Eine Befragung zur Haltung und zur Nutzung von Pferden in der Schweiz ergab, dass 83,5 Prozent der Pferde in Einzelhaltung leben und lediglich 16,5 Prozent in Gruppenhaltung. Die Befragung führte das Institut für Nutztierwissenschaften der ETH Zürich vor über 25 Jahren durch. Doch dieses Bild hat sich mittlerweile stark verändert. Das Pferd wurde vom Arbeitstier zum Freizeit- und Sportpartner und mit dieser neuen Nutzung wandelte sich auch die Form seiner Haltung.

Laut der Studie wurden 1997 noch 18,3 Prozent der Pferde in Anbindehaltung, in sogenannten Ständern, gehalten. Diese Haltungsform ist seit 2008 in der Schweiz verboten. Nur während eines Wanderrittes oder einer Veranstaltung ist es noch erlaubt, Pferde übergangsweise kurzzeitig angebunden zu halten. Und im Falle eines Militäreinsatzes oder des Umzugs in einen neuen Stall ist es gestattet, ein Pferd während maximal drei Wochen in Anbindehaltung einzustallen.

Allein und doch nicht einsam

Auch das Verhältnis von Einzel- und Gruppenhaltung hat sich deutlich verändert. Laut einer unveröffentlichten Studie von Agroscope, die 20 Jahre nach der erstgenannten Umfrage erhoben wurde, leben mittlerweile noch durchschnittlich 51,1 Prozent der Schweizer Pferde in einer Einzelbox und 48,3 Prozent in einer Gruppe. Wobei beachtet werden müsse, dass es sich dabei um Durchschnittswerte aus allen vier Jahreszeiten handelt. Im Sommer werden beispielsweise im Jura deutlich mehr Pferde auf der Weide in einer Gruppe gehalten als während den Wintermonaten, sagt Christa Wyss vom Schweizer Nationalgestüt.

Der Begriff Einzelhaltung ist Synonym für die Aufstallung in einer Einzelbox. Wobei Box nicht gleich Box ist, es gibt etliche Variationen davon. Nämlich Innenboxen, die keine Möglichkeit für Kontakt mit der Aussenwelt zulassen. Aussenboxen, die dank geöffneten Fenstern oder Halbtüren den Kontakt mit der Aussenwelt ermöglichen, und Aussenboxen mit einem direkten Zugang zu einem Auslauf. Damit das Leben in der Einzelbox möglichst angenehm und kurzweilig gestaltet werden kann, sollte darauf geachtet werden, dass die Fläche gross ist und das Pferd die Möglichkeit erhält, seine Umgebung anzuschauen. Eine unübliche, aber schöne Lösung sei beispielsweise die Anordnung der Boxen in einem Kreis zu einer Art Innenhof, findet Christa Wyss. So haben die Pferde rund um die Uhr Aussicht auf all ihre Kollegen.

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In der Gruppe, aber mit System

Entspannung und Animation bietet es den Pferden auch, wenn sie neben ihrem besten Freund stehen und nicht Wand an Wand mit einem Artgenossen, denn sie nicht leiden können und mit dem es deshalb ständig Keifereien gibt. Damit keine Langeweile aufkommt sollten die Raufutterfresspausen nicht zu lange sein. Bei Pferden, die nicht auf Stroh stehen, kann zusätzlich zum Heu noch etwas Stroh zum Knabbern gereicht werden, und spezielles Pferdespielzeug in Form von Knabberhölzern bietet Beschäftigung ohne Kalorien.

Eine Boxenform, die dem Pferdebedürfnis nach sozialer Interaktion und Körperkontakt besonders gut nachkommt, ist die sogenannte Sozial-Box. Die Trennwand zwischen zwei Boxen besteht zur Hälfte aus einer geschlossenen Bretterwand und zur anderen Hälfte aus vertikal in relativ grossen Abständen angeordneten Trennstäben. Diese erlauben es den Pferden, direkten Körperkontakt zu haben und beispielsweise gemeinsam Stroh zu knabbern, zu ruhen oder die arttypische Fellpflege auszuführen. Gleichzeitig können sich die Tiere, wenn sie Ruhe wünschen, hinter den geschlossenen Teil der Trennwand zurückziehen. Haben Pferde ganztags Auslauf, auf einem Paddock oder idealerweise auf einer Weide, zu zweit oder in einer Gruppe und werden zusätzlich regelmässig von einem Menschen beschäftigt, findet es Christa Wyss vertretbar, ein Pferd in der Nacht in einer Einzelbox zu halten.

