Es ist immer wieder eine Überraschung, wennAlexander Morf das Türchen zu einem seiner zahlreichen Mobilställe öffnet. Zwar lässt das Gackern im Innern auf Hühner schliessen und eine Schiefertafel am Eingang gibt Auskunft über die Rasse, aber ein «gewöhnliches» weisses oder braunes Huhn wird man hier nicht sehen. «Bei mir ist alles aussergewöhnlich», bestätigt Alexander Morf. Zärtlich streicht er über das bläulich glänzende Gefieder einer Marans-Henne. Typisch sind für diese französische Rasse ihr ruhiges Gemüt und die schokobraunen Eier. Diese landen nicht nur in der Pfanne: Der 33-Jährige ist leidenschaftlicher Geflügelzüchter und will den Verkauf von Junghennen als Standbein weiter ausbauen.

Die Werkstatt voller «Schildchrötli» und Eier

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Aktuell ist Alexander Morf als Gärtner selbstständig und hat sich auf den Service von Rasenmährobotern spezialisiert, die er scherzhaft als «Schildchrötli» bezeichnet. Deren Gehäuse hängen in seiner Werkstatt in Trüllikon ZH an Latten von der Decke und dieGeräte seiner Kunden stehen in hohen Regalen. Daneben stapeln sich Eier in verschiedenen Farben, zwei von fünf Brutschränken summen leise vor sich hin und im vorderen Bereich lagert Geflügelfleisch ingrossen Tiefkühltruhen. «Alle Brutschränke sindzwischen 30 und 80 Jahre alt», bemerkt Morf. Er hat sie mehr oder weniger zufällig gefunden und erwerben können. Die Holzverkleidung mutet tatsächlich antik an, laufen tun sie aber tadellos. Mit einem Hebel dreht der Gärtner zwei- bis dreimal täglich die bunten Eier, in denen langsam die Küken heranwachsen.

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Auf dem Bauernhof aufgewachsen

Am Anfang waren bei Alexander Morf weder Huhn noch Ei, sondern Rinder. «Ich bin in einer Grossfamilie auf einem Bauernhof mit Milchkühen aufgewachsen», erzählt der Zürcher. Als Kind sei er lieber im Stall gewesen, als sich um Hausaufgaben zu kümmern. Trotzdem faszinierte ihn Geflügel schon damals mehr als die Wiederkäuer. Von seinen Eltern aber hiess es, auf dem Hof gebe es keinen Platz für eigene Hühner. «Ich fand, Hühner gehören auf einen Hof», erinnert sich Morf. In der Oberstufe organisierte er sich seine ersten Küken, «dann mussten wir eben einen Stall bauen», sagt er schmunzelnd. Als die Familie von Milchwirtschaft auf Rinder- und Trutenmast umstellte, musste die hobbymässige Geflügelzucht allerdings aus hygienischen Gründen weichen. Es habe lange gedauert, einen geeigneten Standort zu finden.

Alle Küken werden aufgezogen

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Mittlerweile sind es deren drei: Elterntiere und Brüterei in Trüllikon, Junghennenaufzucht in einem Nachbardorf und etwas weiter weg die Ställe der Freilandhähne. Morf zieht alle Küken gross, die Hennen werden verkauft, wie auch das Fleisch der Hähne. «Es gibt Bratwurst, Burger, Hackfleisch, Flügel, Schenkel, Brust, Mistkratzerli und Geschnetzeltes», zählt der Züchter auf. Hälse, Füsse und Organe werden meistens als Tierfutter an Hundehalter in der Region verkauft.

Morfs Bruderhähne leben mindestens 16 Wochen und haben durch ihr Alter und auch dank des regelmässigen Auslaufs einen kräftigen Geschmack. Die Hennenseien allerdings einfacher zu verkaufen, «in meiner Kundschaft sind einfach zu viele Vegetarier», scherzt der Gärtner.

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Geflügelzucht «Kokido» in Zahlen

  • 14 verschiedene Hühnerrassen
  • 300 Elterntiere
  • Drei Standorte (Elterntiere, Junghennen, Bruderhähne)
  • 4 bis 7 Stunden Arbeit pro Tag
  • 5 Brutschränke
  • 5 Eierfarben (Weiss, Beige, Blau, Grün, Dunkelbraun)
  • 10 verschiedene Geflügelfleischprodukte
  • 16 bis 22 Wochen leben die Bruderhähne
  • 2 bis 4 Jahre leben die Zuchthennen

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«Ausgezeichnete Arbeitsbedingungen»

