Kurz & bündig
- Karl Betschart und Paul Bellmont planen und helfen, Wasserversorgungsprojekte auf Alpen umzusetzen.
- Die grösste Herausforderung dabei seien die klimatischen Veränderungen.
- Zu Streit um das kostbare Wasser komme es aber nicht, die Zusammenarbeit funktioniere – im Gegenteil – gut.

Es sieht nicht nach viel aus. Ein dünnes Rinnsal Wasser, das sich durch den grauen Lehmboden schlängelt. Doch Paul Bellmont ist zufrieden: «Das gefällt mir sehr. Da kommen sicher zwei Liter in der Minute», schätzt er. Mit der Zeit gibt das eine ordentliche Menge Wasser.

Paul Bellmont ist Verwaltungsrat der OAK, der Oberallmeindkorporation Schwyz, und gleichzeitig deren Werkmeister. Mit dem Bagger hat Bellmont die Quelle vorsondiert, wie es im Fachjargon heisst: Er hat Material ausgehoben und dabei den Weg des Wassers freigelegt. «Das Ziel ist, das Wasser möglichst sauber fassen zu können», erklärt der Fachmann.

Wasserfassung braucht Fingerspitzengefühl

Am nächsten Tag wolle er die Quelle fassen. Dann sei die Phase des aufsteigenden Fischs: «Normalerweise schaue ich gar nicht auf den Mond. Aber bei der Quellfassung achte ich darauf.»

Die Quelle fassen, das bedeutet: Das Wasser sauber in die Röhre leiten. Anschliessend wird die Stelle so verschlossen, dass kein Oberflächenwasser vom Hang hinunter und in die Quelle laufen kann und diese dabei verschmutzen könnte.

Die Wasserfassung müsse so erfolgen, dass das Wasser nicht in den Fassungsbereich zurückgestaut werden könne, nennt Karl Betschart einen weiteren wichtigen Punkt bei der Quellfassung: «Ein Rückstau kann die Fassung zerstören und das Wasser sucht sich einen anderen Weg.»

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Berufserfahrung bei Korporation und Kanton

Karl Betschart ist auf Besuch bei der Quelle, um der Journalistin ein aktuelles Wasserprojekt zu zeigen. Betschart war 38 Jahre lang bei der OAK tätig, 17 Jahre davon war er als Sachbearbeiter zuständig für die 155 Alpen, die der OAK gehören.

Die Oberallmeindkorporation Schwyz
öffentlich-rechtliche Körperschaft, Kanton Schwyz SZ

Mitglieder: 19'544 KorporationsbürgerInnen
Grundeigentum total: 24'000 ha
davon Wald: 9000 ha
davon Alpgebiet: 8000 ha
Alpbetriebe: 155

www.oak-schwyz.ch

Seit Mitte 2022 arbeitet Betschart nun für den Kanton. Beim Amt für Landwirtschaft ist er zuständig für die Strukturverbesserungen auf den Alpen. Da gehört auch die Wasserversorgung dazu.

Die Aufgaben hätten sich nicht gross geändert, so Betschart: «Vorher war ich der Vertreter der  der Bauherrschaft, nun vertrete ich das Amt für Landwirtschaft. Dabei hilft mir meine langjährige Erfahrung mit den Alpwirtschaftern in der Region.»

Traditionell ergiebige Quellen mit bedeutend weniger Wasser

Zu Betscharts Erfahrungen zählen auch die Beobachtungen der zunehmend trockenen Sommer. Was schweiz- und weltweit gemessen und belegt ist, zeigt sich auch in der Innerschweiz: Der Klimawandel führt zu veränderten Wetterereignissen.

Niederschläge bleiben teils für längere Zeit aus – nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter, der beispielsweise 2021 schneearm war. Regen und Schneeschmelzwasser fehlen.

Das hat Auswirkungen auf das Wasservorkommen: «Quellen, die traditionell  eine ansehnliche Schüttmenge hatten, führen heute teils bedeutend weniger Wasser», beobachtet Betschart.

Klar ist auch: Die Trinkwasserversorgung ist zentral. Bleibt der Niederschlag jedoch längere Zeit aus, wird die Vegetation darunter leiden. Folglich wird das Futter für die Tiere fehlen und im schlimmsten Fall müssen die Tiere früher von der Alp ins Tal abfahren. Dann hilft auch das Trinkwasser nicht weiter.

