Drei Tage dauerte die Reise aus der Schweiz bis ins südlich-zentrale Hochland von Madagaskar, einer grossen Insel im Indischen Ozean, 420 Kilometer vor der Ostküste Mosambiks . «Wir waren allein zwei Tage mit dem Auto unterwegs», erzählt Ruth Rossier. «Die Strecke von der Hauptstadt betrug zwar nur 450 Kilometer, doch die Strassen sind schlecht.»

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Im Rahmen der Schweizer Hilfsorganisation «Agro sans frontière» engagiert sich die Agronomin seit ihrer Pensionierung im Jahr 2016 für den Kartoffelanbau im Inselstaat. Zuvor hatte sie bei Agroscope in Tänikon viele Jahre die soziale und ökonomische Situation auf bäuerlichen Familienbetrieben erforscht. Der Verein Agro-sans-frontière Suisse (ASF-CH) mit Sitz in Lausanne setzt sich dafür ein, die globale Ernährungssicherheit zu verbessern und unterstützt Projekte im Niger, in Senegal und auf Madagaskar beim Anbau von Kartoffeln.

Das Projekt wächst

«Das Projekt wird immer grösser», sagt Ruth Rossier, die vor Kurzem zwei Wochen in Madagaskar war. Mittlerweile sind 250 Produzentinnen und 22 Kartoffel-Vermehrerinnen involviert. Die Kartoffeln dienen zum einen zur Selbstversorgung, den Madagaskar gilt als eines der ärmsten Länder der Welt. Zum anderen verkaufen die Bauernfamilien die Überschüsse. «So können die Frauen etwas Geld dazu verdienen, wie früher die Bäuerinnen bei uns mit ihrem Eiergeld. So können sie zum Beispiel das Schulgeld für die Kinder aufbringen.» [IMG 3]

Acht Dörfer mit je rund 400 Haushalten sind inzwischen am Projekt beteiligt. Ursprünglich geplant war, dass im Laufe der Jahre 40 Dörfer dabei sind. Doch dazu braucht es noch etwas Geduld – und weitere Unterstützung aus der Schweiz. «Wir wussten damals nicht, dass wir kein gutes Saatgut hatten», so Ruth Rossier. «Deshalb war erst mal die Vermehrung von geeigneten Kartoffelsorten ein Thema.»

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Vor Ort arbeitet Agro sans frontière mit dem lokalen Verein VFTM zusammen, der sich für die bäuerliche Entwicklung in der Region Haute Matsiatra starkmacht. Dank regelmässiger Berichte von VFTM weiss Ruth Rossier, dass sowohl die Produktion von Pflanzkartoffeln wie jene von Speisekartoffeln Fortschritte machen. «Auch die Lagerung der Pflanzkartoffeln ist nun vorbildlich organisiert.»

Ausbildung für Bäuerinnen

Ausgebildet werden die Bäuerinnen in einem landwirtschaftlichen Schulungszentrum im 250 km entfernten Antsirabe. «Viele der Frauen sind dabei erstmals so weit von daheim weg und bekommen ganz neue Eindrücke.» Die Produzentinnen gewinnen an Selbstvertrauen und lernen Neues Im nächsten Jahr möchten Agro sans frontière deshalb die Zahl der Teilnehmerinnen am Ausbildungsprogramm verdoppeln oder gar verdreifachen. «Auch die Anzahl Schülerinnen auf dem Schulbauernhof möchten wir auf 15 bis 20 erhöhen.» 

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Die Kartoffel-Ernten sind zufriedenstellend, die Anwendung von Flüssig- und Wurmkompost tragen dazu bei. Nun soll das Thema Vermarktung verstärkt angegangen werden. Dazu wurde etwa dem Dorfchef von Andohasahabe ein neuer Ochsenkarren für den Transport von Kartoffeln übergeben. Die Ausleihe des Karrens funktioniert ähnlich wie bei einem hiesigen Maschinenring: Alle Mitglieder können den Karren gegen eine kleine Gebühr für ein bis drei Tage ausleihen. Denn ein weiteres Ziel des VFTM ist die gemeinsame Vermarktung von Speisekartoffeln auf dem Markt in Fianarantsoa. Hier fehlt jedoch ein geeignetes Lagerhaus in Marktnähe. 

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Finanzielle Verantwortung

«Das Kartoffelprojekt wächst und gedeiht, und wird sich hoffentlich eines Tages verselbstständigen und ohne unsere Hilfe auskommen», schreibt Ruth Rossier in ihren Newsletter zum Projekt. Doch noch ist das Projekt auf Spenden angewiesen. Sie kommen vor allem aus der Deutschschweiz.

«Eine grosse Verantwortung, und das ist manchmal belastend», sagt Ruth Rossier, die sich praktisch im Alleingang um die Finanzierung kümmert. «Denn ich möchte die Menschen in Madagaskar nicht hängen lassen.» Derzeit beträgt das Budget rund 20 000 Franken. Ruth Rossier arbeitet vollkommen ehrenamtlich, auch die Reisespesen werden ihr nicht vergütet. Doch die Freude und Sinnhaftigkeit ihres Engagements sind ihr das wert. «Die Frauen sind zäh und arbeitsam und erinnern mich etwas an die Bergbevölkerung bei uns. Es ist eine Freude, mit ihnen zu arbeiten.»

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Weitere Informationen: www.agro-sans-frontiere.ch