Nicht bruttaugliche und überzählige Eier, die nicht für die Zucht eingesetzt werden, verkauft Alexander Morf ebenfalls. «Meine Kunden sagen, es seien diebesten Eier», meint er stolz. Während die Rasse für die grüne, braune, beige oder weisse Schalenfarbe und die unterschiedliche Grösse der Eier sorgt, sei das Futter entscheidend für den Geschmack. Der Züchter setzt auf Getreide aus einer regionalen Mühle, das mit einer eigenen Kräutermischung ergänzt wird. «Ausserdem», fügt Morf hinzu, «haben meine Hennen ausgezeichnete Arbeitsbedingungen mit mindestens acht Wochen Ferien pro Jahr.» Er spielt auf die Mauser an, jene Zeit, in der die Hühner ihr Gefieder wechseln und kaum mehr Eier legen. Nach zwei bis vier Jahren werden die Tiere als Suppenhühner verwertet.

Die Charaktere zeigen sich

Vom Suppentopf sind die rund 300 Elterntiere auf der leicht abschüssigen Streuobstwiese noch eineWeile entfernt. Nach Rassen getrennt leben Hennen und Hähne in den kleinen Ställen, aufgrund der Massnahmen zum Schutz vor der Vogelgrippe durften sie zum Zeitpunkt des Besuchs im März 2023 die weitläufigen Weiden nicht nutzen. Mit einem lauten «Gugugg» macht sich Alexander Morf bemerkbar, wenn er sich nähert. Ein ruhiges Marans-Huhn lässt sich gelassen von ihm auf den Arm nehmen, während er bei den lebhaften, schwanzlosen Araucana schnell zupacken muss, um eine zu erwischen. Die südamerikanische Rasse wurde einst von den Mapuche, einem indigenen Volk, gehalten.

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Seltene Vielfalt, die fasziniert

«Die Leute sagen, dass Orpington nicht auf Sitzstangen hüpfen», erzählt Morf. «Aber es ist wie mit Kindern oder Hunden: Man kann sie erziehen», ist er überzeugt. So setzt er die Junghühner bei Bedarf jeden Abend auf die Stangen, bis sie es gelernt haben. Die verschiedenen Charaktere je nach Rasse und Einzeltier machen für ihn die Arbeit mit dem Geflügel spannend und abwechslungsreich. «Die Faszination ist die Vielfalt», betont der Züchter – von der Eierfarbe bis zum Verhalten. «Jede hat ihr ‹Grindli›», meint Morf lächelnd.

Es gibt Unterstützung

Dass es gefiederte Exoten aus verschiedenen Teilen der Welt in Trüllikon gibt, verdankt Alexander Morf seinem guten Netzwerk zu Züchtern im In- und Ausland. «Ich wollte etwas Spezielles haben», erklärt der Zürcher. Auch sein Angebot von Junghennen ist hierzulande eine Seltenheit und besonders für jene interessant, die nicht selbst ausbrüten können oder wollen. 14 verschiedene Hühnerrassen hält Morf heute, dazu Truthähne, Perlhühner, Gänse und Enten. Bei der Betreuung unterstützen ihn seine Partnerin Manuela Rösch und ein Angestellter, denn je nach Jahreszeit geht es um vier bis sieben Stunden Arbeit pro Tag. Rösch hilft ausserdem bei der Büroarbeit und zum Beispiel beim Verladen der Tiere für den Transport. Sie besucht aktuell die Bäuerinnenschule.

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Transparenz gehört zum Konzept 

«Es wäre schon die Idee, einmal einen Bauernhof zu übernehmen», sagt Alexander Morf. Er hat sich damals für eine Gärtnerlehre entschieden, weil er keine Aussichten auf einen eigenen Hof hatte. Sein älterer Bruder führt den Betrieb seiner Eltern zusammen mit ihrem Vater und für eine ausserfamiliäre Hofübernahme rechnete sich Morf kaum Chancen aus. Mit Kursen und im Selbststudium hat er sich das Fachwissen rund um die Haltung und Zucht von Geflügel angeeignet, als Gärtner hat er viele Kunden persönlich beraten und den Umgang mit ihnen schätzen gelernt. «Ich übergebe jedes Huhn persönlich», betont der Züchter. Transparenz gehört ebenso zu seinem Konzept wie die seltenen Rassen, und auf Anmeldung könne jeder Interessierte die Haltung besichtigen. «Ich habe auch eine Art Bauernhof, nur anders», meint Alexander Morf und lässt den Blick über die kleinen, selbstgezimmerten Hühnerställe im Obstgarten schweifen. «Jetzt möchte ich meinen Kindheitstraum verwirklichen und die Geflügelzucht ausbauen.» Sie soll zu seinem Haupterwerb werden – Elterntiere und Eier gibt es dafür genug. Es gilt nur, sie auszubrüten.

weitere Informationen: www.kokido.ch

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