Den klimatischen Veränderungen einen Schritt voraus sein

«Die klimatischen Ereignisse der letzten Jahre sind für die Wasserversorgung der Alpen die grösste Herausforderung», das bereitet Karl Betschart Sorgen.

Projekte, vor einigen Jahren abgeschlossen, kommen heute an die Grenzen, beispielsweise in Bezug auf die Kapazität der Wasserspeicher. «Wir müssen aufpassen, dass uns die klimatischen Veränderungen nicht rechts überholen», so Betschart.

Karl Betschart und Paul Bellmont arbeiten bereits seit etlichen Jahren gemeinsam daran, diesen Veränderungen eben doch immer einen Schritt voraus zu sein.

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Ein grosses Konzept, statt ein Flickenteppich auf den Alpen

Was uns zurück zur Quelle führt. Der Älpler der Alp Äbnenmatt hat das Wasser über längere Zeit beobachtet und schliesslich der OAK gemeldet, dass es eine Quelle sei, die zu erschliessen sich lohne.

Bei Wasserversorgungsprojekten schauen Betschart und Bellmont gleich auch die nähere Umgebung an: Wie sieht die Situation beim Nachbarn aus, können da mehrere Alpwirtschaften davon profitieren, planen wir im grösseren Stil?

«Wir versuchen, einen Flickenteppich verschiedenster Konzepte zu verhindern», sagt Bellmont. Im Fall dieser Quelle bleibt die Sache simpel: Das Wasser wird in einen Brunnen geleitet, um das Vieh zu tränken – fertig.

Den Graben schliessen und nicht mehr Wasser als nötig abzweigen

Die Quelle ist trotzdem Teil eines grossen Projekts, zur Wasserversorgung im Hesisbol-Äbnenmatt-Altstafel-Isentobel-Steinboden. Involviert sind drei Gemeinden und mehrere Alpbewirtschafter. Die Kosten belaufen sich auf rund 300'000 Franken. Verglichen mit anderen sei dies ein mittelgrosses Projekt, so Betschart.

Von diesen Kosten wird ein grosser Teil von Bund, Kanton und Bezirk Schwyz mitfinanziert. Auch, um diese Beiträge zu erhalten, ist eine genaue Planung, mit mehreren administrativen Schritten, Berichten und Berechnungen nötig (siehe Kasten).

Planung und Umsetzung Wasserversorgungsprojekt
1. ÄlplerIn kommt mit einem Anliegen zur OAK.

2. Älpler erhebt selbstständig diese Daten:
- Alpnutzung, Alpbewirtschaftung, Bestossung, Weideführung
- Aktuelles Wasservorkommen und entsprechende Infrastruktur
- Schüttmenge der bestehenden Quellen. Darauf wird die ganze Planung abgestützt.
- Was braucht es? (Wasserpumpen, Reservoir, ...)

3. OAK klärt Wasserbedürfnis bei Nachbaralpen ab. Wenn mehrere am Projekt beteiligt sind, wird eine Bauherrschaft (einfache Gesellschaft mit privatrechtlichem Vertrag gemäss OR/Flurgenossenschaft gemäss ZGB nach öffentlichem Recht) begründet.

4. OAK arbeitet gemeinsam mit Beteiligten ein Konzept aus, das anschliessend beim Amt für Landwirtschaft vom Kanton eingereicht wird.

5. Das Amt prüft das Gesamtkonzept auf die Wirtschaftlichkeit und eine gesicherte, nachhaltige Investition.

6. Das Amt für Landwirtschaft reicht das Vorprojekt beim Bund ein.

7. Bund gibt Bescheid, ob das Projekt unterstützt wird oder nicht.

8. Weitergemacht wird nun mit dem Baubewilligungsverfahren.

9. Liegt die Baubewilligung vor, erfolgt die Eingabe an den Regierungsrat oder an das Departement. Anschliessend erfolgt die Eingabe an den Bund und den Bezirk.

