"Heute reagieren wir auf die Sorgen der Bürger", sagte Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission, vor den Medien. Bürgerinnen und Bürger sollen demnach in Zukunft deutlich einfacher Zugang zu relevanten Informationen etwa über mögliche Gesundheitsgefahren oder Umweltbelastungen durch Pflanzenschutzmittel erhalten.

Dazu sollen sie von der Industrie an die EU-Lebensmittelbehörde Efsa übermittelte Daten unmittelbar einsehen dürfen. Andere Marktteilnehmer sowie die Öffentlichkeit sollen sich zudem einfacher zu von Unternehmen übermittelten Studien äussern können.

Die Efsa soll ausserdem in Zweifelsfällen eigene Studien in Auftrag geben können, die aus dem EU-Budget finanziert werden sollen. Neu will die Brüsseler Behörde auch Wissenschaftler aus den Mitgliedstaaten stärker in die Genehmigungsverfahren einbinden.

Mit diesen Massnahmen reagiert die EU-Kommission auf die Debatte rund um die erneute Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat. Ende November 2017 hatten die EU-Staaten nach langem Streit beschlossen, die Zulassung der Chemikalie um fünf Jahre zu verlängern.

Dies, obwohl die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation den Unkrautvernichter im März 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" für den Menschen eingestuft hatte. Die Efsa und die Chemikalienagentur Echa sahen aber keine ausreichenden Belege dafür.

Verdacht auf Einflussnahme

Gegen die erneute Zulassung von Glyphosat hatte es massive Proteste gegeben. Eine europäische Bürgerinitiative hatte EU-weit mehr als eine Million Unterschriften für ein Verbot gesammelt. Die Glyphosat-Gegner warfen den Verantwortlichen vor, sich von der Pflanzenschutzmittel-Industrie beeinflusst haben zu lassen.

Die Unterzeichner forderten daher auch eine Reform des Genehmigungsverfahrens bei Pestiziden. Diese sollten nicht auf Basis von Studien zugelassen werden dürfen, die von der Pflanzenschutzmittel-Industrie "in Auftrag gegeben wurden", hiess es in der Initiative.

Damit nun aber die am Mittwoch präsentierten Vorschläge der EU-Kommission in Kraft treten können, braucht es noch die Zustimmung der EU-Staaten und des EU-Parlaments.

Kritik an EU-Kommission

Der Konsumentenverband Foodwatch kritisierte jedoch den Vorstoss. Die von der EU-Kommission erwogenen Korrekturen griffen zu kurz, sagte Foodwatch-Chef Thilo Bode der Nachrichtenagentur DPA in Brüssel. Nach den Skandalen um Pferdefleisch, Fipronil-Eier oder verseuchte Babymilch sei vielmehr eine grundlegende Reform des EU-Lebensmittelrechts nötig.

Foodwatch verlangt deshalb ein stringentes und verpflichtendes System, mit dem Lebensmittel über die gesamte Produktionskette hinweg rückverfolgbar werden.

Risikobewertung bei umstrittenen Mitteln wie dem Unkrautvernichter Glyphosat müsse strikt dem Vorsorgeprinzip folgen: Wenn es Hinweise auf Risiken gebe, dürfe keine Zulassung erteilt werden.

Glyphosat in der Schweiz

Die Diskussionen in der EU hatten auch Schweizer Politiker auf das Thema Glyphosat aufmerksam gemacht. Sie forderten einen Bericht vom Bundesrat, denn das Herbizid wird auch in der Schweiz eingesetzt. Die Stiftung für Konsumentenschutz geht von jährlich 300 Tonnen aus.

Gemäss dem dafür zuständigen Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) liegt mittlerweile der Bericht vor, muss aber noch dem Bundesrat unterbreitet werden.

Ersten Ergebnissen zufolge, die auf der Internetseite des BLV publiziert sind, enthalten rund 40 Prozent der geprüften Lebensmittel messbare Spuren von Glyphosat - allerdings in Mengen, die unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte liegen. Gemäss BLV bestätige dies, dass die Glyphosat-Rückstände in den Lebensmitteln keine Gefahr für die Gesundheit darstellten.

sda/dpa