Es liegt der dritte Bericht aus dem 2019 eingeführten Meldesystem der Antibiotikaverschreibungen durch Tierärzte vor. Und wie seine Vorgänger ist er keine leichte Lektüre. Die Trends und Angaben sind zum Teil mit Unsicherheiten behaftet und die Kennzahlen nicht immer gleich aussagekräftig. «Jede Kennzahl hat spezifische Eigenschaften und muss im richtigen Kontext angewendet und interpretiert werden», heisst es dazu im Bericht des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV).
Hohe Werte beim Rindvieh
Bei Tierkategorien, die vermehrt hohe Kennzahlen aufweisen, werden gemäss BLV Gespräche mit den jeweiligen Branchenverbänden geführt. Darin sollen weitere Massnahmen diskutiert werden, um die Tiergesundheit zu verbessern und gleichzeitig den Antibiotika-Verbrauch zu senken.
Auf das Rindvieh trifft die obige Beschreibung zu: In mehreren Statistiken rangiert es in den oberen Rängen oder an der Spitze.
Milchkühe am häufigsten behandelt
So ist die höchste Anzahl Tierbehandlungen relativ zur Populationsgrösse in der Schweiz (pro 1000 Tiere) beim Milchvieh zu finden, gefolgt von der Rinderaufzucht sowie der Kälber- und Rindermast. «Innerhalb der Nutztiere sind alle Kennzahlen mit oder ohne Populationsbezug für Tiere der Rindergattung, insbesondere bei Rinderaufzucht sowie Kälber- und Rindermast sowie Milchkühen die Kategorien mit den höchsten Werten», hält das BLV fest. Das gilt auch für die Anzahl Behandlungen mit kritischen Antibiotika, bei der die Rinderaufzucht und -mast die Tabelle anführt.
Aber: Während zwar gesamthaft 2022 mehr Tiere der Rindergattung behandelt worden sind, kamen dafür weniger kritische Antibiotika zum Einsatz – wenn auch auf hohem Niveau.
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Rückgang bei Mastkälber und -rindern
Aus Sicht des Schweizer Kälbermästerverbands (SKMV) enthält der neuste Antibiotika-Bericht erfreuliche Zahlen. In einer Mitteilung weist der Verband darauf hin, dass in der Kategorie Mastkälber und -rinder von 2021 bis 2022 für alle eingesetzten Wirkstoffe ein Rückgang um 30,2 Prozent zu verzeichnen ist. «Besonders erfreulich ist der starke Rückgang der kritischen Wirkstoffe um 30,2 Prozent.» Man sehe diese Zahlen als Belohnung für die Anstrengungen in der Branche. Sowohl das Management als auch die Haltungssysteme seien in den letzten Jahren optimiert und damit die Tiergesundheit verbessert worden. «Wir sind auf dem richtigen Weg», so das Fazit des SKMVs.
Der Verband will sich weiter für präventive Massnahmen zur Steigerung der Tiergesundheit einsetzen, um den Antibiotikaeinsatz grösstmöglich zu umgehen und die Mittel wo nicht anders möglich gezielt und wirksam einzusetzen.
Atemwege und Euter
Die erfassten Daten zeigen die häufigsten Behandlungsgründe: Bei Mastkälbern und Rindern sind es Atemwegserkrankungen, Eutererkrankungen, Trockenstellen sowie Geburts- und Nachgeburtsstörungen bei Milchkühen.
Vermutlich sei die tatsächliche Anzahl Tierbehandlungen mit Trockenstellern und Euterinjektionen allerdings höher, da solche Präparate häufig auf Vorrat abgegeben würden. Generell werde in der Rindergattung viel Antibiotika auf Vorrat abgegeben.
Sinkende Zahlen bei den Schweinen
Bei fast allen Kategorien mit einer hohen Anzahl Tierbehandlungen ist gemäss Bericht das Niveau über die Jahre gleichgeblieben oder hat leicht zugenommen. Hingegen nehme die die Anzahl Tierbehandlungen bei den Schweinen in allen Kategorien ab. Fast alle Behandlungen von Schweinen betrafen 2022 Ferkel oder Masttiere, meist wegen Durchfall und Verdauungsstörungen. Die Aufteilung nach Behandlungsgrund sei hier wegen viel Abgabe auf Vorrat (72,2 Prozent der Verschreibungen) weniger zuverlässig als beim Rindvieh.
Weniger kritische Antibiotika
Gesamthaft wurden 2022 28 Prozent weniger kritische Antibiotika in der Veterinärmedizin eingesetzt als im Vorjahr. Über 90 Prozent der Gesamtmenge diente der Behandlung von Rindvieh, insbesondere Mastkälber und -rinder. Am zweitmeisten kritische Antibiotika wurden beim Geflügel eingesetzt, aber auch dort mit einem deutlichen Rückgang. Ein Teil der Verschreibungen lässt sich laut Bericht damit erklären, dass gegen gewisse Indikationen nur kritische Wirkstoffe zugelassen sind. «Hier soll nun in solchen Fällen erlaubte Umwidmung sowie die Möglichkeit zur Einfuhr nicht-kritischer Antibiotika die Situation verbessern.»
Da von kritischen Antibiotika geringere Mengen für eine Wirkung eingesetzt werden müssen, sind sie ein gutes Beispiel für die schwierige Interpretation der Berichtdaten: Eine Zunahme der verschriebenen Gesamtmenge kann damit zusammenhängen, dass weniger kritische Wirkstoffe genutzt worden sind – somit wäre diese Zunahme der Gesamtmenge sogar ein gutes Zeichen.