10. Baustart. Je nach Knowhow und Kapazität können ÄlplerInnen, OAK oder dann externe Firmen die Arbeiten ausführen.

11. OAK erstellt die Baukostenzusammenstellung, Kostenteiler usw. Beim Amt für Landwirtschaft ist ein Schlussbericht mit sämtlichen Unterlagen zum ausgeführten Werk einzureichen.

Wichtig sei ihnen, dass die Projekte nachhaltig verliefen, sagt Betschart. Der Eingriff in die Natur soll möglichst klein sein. Zwei Beispiele:

  • Der Graben, in dem die Wasserleitung verläuft, wurde sorgfältig zugeschüttet und mit dem ursprünglichen Humus zugedeckt. Ein Jahr nach den Bauarbeiten ist daher fast nichts mehr zu sehen, die Vegetation hat sich erholt und schützt so auch den Boden vor Erosion.
  • Von der gefassten Quelle wird so viel Wasser genommen, wie es für die Viehtränke braucht. Das restliche Wasser geht über den Überlauf und wird dem ursprünglichen Wasserlauf zugeführt. So soll die Flora und Fauna rund um die Quelle geschützt und erhalten bleiben.

An anderen Quellen werden Reservoire gebaut, um Wasser zu speichern. Tatsächlich überlege man sich, ob in Zukunft vermehrt Wasser gespeichert werden müsse, so Betschart.

Um das Wasser wird (noch) nicht gestritten

Dabei kann sich auch die Frage stellen, wem denn nun das Wasser gehöre und wer wie viel nehmen darf. An diesem Punkt seien sie zum Glück (noch) nicht, dass um das Wasser gestritten werde und Besitzansprüche erhoben werden.

«Die Realisierung von gemeinschaftlichen Wasserversorgungen erfordert eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Grundeigentümer, ÄlplerInnen, Behörden und anderen Playern. Der Gemeinschaftsgedanke, der auch Teil der OAK ist, führt dazu, dass alle an einer gemeinsamen Lösung interessiert sind», sind sich Betschart und Bellmont einig.

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Es mache jedoch in jedem Fall Sinn, bei gemeinsamen Projekten klar zu regeln, wer wofür bezahlt und wie es um die Rechte und Pflichten rund um das Wasser steht.

Vermessung der abgeschlossenen Projekte

Wenn ein Projekt abgeschlossen ist, werden die gefassten Quellen, die verlegten Rohre und die gebauten Schächte vermessen. «Andernfalls sucht die nächste oder übernächste Generation nach der Infrastruktur, die wir eingebaut haben», sagt Betschart.

Diese mühsame Arbeit wird überflüssig, indem das Projekt sauber erfasst ist. Auf dieser Basis kann künftig auch weiter geplant werden.

Abgeschlossen und vermessen sind die Brunnen etwas weiter den Hang hinunter, auf der Nachbaralp Isentobel. Diese Brunnen stehen auf der Weide und dienen als Tränke für die Milchkühe.

Das Wasser leitete die OAK über mehrere hundert Meter, von einer Quelle der Gemeinde Illgau, die sie mitbenutzen können. Ein weiteres Beispiel von Zusammenarbeit im Zeichen des Wassers.

Mit Schwimmer in der Tränke Wasser sparen

Die Tränkebrunnen sind allesamt mit Schwimmern ausgerüstet. «So sparen wir Wasser mit einer einfachen Massnahme, die erst noch den morastigen Boden rund um die Tränke erspart», erklärt Karl Betschart.

Die Schwimmer können im Herbst einfach abgeschraubt, der Wasserhahn zugedreht und das System entleert werden, so dass keine Frostschäden entstehen. Eine wichtige Unterhaltsarbeit, die dem Alpbewirtschafter zufällt. Alpbewirtschafter, OAK, Gemeinde, Bezirk, Kanton und Bund: Sie haben unterschiedliche Interessen.

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Beim Thema Wasser sei die Zusammenarbeit und das Verständnis jedoch gross, sagt Betschart. Alle arbeiten zusammen, spüren Quellen auf, verlegen Wasserleitungen und sprechen Geld. Alles, damit die Alpen künftig genügend Wasser haben. Es hängt viel davon ab. Wie Karl Betschart sagt: «Ohne Wasser kann kein Alpwirtschaft betrieben werden.»