Die Schweizer Tierheilpraktiker müssen sich warm anziehen. Nachdem Deutschland die Befugnisse ihrer dortigen Kollegen drastisch eingeschränkt hat, drängen Heilpraktiker aus der Tierhomöopathie zunehmend auf den Schweizer Markt. Dies sagte der Veterinärmediziner und Tierhomöopath Erwin Vincenz an der Generalversammlung des Vereins Kometian im März.
Kometian hat sich zum Ziel gesetzt, mit homöopathischen und anderen komplementärmedizinischen Methoden den Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung zu senken, insbesondere beim Milchvieh. Genügend Leute für die angebotenen Kurse zu finden, ist aber schwierig. Und auch bei den landwirtschaftlichen Fachschulen hält sich das Interesse am Kursangebot von Kometian in Grenzen, wie Beratungsstellenleiterin Nicole Studer-Hasler an derselben Versammlung sagte. Und das, obwohl Kometian während mehrerer Jahre mit Bundesmitteln gefördert und dabei vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick begleitet wurde.
Eine deutsche Dozentin betreibt 30 Chat-Gruppen
Der Grund: die Konkurrenz. Viele Anbieter setzten lieber auf bekannte Namen aus Deutschland oder Österreich, sagte Studer-Hasler. So sei es schwierig geworden, überhaupt «einen Fuss in die Türe zu bekommen». Auch Eva Ulm vom Kometian-Vorstand warnte vor der Konkurrenz aus dem nördlichen Nachbarland. Diese besetzte den Markt in der Schweiz zusehends.
Eine gängige Praxis sei etwa, nach einem Kurs Chatgruppen einzurichten, in denen die Tierhalter ihre Fragen stellen könnten. «Die rufen dann nicht mehr bei uns an», sagte Ulm. Dabei würden diese Chatgruppen mittlerweile professionell gemanagt, wobei die Mitglieder die Betreiber mit Gratisarbeit unterstützten. Ulm nannte eine deutsche Heilpraktikerin, die gleich dreissig solche Chatgruppen verwalte. «Da sind wir weg vom Fenster», sagte Ulm.
«Wir haben im vergangenen Jahr sechs Kurse geplant, konnten aber nur zwei durchführen», sagte Beratungsstellenleiterin Studer-Hasler. Um das Interesse der potenziellen Kundschaft zu steigern, will Kometian in naher Zukunft verstärkt auf Komplementärmedizin abseits der klasisschen Homöopathie setzen, so etwa auf Schüssler-Salze.
In Deutschland darf nur noch der Tierarzt Mittel verschreiben
Zugleich ist die Zukunft der Homöopathie in der Veterinärmedizin ungewiss. So verlangt die neue Tierarzneimittelverordnung der EU, dass auch homöopathische Mittel bei Nutztieren verschreibungspflichtig werden. Sie dürften damit nur noch vom Tierarzt eingesetzt werden. Für viele Tierheilpraktiker komme dies fast einem Berufsverbot gleich, sagt Vincenz. «Der Druck wird auch bei uns kommen», warnte er an der Generalversammlung. «Wir müssen rechtzeitig eine Gegenreaktion zeigen.» Es sei nun wichtig, mit allen Beteiligten zusammenzuarbeiten, so etwa mit der IG Homöopathie Nutztiere oder dem Tierheilpraktikerverband.
Vincenz zog Parallelen zu der Situation in den 70er-Jahren. Damals habe es Bestrebungen gegeben, den biologischen Landbau in der Lebensmittelproduktion zu verbieten. «Aus dem Widerstand dagegen entstand schliesslich Bio Suisse», sagte Vincenz.
Er ist optimistisch, dass die Schweiz bei der Homöopathie einen pragmatischeren Weg wählen wird als Deutschland. Dem verstärkten Konkurrenzdruck müsse proaktiv begegnet werden. Denn die Beratungen sind für Kometian der Schlüssel zum Erfolg. «Ab etwa drei Beratungen lohnt sich eine Mitgliedschaft», sagte Präsident Urs Brändli an der Generalversammlung. Nun gehe es darum, die Telefonnummer der Beratungshotline bekannter zu machen. Dafür fehlt aber das Geld. «Die Mittel für grosse Inserate haben wir nicht», sagte Brändli.
Telefon-Hotline als niederschwelliges Angebot
Helfen soll die im letzten Jahr eingerichtete «24 h Hotline Open» für Nicht-Vereinsmitglieder. Vorher hatte es Beratungen nur für Mitglieder gegeben. «Wir brauchen einen niederschwelligen Zugang», sagte Geschäftsführer Walter Brunner, «bisher war die Eintrittsschwelle zu hoch.»
Allerdings seien die Tarife für Nicht-Mitglieder etwas höher, so dass weiterhin ein Anreiz für eine Mitgliedschaft bestehe. Noch sei der Umsatz mit der neuen offenen Hotline aber nur gering, sagte Buchhalterin Sabine Rohrer.
Milchproduzenten treten als Hauptsponsor auf
Von einer Vergünstigung profitieren kann, wer bei einer regionalen Mitgliedsorganisation der Schweizer Milchproduzenten (SMP) dabei ist. Da gibt es ausserdem einen Rabatt von 50 Franken auf die Eintrittsgebühr von 100 Franken bei einem Wechsel von «24 h Hotline Open» zu «24 h Hotline Member». Die SMP unterstützen Kometian als Hauptsponsor.
In dieser Rolle zahlen die SMP während drei Jahren jährlich 50'000 Franken an den Verein. Zum Vergleich: Aus Mitgliederbeiträgen nimmt Kometian 100'000 Franken ein, das operative Geschäft soll 2023 gemäss Budget 70'000 Franken einbringen. Allein der Personalaufwand wird auf 114'000 Franken veranschlagt. Budgetiert ist ein ausgeglichenes Ergebnis.