Neben der Aufstallung in Einzelboxen entscheiden sich immer mehr Pferdebesitzer für die arttypischere Gruppenhaltung. Auch dort gilt es einiges zu beachten, damit sich das Pferd wohl fühlt. In einem Mehrraum-Gruppenlaufstall können einzelne Individuen unter Umständen Mühe haben, in Ruhe zu fressen oder zu ruhen. Wenn Pferde schlecht sozialisiert sind oder sich aggressive Tiere in einer Gruppe befinden, kommt Unruhe auf. Wichtig zur Vermeidung von sozialem Stress sei, dass mehrere Liege- und Fressbereiche zur Verfügung stehen, sagt Christa Wyss. Wenn sich rangniedrige oder Pferde ohne besten Freund unsicher fühlen und die Liegeflächen zu klein sind, kann es sonst vorkommen, dass gewisse Tiere über längere Zeit nicht zum Abliegen kommen. Eine Studie hat zudem ergeben, dass je nach Fütterungssystem drei Fressplätze pro Pferd optimal sind. Bei einer Gruppe von acht Pferden braucht es also zwei Heuraufen mit jeweils zwölf Fressplätzen. So trauen sich mit einigen freien Futterplätzen dazwischen auch rangtiefe Pferde gut ans Futter. «Je mehr Pferde in einer Gruppe leben, desto einfacher», so die Fachfrau. Wenn sich die Individuen in einer Gruppe mit nur vier Pferden nicht gut verstehen, könne der Stresslevel höher sein als bei beispielsweise 20 Pferden. Wenn die Gruppen grösser sind, finden die Tiere eher einen wohlgesinnten Artgenossen.

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Das Wichtigste, um herauszufinden, ob sich ein Pferd in der Gruppe wohl fühlt, ist die genaue Beobachtung, und zwar vonseiten Besitzerin, aber auch vom Stallhalter. Zeigt sich ein Tier im Umgang ständig aggressiv und gestresst, kann dies eine Zeichen sein, dass es sich in der entsprechenden Haltungsform nicht wohl fühlt. Dies kann sowohl für Einzel- als auch Gruppenhaltung zutreffen. Nun ist eine entsprechende Reaktion in Form einer Haltungsänderung gefragt und Kompromisse müssen gefunden werden. Eine Lösung kann sein, ein Pferd neben einer Gruppe in einem separaten Bereich mit Möglichkeit für Sozialkontakt zu halten oder es tagsüber in der Gruppe mitlaufen zu lassen und ihm nachts eine Einzelbox zur Verfügung zu stellen.

Bewegung erwünscht

Damit sich die Pferde auch bei den in der Schweiz begrenzten Flächenverhältnissen und den oft einschränkenden Raumplanungsgesetzen in Gruppenauslaufhaltung gut aus dem Weg gehen können und sich genügend bewegen, ist eine kluge Strukturierung notwendig. Tolle Strukturelemente sind beispielsweise ein Brunnen, Hecken aus fressbaren Büschen oder ein Sandhügel, der Ausblick und gleichzeitig einen Platz zum Wälzen bietet. Werden Laufwege nach Konzept des sogenannten Paddock Paradise angelegt, können die Pferde noch mehr zum Laufen animiert werden. Dazu werden mindestens fünf Meter breite Laufwege ausgezäunt, entlang derer Fress-, Wasser-, Wälz- und Ruhebereiche verteilt sind. Praktisch dabei ist, dass eine mittig angelegte Weidefläche gezielt freigegeben und zur Schonung temporär geschlossen werden kann.

Auch die ganzjährige Haltung auf einer grossen Weide mit Unterstand bietet viel Platz, um sich auszutoben. Die Gruppenweidehaltung ist besonders naturnah, allerdings nur bei einer wirklich grossen Fläche empfehlenswert, so Wyss. Bei einer zu kleinen Fläche ist die Gefahr der Übernutzung gross und bei schlechtem Wetter verwandelt sich der Boden rasch in einen Morast. «Sinnvoll und in der Tierschutzverordnung vorgeschrieben ist ein befestigter Bereich zum Aus-weichen während Schlechtwetterperioden und dass die Weide unterteilt werden kann.» Bei dieser Haltungsform, bei der rund um die Uhr Gras zur Verfügung steht, muss besonders bei leichtfuttrigen Pferden darauf geachtet werden, dass sie nicht zu stark an Gewicht zulegen. Ausserdem sei eine gute Weidepflege wichtig.

Müssen auch Pferde, die in Gruppenweidehaltung leben, regelmässig bewegt, also geritten werden?Pferde leben in für sie meist langweiligen, wenig stimulierenden Haltungsumgebungen. Sie müssen und können keine Entscheidungen treffen bezüglich, wo sie Futter, Schatten oder Wasser suchen und finden können. Sie leben in zufällig zusammengewürfelten Gruppen, haben möglicherweise ein Leben lang keine Möglichkeit zu sozialen Interaktionen und können keine Freundschaften pflegen und sich dementsprechend in ihrer Umgebung sicher fühlen, erklärt die Fachfrau. «Eine dem jeweiligen Individuum entsprechende, tiergerechte Beschäftigung sollte eine Bereicherung im Pferdealltag sein.»

Wenn Pferde je nach Haltungsform täglich viele Kilometer zurücklegen, benötigen sie weniger Bewegung, als wenn sie grösstenteils in einer Boxe stehen. Diese dient nicht primär dem Muskelaufbau. Für die mentale Gesundheit sei es aber unablässig, dass wir uns regelässig mit dem Tier beschäftigen.

Digitaler Ausflug
Seit 2016 zeichnet das Projekt «Der Gute Stall» jährlich mehrere Pferdebetriebe mit vorbildlichen Haltungsformen aus. Dabei handelt es sich um Pensionsställe mit Einzelhaltung oder Gruppenauslaufhaltung, aber auch um Altersweiden oder Aufzuchtbetriebe. Eine Übersicht der bereits mit diesem Gütesiegel prämierten Ställe findet sich auf der Website derStiftung Pro Pferd.