An Silvester ist hin und wieder das Übergeben (infolge übermässigen Genusses bewusstseinsverändernder Getränke) ein Thema. Das Übernehmen vielleicht auch, zumindest bei all jenen, die sich zu viele Neujahrsvorsätze fassen. Bei mir war quasi beides, das Übergeben wie auch das Übernehmen, sehr präsent, wenn auch in einem etwas anderen Sinne.

An Silvester realisierte ich, mit Tischbombenschnauz und Partyhut ausgestattet, dass nun mein letztes Jahr als Nicht-Hofbesitzer angebrochen ist.Und das ist mir dann unverhofft ziemlich stark in die Knochen gefahren. Nicht, dass das jetzt ultraüberraschend kommt, ich arbeite immerhin seit sechs Jahren auf dem elterlichen Betrieb und habe laufend mehr Verantwortung übernommen. Wir reden als Familie auch schon seit geraumer Zeit über diese ominöse Hofübergabe.

 

Das abstrakte Thema «Hofübergabe» wird plötzlich ganz konkret

Aber manchmal bleiben solche Gespräche über grosse Themen halt doch eher abstrakt: Man redet viel über Termine, Steuern, Schätzungen, Finanzierung, Arbeitsteilung oder die Wohnsituation. Und dann gibt es eben auch Momente wie an diesem Silvester, in denen so eine grosse Veränderung im Leben schlicht und einfach auf der Gefühlsebene spürbar wird.

Das klingt vielleicht etwas komisch, denn für viele Aussenstehende ist es ebenso schlicht und einfach der natürliche Lauf der Dinge: Erstgeborener Sohn, gelernter Landwirt, übernimmt bei Pensionierung der Eltern den Betrieb. Fertig und gut ist. Mag sein. Doch was von aussen logisch erscheint, war für mich keinesfalls stets in Stein gemeisselt, sondern phasenweise sogar eher ein eher abwegiger Gedanke.

Die Lehre als Landwirt und auch das Agronomiestudium habe ich keineswegs mit dem klaren Ziel einer Hofübernahme gemacht. Ich verfolgte damals keinen langfristigen Masterplan, sondern war motiviert, das Handwerk des Landwirtes ebenso zu erlernen wie im Studium die Hintergründe unserer Branche besser zu verstehen. Beides war im jeweiligen Moment genau das Richtige und genügte sich quasi selbst. Langfristige Pläne war lange Zeit nicht so mein Ding, ich sträubte mich regelrecht dagegen. Wörter wie Verbindlichkeit, Zukunft oder Wurzeln schlagen lösten gar eher Fluchtreflexe aus.

Und nun ist es sie also doch bald Tatsache, diese Hofübergabe – und das fühlt sich mittlerweile gar nicht mal so schlecht an, auch wenn mir hin und wieder angesichts der Verantwortung etwas flau im Magen wird. Übergeben musste ich mich aber trotz bevorstehender Übergabe nie, und ich bin auch zuversichtlich, dass ich mich damit nicht übernehmen werde, dem guten Umfeld sei’s gedankt.

Projekte in Angriff nehmen und geniessen, solange man noch kann

Mein letztes Jahr als «Knecht» hat nun also begonnen. Ich bin gespannt, wie wir als Familie all die noch offenen Fragen beantworten werden. Es ist gut möglich, dass das Thema auch in dieser Kolumne noch das eine oder andere Mal auftauchen wird.

Auch wenn ich grossen Respekt vor den bevorstehenden Veränderungen habe, so freue ich mich doch je länger, je mehr auf die Dinge, die da auf mich zukommen. Die Zeit scheint reif. Das Leben besteht jetzt aber nicht nur noch aus Hofübergabe-Fragen, schliesslich läuft der normale Alltag auch einfach weiter. Und so freue ich mich, auch heuer wieder ein Umbau-Projekt in Angriff zu nehmen. Ich freue mich, wenn es auf den Feldern irgendwann nicht mehr pflotschnass ist, die Pflanzen erwachen und die Motoren wieder brummen.

Und ja, ich freue mich auch darauf, noch ein Jahr lang die Rechnungen in den Briefkasten meines Vaters legen zu können. Diese Arbeitsteilung ändert bald, und gewisse Dinge muss man geniessen, solange man noch kann.

Hagenbuchs Randnotizen

Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten in Rottenschwil und Unterlunkhofen im Kanton Aargau.

Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.