Im keineswegs sehr besinnlichen Wonnemonat Mai kam es auf dem Mühlehof zu folgender Begegnung: Ein Passant spaziert vorbei, deutet meinen freundlichen Gruss falsch und beginnt zu labern: Ob ich denn der Landwirt sei? Ja, so ein Leben als Landwirt, das stelle er sich schon toll vor. Er selber wäre ja auch um ein Haar Landwirt geworden, doch doch, schon als Dreijähriger habe er das seiner Mutter gesagt.

Und die Mutter von der Mutter, also die Grossmutter mütterlicherseits, die sei mit einem Landwirt verheiratet gewesen. Also nicht wirklich mit einem Landwirt, sondern einem, der früher in den Schulferien immer auf einem Bauernhof seines Onkels geholfen hat. Nun ja, jedenfalls erinnere er sich selber bestens an die Schweine und Kühe, die er als Kind jeweils sah, wenn er mit seinen Grosseltern einen Ausflug auf einen Bauernhof machte.

Dünnes Nervenkostüm, Rettung in Floskeln

Mein Nervenkostüm war bereits vor der Ansprache dünn wie ungedüngter Mais. Entsprechend waren meine ersten Gedanken: Nur weil jemand als Windelkacker lallt, dass er oder sie Bauer werden will, ist man nicht Landwirt. Auch was die Ahnen so taten, tut nicht sehr viel zur Sache, seither ist das eine oder andere passiert. Und nur weil ich abends um 21 Uhr noch draussen in Arbeitskleidern bin, heisst das nicht, dass mein grösstes Bedürfnis jetzt ist, mit dem Passanten über seine zehn Kartoffeln im Garten zu diskutieren, die er immer strikt nach dem Kalender von Maria Thun pflanzt.

Gut, dass diese ersten Gedanken den Weg über meine Lippen nicht gefunden haben. Ich zog mich stattdessen mit ein paar Floskeln aus der Affäre und verkrümelte mich unter die Dusche.

Nur, weil die Zimmerpflanze überlebt, ist man nicht Landwirt

Es ist schon absurd: Einige Menschen haben das Gefühl: Ja, so ein bisschen Landwirtin oder Landwirt sein, das könnte ich doch auch ganz gut. Weil ich eine Zimmerpflanze habe, die schon seit drei Jahren permanent mehr oder weniger erfolgreich knapp nicht stirbt. Oder weil ich den Hund des Nachbarn immer gut streicheln konnte und somit ein Händchen für Tiere habe.

Irgendwie haben einige (jaja, ich weiss, nicht alle!) Leute das Gefühl, dass Landwirtschaft schon sehr einfach sei. Etwas Heu vor die Kuh, an den Zitzen hantieren und schon ist das weisse Gold da! Und die Vorstellung, dass man den Beruf irgendwie in den Genen haben könnte, ist hirnverbrannt. Selbst ein Landwirt von vor 100 Jahren würde heute wohl kaum die Lehrabschlussprüfung bestehen.

Ich gehe ja auch nicht zu einem Psychologen und sage: Oh, ich bin auch fast ein bisschen ein Psychologe, ich kann nämlich recht gut mit Leuten reden, und gerade neulich hat mir der Andy gesagt, dass es ihm nach unserem Gespräch viel besser ging als vorher.

Landwirt ist Job, genau so speziell wie jeder andere

Aber bei der Landwirtschaft, da hat man (jaja, immer noch nicht alle, aber ich habe mich gerade so schön in Rage geschrieben!) irgendwie das Gefühl, das können alle ein bisschen. Vielleicht auch nur, weil jede und jeder auch isst.

Also: Wir sind Landwirte und Landwirtinnen, das ist ein Job. Er ist genauso speziell wie jeder andere Job. Wer ihn ausüben will, macht am Besten eine Ausbildung. Wer fragt, darf vielleicht auch auf einem Betrieb etwas Handlangern und landwirtschaftliche Luft schnuppern. Es wird aber in vielen Fällen so sein, dass das für den Landwirt gar keine so grosse Hilfe ist. Denn, wie gesagt: Es gibt Gründe, weshalb man eine Ausbildung macht.

Hagenbuchs Randnotizen

Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten in Rottenschwil und Unterlunkhofen im Kanton Aargau.

Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.