Bund für volkswirtschaftliche wichtige Güter – das waren Velopneus – die Preise fest. Und die stiegen von Jahr zu Jahr, denn aus Malaysia und Indonesien konnte immer weniger Rohgummi importiert werden.

Der Tüftler Maurer entwickelte zwar eine Recycling-Anlage für Altgummi, brauchte aber trotzdem «frischen» Gummi, der immer teurer wurde.

Also erhöhte Maurer gegen die ausdrückliche Weisung des Bundes die Preise für seine Maloja-Veloreifen. Als deswegen drei Polizisten in Gelterkinden anrückten, um die Büros der Reifenfabrik zu versiegeln, wurden sie von Maurer – der bekanntermassen ein guter Sportschütze war – mit klaren Worten vor dem Fabriktor empfangen: «Ich schiesse besser als ihr drei zusammen.» Damit war die Intervention des Bundes erledigt.

Maloja-Reifen für Traktoren, Haflinger- und Pinzgauer-Geländewagen, Flugzeuge und Kinderwagen

Nach Kriegsende 1945 ging es mit Maloja steiler aufwärts als auf dem namensgebenden Bündner Bergpass. «Für eine Million Velos in der Schweiz werden die Pneus im kleinen Baselbieter Dorf Gelterkinden hergestellt, im Maloja-Gummiwerk», schrieb der «Blick» 1965.

Maloja produzierte neu auch Autoreifen und Motorradreifen, ja sogar Flugzeugreifen. Maloja produzierte jetzt Reifen für alles, was Räder hatte:

Ein wichtiger Kunde war die Schweizer Armee, für die Maurer «mit Cleverness und Spürnase» neben den Reifen für das Militärvelo 1905 – das damals drei Gänge hatte: fahren, stossen, und tragen – sowie die Haflinger- und Pinzgauer-Geländewagen sogenannte Gummiformartikel produzierte:

  • Sohlen für Marschschuhe
  • Panzerstollen
  • Übungs-Handgranaten

Zu den eher speziellen Gummiformartikeln gehörten 1972 der Gummi-Bodenbelag für den Flughafen Kloten, ab 1974 geräuschdämpfende Gummi-Lager für Eisenbahn-Schwellen – und Gummi-Dämpfer für die Holzroste von Lattoflex-Betten.

In den 1970er-Jahren rollte die Reifenfabrik Maloya von Erfolg zu Erfolg

Ab 1972 änderte Maurer den Firmennamen von Maloja in Maloya mit «Y», weil das «J» in einigen Exportländern als «Malocha» oder «Maloscha» ausgesprochen wurde.

Mit der Schliessung der Firestone-Fabrik in Pratteln (1936–1978) war Maloya wieder der einzige Schweizer Reifenhersteller.

Der amerikanisch-schweizerische Firestone-Konzern ging mit der ersten Massenentlassung der Schweizer Industrie in die Geschichtsbücher ein. «Nur fünf Minuten benötigte der Amerikaner John R. Thompson, um seine 837 Schweizer Arbeiter zu feuern», schrieb der deutsche «Spiegel».

Im gleichen Jahr machte Maloya mit 400 Mitarbeitern über 60 Millionen Franken Umsatz pro Jahr. «Liebespaare fuhren auf Maloya-Reifen ins Grüne, Bauern bestellten die Äcker mit Maloya-Reifen und die Soldaten fuhren auf Maloya-Reifen ins Manöver», jubelte die Firma 1986.

Die 1990er-Jahre waren für Maloya der Anfang vom Ende

In den 1980er-Jahren verkaufte Maloya pro Jahr 480'000 Autoreifen. Immer mehr war aber entscheidend, mit welchen Pneus die Autoindustrieihre Wagen ab Werk bestückte, denn viele Autobesitzer kauften später für den Ersatz die gleiche Marke. Maloya kam zwar als Original Equipment Manufacturer (Erstausrüster) für Opel und Volkswagen ins Geschäft – der Preis dafür waren aber ruinöse Rabatte.

Und in der Schweiz wurde die Abhängigkeit von Bundesaufträgen zum Klumpenrisiko. Nach dem Ende des Kalten Krieges mit der Sowjetunion und dem Fall der Berliner Mauer 1989 fuhr die Schweizer Armee die Rüstungsaufträge massiv zurück.

In den 1990er-Jahren kam eine Rezession dazu, unnötige Neubauten für Millionenbeträge wie ein riesiges Pneulager und ein Mischwerk – und eine missglückte Nachfolgeregelung.

«Fritz Maurer war ein genialer Unternehmer und Patron alter Schule», erinnern sich frühere Mitarbeiter. «Doch Maurer hatte die entscheidenden Positionen mit Familienmitgliedern besetzt, anstatt Kompetenz von aussen zu holen.»

[IMG 3]So habe Maloya es verpasst, statt den Standard-Reifen, die nun in Billiglohn-Ländern wie Indien produziert wurden, hochwertige Spezialprodukte herzustellen.

Maloya hätte gemäss Branchenkennern lukrative Nischen besetzen und zum Beispiel mit kundenspezifischen Gummiformartikeln für andere Industriezweige erfolgreich sein können.

1993 wurde Maloya von der Vredestein-Gruppe übernommen. Damit ging die Reifenproduktion schrittweise nach Enschede in den Niederlanden. Maloya blieb noch ein Jahrzehnt als Markenname erhalten und als Zweitmarke von Vredestein vertrieben. 2012 rollte dann aber der letzte Maloya-Reifen vom Band und die Spur verliert sich ...

... oder doch nicht ganz: Offenbar lässt Vredestein für die legendären Haflinger-Geländewagen weiterhin Maloya-Reifen produzieren. In unregelmässigen Chargen sollen diese Reifen in Original-Beschriftung produziert und in der Schweiz über den Haflinger-Ersatzteilhändler Lüscher Landtechnik in Schöftland AG verkauft werden.